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Für Modernas Aktionäre geht es um Milliarden © BioSpace

Moderna verweigert der US-Gesundheitsbehörde Patentrechte

Christa Dettwiler /  Moderna erhielt Milliarden vom Staat, um den Corona-Impfstoff zu entwickeln. Jetzt will Moderna die Gewinne allein kassieren.

In einem ausführlichen Bericht informiert die «New York Times» über einen erbitterten Streit zwischen dem Pharmaunternehmen Moderna und den staatlichen Nationalen Gesundheitsinstituten NIH. Die beiden sind sich uneins, wer die entscheidende Komponente des Corona-Impfstoffs beigesteuert hat. Der Konflikt hat weitreichende Konsequenzen für die langfristige Verteilung des Impfstoffs und für die künftigen Milliardengewinne.

Der Impfstoff ist das Resultat einer mehrjährigen Zusammenarbeit zwischen Moderna und den NIH. Als er sich als äusserst wirksam entpuppte, wurde die Partnerschaft noch hoch gelobt, und das Vakzin kursierte noch vor einem Jahr unter dem Namen «NIH-Moderna Covid19-Impfstoff».

Laut NIH haben drei seiner Wissenschaftler am Impfforschungszentrum – Direktor John Mascola, der kürzlich pensionierte Barney Graham und Kizzmekia Corbett, die heute in Harvard lehrt – mit Moderna-Wissenschaftlern an der genetischen Sequenz mitgearbeitet, dank der das Vakzin eine Immunreaktion auslöst. Sie müssten demnach auch in der Patent-Anmeldung genannt werden.

Moderna sieht das anders, wie ein Zitat aus der Anmeldung beim US-Patentamt zeigt. Das Unternehmen schrieb, es gäbe «eine in Treu und Glauben getroffene Entscheidung, dass diese Personen» die umstrittene Komponente «nicht miterfunden hätten». Die Patentanmeldung benennt Moderna-Angestellte als alleinige Erfinder.

Bereits seit mehr als einem Jahr schwelt dieser Konflikt zwischen den NIH und Moderna. Die «New York Times» zitiert einen mit dem Fall vertrauten Regierungsbeamten mit der Aussage, die im Juli eingereichte Anmeldung habe sie völlig auf dem falschen Fuss erwischt.

Noch ist nicht klar, wann das Patentamt über den Fall befinden wird. Seine Aufgabe besteht einzig darin zu klären, ob ein Patent überhaupt gewährt werden kann. Sollten sich die beiden Parteien bis dahin nicht einigen können, muss die Regierung darüber entscheiden, ob sie vor Gericht gehen soll. Dann steht ihr eine teure und schmutzige Auseinandersetzung bevor.

Bei diesem Streit geht es nämlich um weit mehr als um wissenschaftliche Ehren oder Egos. Würden die drei Instituts-Wissenschaftler im Patent aufgeführt, hätte die Regierung grössere Mitsprache. Etwa darüber, welche Unternehmen den Impfstoff herstellen, was wiederum die Verteilung in andere Länder beeinflusst. Zudem erhielte die Regierung nahezu uneingeschränkte Rechte, die Technologie zu lizenzieren. Dabei geht es um richtig viel Geld für die Staatskasse. 

Impfstoff mit Milliarden Steuergeldern entwickelt

Fachleute, die mit dem Fall vertraut sind, werten das Vorgehen von Moderna dagegen als Verrat. Moderna hat 1,4 Milliarden US-Dollar für Entwicklung und Tests erhalten, sowie 8,1 Milliarden für eine halbe Milliarde Impfdosen für die USA. Unterdessen stehen in den Auftragsbüchern von Moderna Deals bis Ende 2022, die 35 Milliarden Dollar einbringen sollen. Dass Moderna nicht daran interessiert ist, den Impfstoff an arme Länder abzugeben, hat die Stimmung nicht eben verbessert. 

Die «New York Times» zitiert John P. Moore, Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der Cornell Universität, der die Auseinandersetzung als eine Frage «der Fairness und Moral auf wissenschaftlicher Ebene» beschreibt. Schliesslich hätten die zwei Institute seit vier oder fünf Jahren zusammengearbeitet.

Obwohl eine Sprecherin für Moderna einräumt, das Unternehmen «erkenne die substantielle Rolle der NIH in der Entwicklung des Impfstoffes an», sei es rechtlich verpflichtet, das Institut bei der Patentanmeldung auszuschliessen. Denn «nur Moderna-Wissenschaftler haben den Impfstoff designed».

Experten meinen, das umstrittene Patent sei das wichtigste in Modernas wachsendem Portfolio von geistigem Eigentum. Moderna hatte vor dem Corona-Impfstoff noch kein einziges Produkt auf den Markt gebracht.

Monopole auf lebensrettende Technologien

Zwar hat sich die Biden-Administration nicht zum Streit geäussert, die fehlenden Anstrengungen von Moderna, armen Ländern zu helfen, während sie gigantische Profite einfahren, führt aber zu zunehmenden Spannungen. Letzte Woche rief die NGO «Public Citizen» den NIH-Direktor Francis Collins in einem Brief dazu auf, «die Rolle des NIH an der Entwicklung des Impfstoffes öffentlich zu machen und sicherzustellen, dass der Beitrag dieser Wissenschaftler anerkannt wird». Sie warten noch auf eine Antwort.

Zain Rizvi, ein Experte für Medikamenten-Strategie bei «Public Citizen», erklärt: «Es geht nicht darum, gross anzugeben, es geht vor allem um das Angebot. Patente sind Entwicklungsmonopole und in einer Pandemie ist es eine schreckliche Idee, privaten Unternehmen das Monopol auf Teile einer lebensrettenden Technologie zu überlassen.»

Tatsächlich überlässt das umstrittene Patent Moderna die alleinige Entscheidung über Verteilwege und Preise. Deshalb warnt Christopher Morten, ein Fachmann für Pharma-Patentrecht an der Columbia Law School: «Moderna will exklusive Besitzrechte und Kontrolle über dieses Patent. Sie wollen die Einzigen sein, die entscheiden, wo mRNA-1273 hergestellt wird, wie es hergestellt wird, wer es herstellt, wie viel es kostet. Und ein Mitbesitz an diesem Patent gefährdet diese totale Kontrolle.»

Die Technologie des Protein-Engineering, welche die Spike-Proteine auf dem Corona-Virus stabilisieren, bevor sie sich mit anderen Zellen verbinden, wurde im Übrigen schon früher von den NIH und seinen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen patentiert. Sie ist entscheidend für verschiedene Corona-Impfstoffe, auch jener von Moderna und Pfizer-Biontech. Während Biontech und andere für die Lizenz bezahlt haben, bleibt Moderna bei seiner Weigerung.

Fest steht, dass NIH und Moderna seit Januar 2020 an der Entwicklung eines Impfstoffes spezifisch für das Covid19-Virus zusammenarbeiteten und dass Daten über seine Spike-Proteine vom Institut an Moderna geschickt wurden. Als Moderna vor einem Jahr die hohe Wirksamkeit des Impfstoffes ankündigte, nannten ihn die NIH in einer eigenen Ankündigung «NIH-Moderna Covid19-Impfstoff».  Und Anthony Fauci, der die Forschung in seiner Rolle als Direktor des Instituts für Allergien und ansteckende Krankheiten begleitete, sagte: «Der Impfstoff wurde tatsächlich im Institut für Impfforschung von einem Wissenschaftsteam um Barney Graham und seiner Kollegin Kizzmekia Corbett entwickelt.»

Auf Nachfrage der «New York Times» bleibt Moderna dabei: «Die Impfstoff-Technologie wurde von Moderna entwickelt.» 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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7 Meinungen

  • am 24.11.2021 um 11:16 Uhr
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    Auch in Zusammenhang mit den Moderna-Impfungen wurde ja oft die Solidarität beschworen. Die kleinliche Auseinandersetzung zeigt, dass das Wort heute von vielen in den Mund genommen wird, die es vor der Krise kaum buchstabieren konnten. Es passt ins Bild, dass die ärmeren Länder möglichst nichts von den Impfstoffen bekommen sollen. Ist ja klar: Wegen der beschränkten Wirkung möchte man die Dosen lieber als Mehrfach-Booster in Ländern an die Frau und den Mann – womöglich gar ans Kind – bringen, in denen sich damit viel Geld verdienen lässt. This is just disgusting, guys.

  • am 24.11.2021 um 12:13 Uhr
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    Ich würde wetten, dass am Ende Moderna gewinnt.
    Alles andere wäre ein Tabubruch dieses korrupten globalen Systems, in welchem immer Grosskonzerne und Grossaktionäre die Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit einfahren.
    Das gilt bei Pharma, Agrochemie, Rüstung, Telekom, Energie, … jeder Art von neuer technischer Errungenschaft und es entspricht dem allgemeinen Prinzip der Umverteilung von unten nach oben mit dem Ziel der maximalen Macht und Kontrolle einer kleinen Elite.
    Vom Geldsystem mal ganz abgesehen.
    Dabei muss der «Feind» nur konstruiert und eine «Impfung» auch nicht wirklich gut und lang schützen.
    Der Zweck heiligt die Mittel.
    Dumm nur, dass es immer mehr Menschen realisieren und friedlich dagegen aufstehen.

  • am 24.11.2021 um 21:49 Uhr
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    Die Sache offenbart schlaglichtartig das Problem des Patentwesens insgesamt.
    Wie in den USA finanziert auch in Europa die öffentliche Hand den grössten Teil der Grundlagenforschung. Die Gewinne hingegen kassieren private Unternehmen. Eine Gier vom Format Moderna ist allerdings dennoch selten. Nun denn, es ist davon auszugehen, dass Gerichte Moderna die rote Kelle zeigen werden.
    Zusätzlich beschäftigen die Konzerne in ihren Patentabteilungen Heerscharen von Anwälten, deren erstes Ziel die Verhinderung konkurrierender Technologieentwicklung ist.
    Das Patentwesen gehört insgesamt auf den Prüfstand!

  • am 25.11.2021 um 08:15 Uhr
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    Welch hohen Anteil die «staatlichen Wissenschaftler» am Erfolg haben, ist nicht mal die Hälfte der offenen Fragen.

    Ich frage mich viel mehr –
    angesichts dessen, dass Moderna ursprünglich ein Niemand war
    und also nur mit Milliarden vom Staat Aussicht auf Erfolg hatte

    ob die «verantwortlichen Geldspender» der staatlichen Seite
    unakzeptabel blöd waren
    oder zu «geschmiert» waren. —

    Denn «man» hätte sich -mindest- für die staatliche Riesen-FinanzSpitze
    eine Menge Rechte und Gewinn-Anteile bzw Prozente vom Umsatz zusichern lassen MÜSSEN. So ist es Brauch und Sitte ! ! !

    Dass DIES nicht geschah zeugt entweder
    von totaler Unfähigkeit der Behörden-Bosse
    und/oder von deren Käuflichkeit !

    Warum wird «man» also nicht in dieser Richtung aktiv ?!
    Hat Moderne etwa vorsorglich «flächendeckend geschmiert» ?!

    Wolf Gerlach
    scheinbar.org

    • am 26.11.2021 um 14:09 Uhr
      Permalink

      Für diese Sicht spricht einiges, wie die New York Times ausführt:

      Consumer advocacy groups and government watchdogs have long complained that the N.I.H. is not aggressive enough in protecting and asserting legal rights to its work — to the detriment of taxpayers, who often face high costs for drugs developed with government funding and research.

      “It points to these broader issues that N.I.H. has with basically getting taken advantage of by pharma,” said James Krellenstein, a founder of PrEP4All, an AIDS advocacy group that successfully urged the Trump administration to sue Gilead Sciences, accusing the company of making billions by infringing on government patents for H.I.V.-prevention drugs. The suit is pending in the U.S. District Court in Delaware.
      https://www.nytimes.com/2021/11/09/us/moderna-vaccine-patent.html

  • am 30.11.2021 um 13:55 Uhr
    Permalink

    In DE zieht die Regierung gar nicht erst vor Gericht: Die BionTech-Gründer haben 21 Jahre an staatlichen Universitäten auf Steuerzahlers Kosten die mRNA-Technologie entwickelt. Um sich mit den Resultaten selbständig zu machen, hat der Staat dem «Startup» noch 375 Mio. «Startkapital» geschenkt. Weitere 1 Mrd. flossen in die Impfstoffentwicklung sowie eine weitere an Pfizer für den Aufbau der Produktionskapazitäten. Für all das Geld wurden nicht einmal Unternehmensanteile z.B. in Form «stillschweigender» Aktien erworben – im Unterschied zur Bill und Melinda Gates-Stiftung, deren Anteile nicht einmal «stillschweigend» sind und inzwischen ihren Wert ungefähr verzwanzigfacht haben!
    Ähnlich dubios ist die Tatsache, dass Dr. Drosten seine «Erfindung» des Corona-PCR-Tests «vergaß», seinem staatlich finanzierten Arbeitgeber Charité zu melden, so dass dieser sie ggf. patentieren könne. Angeblich, um nicht durch ein Patent die möglichst weite Verbreitung des Tests zu verhindern – was die Charité aber durch lizenzfreie Nachnutzung ebenso hätte gewähren können. Statt dessen war einer der Mitautoren des in 48 h durch den Begutachtungsprozess geschleusten Papers mit der Beschreibung des PCR-Tests zufällig ein alter Kollege und Freund Drostens, der eine Firma für die Herstellung von Testkits besitzt und – man höre und staune! – der erste war, der mit seiner Firma so ein Testkit millionenfach auf den Markt bringen konnte.

    «Der Staat ist das Machtinstrument der herrschenden Klasse.» q.e.d.

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