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Problematische Pestizide als Gift für Mensch und Umwelt © evb

Die Sünden von Weltkonzernen am Pranger

Red. /  Greenpeace und Erklärung von Bern rufen auf, «das übelste Unternehmen des Jahres» zu wählen. Darunter der Basler Konzern Syngenta.

Im Vorfeld des World Economic Forum (WEF) in Davos vergeben Greenpeace und die «Erklärung von Bern» wieder die Public Eye Awards für die schlimmsten Fälle von Missachtung der Umwelt und der Menschenrechte. Auf PublicEye.ch lief die Online-Abstimmung für den Publikumspreis 2012 diese Woche an. Sie läuft bis 26. Januar um Mitternacht.
Nominiert für die Schmähpreise sind diesmal die sechs Grossunternehmen Barclays (UK), Freeport McMoran (USA), Samsung (KOR), Tepco (J), Vale (BRA) und Syngenta (CH).

SYNGENTA
Nominiert wurde Syngenta vom Pesticide Action Network North America. Es wirft dem Schweizer Konzern folgendes vor:
Unverantwortliches Konzernverhalten

Syngenta produziert hochtoxische Produkte, die Menschen und Umwelt vergiften. Syngentas Produkte-Flaggschiff Paraquat (Handelsname Gramoxone) ist das in den letzten 50 Jahren am meisten verkaufte hochgiftige Herbizid. Syngentas Lobbying ist ausgesprochen aggressiv: Als die US-Umweltbehörde das in Europa verbotene Herbizid Atrazin verbieten wollte, arrangierte der Konzern 50 Sitzungen mit Behördenmitgliedern hinter verschlossenen Türen und verhinderte so ein Verbot.
Ausserdem fällt Syngenta durch besonders offensive Schmierkampagnen auf. So versuchte Syngenta beispielsweise, einen Wissenschaftler mundtot zu kaufen, sein Forschungsbudget anzugreifen, den akademischen Ruf zu schädigen und wählte schliesslich den klassischen Weg der bezahlten Gegenstudien.
Die Folgen
Im globalen Süden haben tausende Menschen beim Einsatz von Paraquat ihr Leben verloren. Ein Bauer starb beispielsweise nicht einmal vier Stunden nachdem er Paraquat mit einem undichten Behälter verspritzt hat. Viele starben wegen unbeabsichtigtem Kontakt mit dem Herbizid. Abertausende leiden unter akuten und chronischen Vergiftungserscheinungen vom gelegentlichen Gebrauch. Die Einnahme von weniger als einem Teelöffel Paraquat ist tödlich, es gibt kein Gegengift.
Ein anderes Herbizid, Atrazin, hat mehr als 90 Prozent des Wassers im mittleren Westen der USA verseucht und steht mit steigenden Krebs- und Hormon-Erkrankungen in der Region im Zusammenhang.
Aktueller Stand und Forderungen an das Unternehmen

Syngenta muss den Verkauf von Paraquat stoppen und zwar zuerst in Entwicklungsländern wo die Todes- und Vergiftungsfälle besonders zahlreich sind. In den USA muss Syngenta damit aufhören, die Untersuchung der Auswirkungen von Atrazin zu sabotieren und sich einem fairen Zulassungs-Prozess der Umweltbehörden stellen.

BARCLAYS
Nominiert wurde die britische Grossbank Barclays vom World Development Movement, das der Bank folgendes vorwirft:
Unverantwortliches Konzernverhalten

Barclays spekuliert mit Nahrungsmitteln, seine Händler wetten auf Hunger in sogenannten Terminmärkten. Diese Terminmärkte sollten ursprünglich den Nahrungsmittelproduzenten und Konsumenten stabile Preise garantieren. Doch Barclays und andere Grossbanken (wie z.B Goldman Sachs oder Morgan Stanley) dominieren mit ihren immensen Investitionsvolumen die Märkte, was zu immer neuen Höchstpreisen bei Grundnahrungsmitteln führt, die vor allem arme Weltregionen in noch mehr Hunger und Armut stürzt.
Die globale Spekulation mit Nahrungsmitteln hat sich in den letzten fünf Jahren nahezu verdoppelt, das Investitionsvolumen beträgt derzeit 126 Milliarden US-Dollar weltweit. Barclays brüstet sich damit, auch anderen Grossinvestoren wie beispielsweise Pensionskassen den Zugang zu diesen Märkten zu ermöglichen. Barclays lobbyiert massiv gegen die drohende Regulierung dieser Märkte, wie sie in den USA zum Teil schon stattgefunden hat. Innert Jahresfrist haben sich Barclays’ Lobbyisten mindestens 15 Mal mit Vertretern des englischen Finanzministeriums getroffen.
Die Folgen

Die Nahrungsmittelspekulation treibt die Lebensmittelpreise auf immer neue Spitzen und führt so zu noch mehr Hunger und Armut. Global hungern heute eine Milliarde Menschen. Alleine im zweiten Halbjahr 2010 fielen 44 Millionen Menschen wegen steigenden Lebensmittelpreisen in extreme Armut.
Am stärksten betroffen sind oft Kleinbauern darunter vor allem Frauen. Steigende Nahrungsmittelpreise waren denn auch der Grund für die Proteste in Ägypten Anfangs 2011. In Kenia stieg der Preis des Grundnahrungsmittels Mais um 27 Prozent. Arme Haushalte in Entwicklungsländern geben in der Regel den grössten Teil ihres Einkommens für Essen aus. Steigende Preise führt sie unweigerlich in Schulden oder zwingt sie dazu, besonders gefährliche oder minderwertige Arbeit anzunehmen. Vielen Familien fehlt plötzlich das Geld für Medikamente oder Ausbildung, weil die Ausgaben für Nahrung dermassen explodieren.
Aktueller Stand und Forderungen an das Unternehmen

Die Proteste gegen Nahrungsmittelspekulation nehmen weltweit stetig zu. Doch der Druck reicht offenbar noch nicht aus. Es braucht in Europa, den USA und in den G20-Staaten strenge Regeln für den Handel mit Nahrungsmittel und das Wetten auf Hunger.

SAMSUNG
Nominiert wurde dem südkoreanischen Konzern Samsung von Supporters for the Health and Right of People in Semiconductor Industry, die Samsung folgendes vorwerfen:
Unverantwortliches Konzernverhalten

Samsung setzt in seinen Fabriken teils verbotene Giftstoffe ein, ohne die Arbeiter zu informieren So behauptete Samsung beispielsweise, seit 2004 auf den Druck von Gewerkschaften und Umweltverbänden hin PVC und BFR aus seinen Produkten zu verbannen, nachweislich ohne dies wirklich getan zu haben. Obwohl in einer Fabrik innerhalb von einem halben Jahr 46 mal giftiges Gas entwich, wurden die Mitarbeiter nicht davon in Kenntnis gesetzt.
In einer Stichprobe bei 6 Fabriken wurde überall der Einsatz des krebserregenden Lösungsmittels Benzol festgestellt, obwohl Samsung dessen Einsatz bestreitet. Samsung hielt in den Untersuchungen zudem 10 von 83 eingesetzten Chemikalien geheim, da diese ein Wirtschaftsgeheimnis seien. Samsung bestreitet zudem seine Verantwortung für zahlreiche Krebserkrankungen und -tode, die bei jungen Samsung-Arbeitern auffällig oft eintreten. Stattdessen diffamiert der Konzern die Opfer öffentlich und versucht auch die Gewerkschaften mit aggressiven Mitteln – beispielsweise Drohungen gegen Einzelpersonen – an. Auch Steuerflucht ist bei Samsung gängig.
Die Folgen

Mindestens 140 arbeitsbedingte Krebserkrankungen und mindestens 50 junge Krebstodesfälle und keine Schuldanerkennung oder finanzielle Kompensation. Die meisten Opfer kommen aus armen Familien und haben noch nie für einen anderen Konzern gearbeitet. Sie sind somit vollständig von Samsung abhängig.
Da Samsung seine Verantwortung an den Erkrankungen nicht anerkennt, geben die Opfer und ihre Familien oft ihr ganzes Erspartes für die Behandlung der Krankheit aus. Die aggressive «Keine Gewerkschaft»-Policy des Konzerns verhindert Transparenz und somit die Verbesserung dieser Zustände.
Aktueller Stand und Forderungen an das Unternehmen

Samsung muss zahlreiche giftige Stoffe aus ihren Produktionsstätten entfernen, andere Elektronikhersteller sind da schon einige Schritte weiter. Ausserdem muss Samsung die Arbeiter vor Giftunfällen schützen, sie darüber informieren und bei daraus resultierenden Krebserkrankungen seine Schuld anerkennen. Heutige und künftige Opfer müssen finanziell entschädigt werden.
Ausserdem muss Samsung Gewerkschaften anerkennen und mit ihnen zusammenarbeiten, um die Zustände in den Fabriken transparenter zu machen und den Arbeitnehmerschutz zu stärken.
FREEPORT
Nominiert wurde dieser Mienenkonzern vom Indonesia Human Rights Committee, das Freeport folgende vorwirft:
Unverantwortliches Konzernverhalten

Freeport McMoRan beutet seit 1967 West Papua aus. Dank einem Deal mit dem damaligen Diktator Suharto darf sich der Konzern seit Jahrzehnten an den Gold- und Kupfervorräten West Papuas schamlos bedienen. Freeport vergiftet dabei die Umwelt, vertreibt die indigene Bevölkerung in Slums und zerstört deren Religions- und Kulturstätten. Für die von Freeport McMoRan betriebene, weltgrösste Kupfer- und Goldmine wurde ein Berg geköpft, der bei den lokalen Indigenen als heilig gilt.
Die Aktivitäten von Freeport führen zu sozialer Zerrüttung und Ghetto-Bildung. Diese Form von wirtschaftlicher Kolonisierung verhindert die Entwicklung der Gesellschaft, treibt Menschen in die Prostitution und fördert den starken Anstieg von HIV-Infizierungen in der Bevölkerung von West Papua.
Die Folgen

Das Weltnaturerbe «Lorentz National Park» wird zusehends von Freeports Giftschlacke bedroht. Die vertriebene Bevölkerung wohnt in Slum-ähnlichen Zuständen. In der Minenstadt Timika beispielsweise lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Kriminalität, Prostitution und HIV-Erkrankungen nehmen stetig zu. Das Konfliktpotenzial schwillt an, immer wieder kommt es zu Ausschreitungen, Toten und Verletzten. Mehr als 160 Leute wurden im Umfeld von Freeports Grasbergmine bereits vom Militär erschossen.
Aktueller Stand und Forderungen an das Unternehmen

Tausende von unterbezahlten Minenarbeitern streikten Ende 2011 und legten die Minenarbeiten vorübergehend lahm. Angesichts der katastrophalen Praktiken von Freeport müssen sich beteiligte Finanzinstitute von Freeport distanzieren und zurückziehen. Die norwegische Pensionskasse hat diesen Schritt bereits gemacht. Das Indonesia Human Rights Committee bezweifelt, dass Freeport die Grasberg-Mine ohne die geschilderten Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen betreiben kann und fordert deshalb die Schliessung der Mine.
TEPCO
Nominiert wurde der japanische Energiekonzern von Finance Green Watch, das dem Konzern folgendes vorwirft:
Unverantwortliches Konzernverhalten

Tepco hat mehrere gravierende Mängel und Risikogutachten seiner AKW missachtet. Beispielsweise wurden 2007 aufgrund eines Erdbebens die Reaktoren in der Fukushima-Nachbarsgemeinde Niigata beschädigt. Obwohl die Untersuchungen im Nachhinein ergaben, dass Tepco das Risiko für Naturkatastrophen massiv zu tief eingeschätzt hat, wurden keinerlei Überprüfungen oder Nachrüstungen bei den restlichen AKW vorgenommen.
Sicherheitsüberprüfungen wurden gar gefälscht, Mängel in der Baukonstruktion nicht behoben. Beim Bau von Fukushima war ursprünglich ein 35 Meter hoher Schutzwall gegen Tsunamis geplant. Gebaut wurde aus Kostengründen ein lediglich 10 Meter hoher Schutzwall, der den GAU von Fukushima erst möglich machte.
Tepco versagte zudem im Krisenfall: Die Notfallorganisation war schlecht gestellt, das Personal überfordert, die Information von den Interessen von Tepco geleitet. Ein schlechtes Bild gibt Tepco auch mit der schleppenden bis gar nicht stattfindenden Entschädigung von Opfern ab.
Die Folgen

Die Folgen eines GAU sind nicht genau bezifferbar aber auf jeden Fall immens: Zehntausende Menschen wurden vorübergehend hoher Strahlung ausgesetzt und mussten Haus und Boden zurücklassen. 360’000 japanische Kinder und Jugendliche werden auf mögliche Strahlenschäden untersucht.
Weite Teile des Landes um Fukushima sind radioaktiv verseucht und unbewohnbar geworden. Radioaktiv belastetes Wasser gelangt immer wieder ins Meer. Das Ausmass der gesundheitlichen Folgen – mögliche Krebserkrankungen und Folgen für das Erbgut – sind heute schwer einzuschätzen.
Aktueller Stand und Forderungen an das Unternehmen

Tepco muss die Aufräumarbeiten schnellstens vorantreiben und sich viel stärker um Entschädigungen kümmern. Ausserdem muss Tepco die Sicherheit aller Reaktoren prüfen und massiv erhöhen und gleichzeitig in ein Smart-Grid investieren, dass die Nutzung von erneuerbaren Energien vorantreibt und die Abhängigkeit Japans von Atomstrom schnellstmöglich drastisch reduziert. Sollte die Firma nicht aufgelöst werden?
VALE
Der brasilianische Minenkonzern und Eisenerzhersteller wurde nominiert von Justiça nos Trilhos, welche dem Konzern folgendes vorwirft:
Unverantwortliches Konzernverhalten

Vale hat eine lange Firmengeschichte, die von unmenschlichen Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung geprägt ist. Derzeit beteiligt sich Vale massgeblich am Baukonsortium NESA, das den höchst umstrittenen Belo-Monte-Staudamm im Herzen des Amazonas errichtet. Das 17-Milliarden-Dollar Projekt ist geprägt von autoritärer Planung ohne Rücksicht auf geltendes Recht. Betroffene Indigene werden nicht in die Planung miteinbezogen. Vale beteiligt sich offensichtlich am Staudamm, um sich damit billige Energie sichern zu können. Vale betreibt in der Nähe mehrere Eisenerz-Minen.
Auch in anderen Regionen sind Menschenrechtsprobleme von Vale bekannt: So berichtet beispielsweise eine Untersuchung der «International Federation on Human Rights» von Gesundheitsproblemen mehrerer Gemeinschaften, die in der Nähe von Vales Kohle- und Roheisen-Verbrennungsanlagen liegen. Insgesamt wurden gegen Vale bereits über 100 Gerichtsverfahren und über 150 Untersuchungen eingeleitet. Die meisten davon standen im Zusammenhang mit Arbeitsrechtsverstössen. Trotz einiger verhängter Bussen kam der Konzern bisher nahezu ungeschoren davon. Vale ist zudem verantwortlich für 4 % von Brasiliens CO2-Ausstoss und verbraucht jährlich 1,2 Milliarden Kubikmeter Wasser – den Durchschnittsverbrauch von 18 Millionen Menschen.
Die Folgen

Der weitere Ausbau des Belo-Monte-Staudamms hätte die Verwüstung von riesigen Gebieten des Amazonas-Ökosystems zur Folge. 80% des Flusses würden in ein künstliches Reservoir umgeleitet. Direkt davon betroffen wären auch 40’000 Menschen in den anliegenden Gebieten. Darunter befinden sich hunderte Indigene verschiedener Ethnien und zahlreiche Flussanwohner, die am 100 Kilometer langen Ufer des Rio Xingu leben. Nebst diesen direkten Auswirkungen des Staudammbaus würde die Region aufgrund des einfacheren Zugangs und der billigen Energie noch stärker ausgebeutet.
Aktueller Stand und Forderungen an das Unternehmen

Der Belo-Monte-Staudamm darf unter den jetzt geplanten Voraussetzungen nicht ausgebaut werden. Vale muss seine soziale Verantwortung in Brasilien und weltweit endlich wahrnehmen, auf Ausbeutung von Mensch und Natur verzichten und sich stattdessen an Gesetze und Vorschriften halten.
Obwohl schon über 100 Gerichtsfälle und über 150 Untersuchungen gegen Vale eingeleitet wurden, sind Urteile selten und die Bussen meist gering. Es braucht also strengere Regeln, die von den zuständigen Behörden auch kontrolliert und durchgesetzt werden.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Informationen stammen von Greenpeace und der Erklärung von Bern.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 9.01.2012 um 12:32 Uhr
    Permalink

    In Trinidad und Tobago (wo ich z.Z. lebe) benützen viele Menschen «Gramoxone» um Selbstmord zu begehen , sie trinken es und sterben grauenhaft mit inneren Verätzungen. Das Mittel ist einfach im Gartenhandel zu haben.

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