Proviande Werbespot 1

Die Fleischwerbung zeigt viele schöne Bilder mit sympathischen Bauern und Bäuerinnen. © Proviande

Proviande darf weiter wursteln

Esther Diener-Morscher /  Die Fleischbranche betreibt tendenziöse Werbung. Auch zur besten Sendezeit im Fernsehen. Und der Bund zahlt immer noch dafür.

Schon mehrmals musste die Schweizerische Lauterkeitskommission (SLK) Beschwerden zur Werbung der Fleischwirtschaft behandeln. Sie zeige unrealistische Bilder von der Fleischwirtschaft und mache irreführende Aussagen über das Tierwohl in der Schweiz, kritisieren die Beschwerdeführer.

Doch das kümmert Proviande, die verantwortliche Vermarktungs-Organisation, wenig. Sie fährt weiter, als ob nichts wäre: Etwa mit schönfärberischen Werbefilmen über «unsere Bauern». Derzeit gibt es mehr als 20 kurze Spots, welche die Fleischproduktion im besten Licht erscheinen lassen.

Es sind keine offenkundigen Falschinformationen, sagt Tobias Sennhauser, Präsident des Vereins Tier im Fokus. «Vielmehr wird aufwändig versucht, das Positive hervorzuheben und das Negative auszuklammern», stellt er fest.

Auffällig ist die Strategie von Proviande, sympathische Bäuerinnen und Bauern zu inszenieren: Der Schweinemäster erzählt davon, wie er seine Frau in Willisau an der Chilbi kennengelernt habe. Die Pouletmästerin ist beim Pflücken in ihrem Blumenfeld zu sehen.

Proviande Werbespot 2 Pouletmast und Blumenfeld
Sympathisch: Die Pouletmästerin zeigt einen Blumenstrauss.
Proviande Werbespot 3 Schweinemästerin giesst Salat
Idylle in der Schweinemästerei: Die Bäuerin giesst Salat.

Was fehlt: Alle problematischen Seiten der Tierhaltung. Etwa dass viele Schweine und Hühner ihr ganzes Leben in geschlossenen Ställen verbringen. Auch Tiertransporte und die industrielle Schlachtung werden ausgeblendet.

In einem der Werbe-Videos suggeriert Proviande, dass Privatpersonen jederzeit eine Hühnermast-Anlage besuchen können. «Selbst wenn das in diesem Stall möglich wäre, dann wäre es eine riesige Ausnahme», sagt Tobias Sennhauser. «Aus Seuchenschutzgründen wäre das viel zu gefährlich. Zudem gibt es bei Hühnern täglich tote Tiere, was gegen eine spontane Stallvisite spricht.»

Proviande zeigt auch Bilder, auf denen die Schweine regelrecht im Stroh baden. «Das ist natürlich keineswegs repräsentativ. Im Gegenteil: Einstreu ist bei Schweinen nicht vorgeschrieben», sagt Sennhauser.

Unrealistische Bilder im Werbespot: Die Schweine baden regelrecht im Stroh.

Mit den idyllischen Bildern der Schweizer Landwirtschaft will die Branche den Konsumentinnen und Konsumenten ein gutes Gewissen verschaffen. Unlauter sind die Bilder aber nicht. Die Schweizerische Lauterkeitskommission (SLK) legitimiert sogar ausdrücklich schönfärberische Fleischwerbung.

In einem Entscheid räumt sie zwar ein, dass idyllische Bilder von Tierhaltung im Grünen nicht der Mehrheit der Tierhaltungen entsprächen. Es sei aber zulässig, «in der Werbung eine bestimmte Realität abzubilden, auch wenn diese einer Minderheit entspreche».

Sie hielt folgenden absurden Werbe-Grundsatz fest: «Ein Werbesujet ist nicht schon dann unrichtig, wenn es nicht die mehrheitlich zutreffende Situation zeigt, sondern erst, wenn es eine Situation präsentiert, die nie in der Realität anzutreffen ist.»

Noch absurder ist, dass auch der Staat das «Greenwashing» der Tierindustrie unterstützt – und zwar mit Steuergeld. Jedes Jahr erhält Proviande fünf bis sechs Millionen Franken zur Förderung des Absatzes von Schweizer Fleisch.

Proviande versucht, diese Subventionen kleinzureden. So betont die Organisation immer wieder: Mindestens die Hälfte der Kosten müssten die Branchenverbände selbst tragen. Das heisst: Proviande lobt sich dafür, dass die Fleischproduzenten die Hälfte der Fleischwerbung selber zahlen und der Bund «nur» die andere Hälfte übernimmt.

Eigentlich müsste der Bund nun Subventionen streichen

Offensichtlich ist sich der Bund mittlerweile bewusst, wie problematisch seine Millionen-Subventionen für die Fleischwerbung sind. Denn im Massnahmenplan für die Klimastrategie des Bundes steht, «dass die Mittel für die Absatzförderung für pflanzliche Produkte in Zukunft gestärkt werden, während jene für tierische Produkte angepasst werden.» Ob «angepasst» tatsächlich «reduziert» bedeutet?

Infosperber wollte vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) wissen, um wie viel der Bund die Subventionen für die Fleischwerbung kürzen wolle. Die Antwort: Reformvorschläge für die Absatzförderung müssten erst erarbeitet werden. Und zwar «unter Einbezug der verschiedenen Interessensgruppen».

Proviande ist eine dieser «Interessensgruppen». Und die Organisation denkt nicht im Traum daran, ihre Fördermillionen kürzen oder sogar ganz tilgen zu lassen. Sie schreibt auf ihrer Website: «Es ist wichtiger denn je, in einer globalisierten und wettbewerbsgetriebenen Gesellschaft die Vorteile einer heimischen Produktion aufzuzeigen.»

Auch eine weitere Ankündigung in der Klimastrategie des Bundes hat keine Konsequenzen. Zwar steht im Massnahmenplan: «Ausserdem sollen strengere Auflagen für staatlich subventionierte Werbe-Aussagen gelten.»

Doch der Bund hat keineswegs im Sinn, künftig die Fleischwerbung zu prüfen. Auf die Frage von Infosperber, wie diese strengeren Auflagen aussehen, antwortete das BLW: Bekanntlich gebe es die Schweizerische Lauterkeitskommission. «Beschwerden gegen unlautere kommerzielle Kommunikation können dort eingereicht werden.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Kuh

Landwirtschaft

Massentierhaltung? Bio? Gentechnisch? Zu teuer? Verarbeitende Industrie? Verbände? Lobbys?

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5 Meinungen

  • am 8.04.2024 um 12:38 Uhr
    Permalink

    Ui näi aberau! Diese Söiniggel. Die sollen sich ein Beispiel nehmen an den lauteren Auto-, Wein- oder Tourismus-Reklamenm …

  • am 8.04.2024 um 13:39 Uhr
    Permalink

    Ich bin entsetzt darüber, dass die Fleischproduktion subventioniert ist, nicht nur, weil wir ja aus gesundheitlichen Gründen weniger Fleisch essen sollten, sondern auch weil die gleiche Bodenfläche via vegetarische Produkte viel mehr Menschen ernähren könnte als via Tierfutter, mit dem Fleisch produziert wird. Verständnis habe ich nur für die höher gelegenen Alp- und anderen Wiesen, wo man z. B. Getreide nicht erfolgreich anbauen kann.

  • am 9.04.2024 um 10:14 Uhr
    Permalink

    Absatz – und Verkaufsförderungsbeiträge mittels Steuergelder, Angaben in Millionen : 21 für Käse, 3.2 für Wein, für Fleisch 4 , Obst 2.2 , Käseexport 3.5 überregionale Produkte 3.1 , Eier 1.2 und deren Marktstützung 1.7 , gemeinwirtschaftliche Leistungen 2.6 , Förderung Weinbau 1 ,Verwertung Schafwolle 0.9.-, Gemüse, Kartoffeln 0.57.- ,Getreide 0.83.- ,Lebende Tiere 0.78.- Fleischexporte 0.7.- Rindergenetik 0.12.- Verkäsung Milch 263 , Milch und Anken 8, Auslagerung an Proviand 6.5, Fleisch 5.3. = Total 330.2 ( Quelle : Privilegienliste Schweizer Landwirtschaft, Avenir Suisse )

  • am 10.04.2024 um 07:23 Uhr
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    Danke für den Artikel, die subventionierte Landwirtschaft Werbungen auf allen Kanälen sind mir längst ein Dorn im Auge.

  • am 11.04.2024 um 10:19 Uhr
    Permalink

    Und jetzt passiert was oft passiert wenn es Rechtsbürgerlichen nicht in den Kram passt : Mit den Zahlen wird jongliert und nur gerade das angeführt was in’s Politkalkül passt. Die 21 Milliarden durch die Avenir Suisse berechnet wird in Frage gestellt. Übliches aber falsches Gedöns.

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