Pestizide.pd

Die Schweiz verkauft Ländern in Asien und Afrika Pestizide, die in der Schweiz und in der EU verboten sind. © pd

Syngenta exportiert fast 100 Tonnen in EU verbotene Pestizide

Pascal Derungs /  Seit 2021 will die Schweiz den Export gefährlicher Chemikalien unterbinden, doch die Verbots-Liste ist löchrig und veraltet.

«Vertrauliche Dokumente der deutschen Behörden belegen, dass Syngenta allein dieses Jahr die Ausfuhr von fast 100 Tonnen Pestiziden, die in der Schweiz und der EU verbotene Substanzen enthielten, aus Deutschland in die Schweiz gemeldet hat. Von hier sollten sie anschliessend in Drittländer gehen.» Das geht aus Recherchen der Schweizer NGO Public Eye hervor. Das Wesentliche daraus fasst Infosperber im Folgenden zusammen.

Lippenbekenntnisse statt griffige Regeln

Im Oktober 2020 erliess der Bundesrat ein Exportverbot für Pestizide, deren Produktion und Einsatz in der Schweiz untersagt sind. Seit Anfang 2021 ist es in Kraft, gilt aber explizit nur für fünf Substanzen: Paraquat, Atrazin, Diafenthiuron, Profenofos und Methidathion. 

Die Ausfuhr aller anderen aus der Schweizer Landwirtschaft verbannten Pestizide ist weiterhin legal. Das federführende Bundesamt für Umwelt BAFU schrieb im Oktober 2020, dass die Ausfuhr von Pflanzenschutzmitteln, «die in der Schweiz nicht zugelassen sind» in Zukunft bewilligungspflichtig sei und einer vorgängigen Zustimmung des Einfuhrstaates bedürfe. «Dem Bundesrat ist es wichtig, dass Pflanzenschutzmittel, die aus der Schweiz in andere Länder exportiert werden, nicht die Gesundheit von Menschen oder die Umwelt gefährden», erläuterte das BAFU damals. Am 14. Oktober 2020 hatte der Bundesrat die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) in diesem Sinn angepasst. 

Bundesrat führt für Export vieler verbotener Pestizide weder Melde- noch Bewilligungspflicht ein

Die Crux dabei: sie wurde seither nie aktualisiert und der Realität angepasst. Rund 90 nachweislich gefährliche Stoffe sind nicht auf dieser Liste aufgeführt und unterliegen somit nicht einmal einer Meldepflicht. Ihre Ausfuhr bleibt für Behörden und Öffentlichkeit unsichtbar. Deshalb tauchen die fast 100 Tonnen Pestizid-Exporte von Syngenta in den offiziellen Schweizer Daten nicht auf. Zwar wurden alle diese Pestizide kürzlich in der Schweiz verboten, aber sie stehen noch immer nicht auf der Liste jener Stoffe, die den helvetischen Exportvorschriften für gefährliche Chemikalien unterliegen. Sie sind nicht melde- und bewilligungspflichtig und können ohne Zustimmung des Empfängerlands versandt werden. Im Spiel sind solch toxische Wirkstoffe wie Thiamethoxam, ein «Bienenkiller», Diquat, das schon beim Einatmen tödlich sein kann, Propiconazol, welches laut der EU «fortpflanzungsgefährdend» ist, und Chlorthalonil, eine krebserregende Substanz, die das Grundwasser verseucht. Dies steht in krassem Gegensatz zur deklarierten Absicht des Bundesrates, den Export verbotener Pestizide strenger zu kontrollieren.

Verordnung hinkt der Realität hinterher

Das Problem liege in der schleppenden Aktualisierung der Liste der Stoffe, die den Ausfuhrbestimmungen für gefährliche Pestizide unterliegen, schreibt Public Eye. Auf europäischer Ebene wird diese Liste jedes Jahr aktualisiert. So kamen in den letzten Jahren über 70 verbotene Substanzen hinzu, 22 davon allein im April 2022. In der Schweiz wurde die entsprechende Liste zuletzt im März 2020 angepasst – also Monate vor der Einführung des Exportverbots. Und es wurden nur rund 10 Stoffe neu aufgeführt. Gemäss Public Eye erklärt das BAFU, dass jährliche Aktualisierungen, wie es die EU handhabt, «mit den verfügbaren Personalressourcen nicht möglich wären». Das Amt weist jedoch darauf hin, dass der Bundesrat in Kürze über die Aufnahme von 69 neuen Wirkstoffen in die Gesetzgebung entscheiden soll, die seit 2019 vom Schweizer und EU-Markt genommen wurden.

Auch bewilligte Pestizide sind schädlich

Doch sogar bei Pestiziden, die bewilligungspflichtig sind, zeigten sich die Behörden gegenüber Exporteuren nachsichtig. Laut Dokumenten, die Public Eye vom BAFU erhielt, hat das BAFU dem Basler Agrochemiekonzern Syngenta 2021 und 2022 erlaubt, jeweils mehr als 10 Tonnen Pflanzenschutzmittel auf Basis von Triasulfuron zu exportieren. Diese Substanz ist wegen ihrer Giftigkeit für Wasserorganismen und ihres erbgutschädigenden Potenzials bei uns verboten. 

Die Exporte gingen nach Algerien und Tunesien, wo es in der Regel an fachlicher Ausbildung und Ausrüstung mangelt, um den Schutz von Menschen und Gewässern zu gewährleisten. Gegenüber Public Eye erklärt Syngenta, dass man die Sicherheit der Produkte für Mensch und Umwelt sehr ernst nehme. Man habe Hunderte von Millionen Dollar in die Produkte investiert, um deren Sicherheit zu gewährleisten. Syngenta bestreitet, dass Triasulfuron im Verdacht stehe, krebserregend zu sein. Der Konzern verweist darauf, dass für die Exporte eine «Einfuhrgenehmigung der Importländer» vorliege. 

«Wie kann die Schweiz, das Heimatland der Menschenrechte, diese Praxis noch tolerieren?», fragt sich dagegen Semia Gharbi, Vertreterin des Vereins für Umweltbildung für zukünftige Generationen in Tunesien. Die Public-Eye-Recherche zitiert Gharbi weiter: «Alle Menschen sind gleich. Wenn eine Chemikalie für die Menschen in der Schweiz oder der EU zu gefährlich ist, dann ist sie es auch für die Menschen in ärmeren Ländern.»

Der globale Pestizidboom verursacht gravierende Schäden

Gefährliche Stoffe, die in der Schweiz oder der EU verboten sind, können in Entwicklungs- und Schwellenländern erst recht nicht sicher eingesetzt werden, weil dort das Personal meist weniger geschult ist und sich diese Länder weniger Vorsichtsmassnahmen leisten können. Die bei uns verbotenen Substanzen können verheerende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben, wie ein Bericht der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) feststellt. Heute würden weltweit so grosse Mengen Pestizide ausgebracht wie nie zuvor – mit verheerenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, insbesondere in Ländern des globalen Südens, vor allem in Lateinamerika und Asien. Doch auch in afrikanische Länder exportieren Firmen wie die Schweizer Syngenta zunehmend Pestizide – nicht zuletzt solche, die in der EU und der Schweiz aufgrund ihrer gesundheits- oder umweltschädigenden Wirkung nicht mehr zugelassen oder verboten sind. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 12.12.2022 um 16:20 Uhr
    Permalink

    vor erst 2 Jahren wurde der schweizer Bevölkerung das Freihandelsabkommen mit Indonesien als nachhaltiges biodiversitätförderndes Projekt verkauft. Es wurde hauptsächlich mit der Förderung des Anbaus und des Importes von Bio Palmöl geworben. Was die Schweiz im Gegenzug Steuerbefreit exportiert, wurde nur ganz vage am Rand erwähnt. Chemie war da aber schon auch dabei… und ich nehme nicht an, dass es irgendwo eine öffentlich zugängliche Statistik über die ausgeführten Güter gibt, oder?

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