Migros Ostschweiz Winterthur Kirschen Waadt

Angeblich aus der Region: Die Kirschen, welche die Migros in Winterthur verkauft, stammen jedoch vom Genfersee. Nur verpackt wurden sie in der Ostschweiz. © Beat Junker

Die Migros treibt Schindluder mit dem eigenen Label

Marco Diener /  Das Migros-Label «Aus der Region. Für die Region.» ist ein Witz. Die Migros fährt die Ware durch die ganze Schweiz.

«Die Glaubwürdigkeit des Labels hat oberste Priorität.» Das schreibt die Migros in ihrem «Aus-der-Region»-Reglement. Doch die Migros strapaziert ihre Regeln. Denn die meisten Genossenschaften fassen die Region ziemlich weit. Zur Migros Ostschweiz etwa gehören die Kantone Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen, Appenzell Inner- und Ausserrhoden, Graubünden, der östliche Teil des Kantons Zürich sowie das Fürstentum Liechtenstein.

Bündner Käse in Schaffhausen

Das bedeutet etwa, dass die Migros den Käse der Sennerei in Disentis GR auch in der Filiale in Schaffhausen als «Aus-der-Region»-Produkt verkaufen darf. Der Käse hat da einen Weg von mindestens 250 Kilometern hinter sich – inklusive Umweg zur Mifroma in Wittenbach SG.

Waadtländer Kirschen in Winterthur

Doch es ist noch schlimmer, wie Leser Beat Junker dem Infosperber berichtet. Er kaufte in der Migros Neuwiesen in Winterthur «Aus-der-Region»-Kirschen. Abgepackt hat sie die Firma Tobi in Bischofszell TG. Bischofszell liegt tatsächlich in der Region. Doch auf der Packung steht auch, dass die Kirschen am anderen Ende der Schweiz gewachsen sind. Produzent ist nämlich Cédric Blaser aus Vufflens-le-Château. Und Vufflens-le-Château liegt nicht in der Ostschweiz. Das Waadtländer Dorf thront über dem Genfersee.

«Irreführend»

«Das irritiert mich sehr», sagt Infosperber-Leser Beat Junker, «aus meiner Sicht ist das nicht mehr nur der grosszügige Umgang mit dem Begriff Region, sondern dreiste Irreführung der Konsumenten.»

«Ein Fehler»

Die Migros Ostschweiz schiebt die Verantwortung ab: «Ein Mitarbeiter unseres Lieferanten hatte die korrekten Angaben zum Produzenten fälschlicherweise auf eine Etikette mit vorgedrucktem ‹Aus-der-Region›-Logo gedruckt.» Weiter schreibt die Migros, sie bedaure diese Falschauszeichnung und habe mit dem Lieferanten Kontakt aufgenommen, «um solche Fehler künftig zu vermeiden». Trotzdem stärkt der Vorfall das Vertrauen in die Warendeklarationen nicht. Offenbar sind hinter den Kulissen allerlei Verwechslungen möglich. Und damit verliert das «Aus-der-Region»-Label seinen Wert.

360 Kilometer

Die Kirschen haben übrigens, bevor sie in Winterthur in die Regale kamen, eine Reise von mindestens 360 Kilometern hinter sich: von Vufflens-le-Château nach Bischofszell, von dort ins Verteilzentrum in Gossau SG und schliesslich in die Filiale in Winterthur.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Detailhändler sprechen ständig von Nachhaltigkeit und Regionalität. Aber sie bewerben Lebensmittel vom anderen Ende der Welt.

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2 Meinungen

  • am 17.07.2023 um 09:06 Uhr
    Permalink

    Danke für diesen Artikel. Als Geschäftsführer eines Regiomarktes und kleinen, regionalen Lieferdienstes muss ich aber feststellen, dass sich die wenigesten Bürger im Alltag darum kümmern. Auch jene nicht die sich regelmässig auf solche Artikel echauffieren. Unsere Umsätze reichen nicht zum wirtschaftlichen überleben. Die Schweizer sind einach zu bequem und träge geworden.
    Vor allem die Generation u40 fehlen komplett als nachhaltige Konsumenten.
    In den USA und in UK können die Schweizer beobachten was in ein paar Jahren für Industrieprodukte im Regal stehen und welche fehlen werden.
    Gemäss einer These sinkt der IQ in den Industrienationen. Der Industriefood der Generation «Aspartam» wird diesen Prozess noch beschleunigen. Wir können wahrscheinlich besser als früher abstrakte Probleme lösen, im realen Leben scheitern aber viele schon daran regionale und gesunde Lebensmittel einzukaufen und zu kochen.

  • am 17.07.2023 um 15:48 Uhr
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    Wer Migros-Kirschen kauft merkt das zuhause sehr schnell. 3mal in Genf gekauft, 3mal die Hälfte weggeworfen bzw kompostiert, da kurz vor der Verwesung.

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