Plastik hat im Gehirn nichts verloren – die Politik schaut weg
Plastik im Körper: Deutliche Warnsignale
In Gehirnen von Verstorbenen fand man durchschnittlich sechs Gramm Kunststoff-Abfall. Das war in einem US-Bundesstaat. Bei Parlamentarierinnen, Parlamentarier und Gesundheitsbehörden anderer Länder sollten die Alarmglocken schrill läuten. Sie müssten sofort
- Autopsien bei Verstorbenen auch in der Schweiz und in Deutschland veranlassen, um festzustellen, wie gross die Plastik-Belastung der Gehirne in unseren Breitengrade bereits ist.
Doch davon ist nichts zu hören. - gegebenenfalls dringend Massnahmen ergreifen.
Davon ist noch weniger zu hören.
Erste Studien am Menschen zeigen Zusammenhänge zwischen kleinsten Plastik-Teilchen und Frühgeburten, Entzündungs- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Zudem sind einige Chemikalien, die Kunststoffen zugesetzt werden und mit ihnen ins Blut gelangen, für den Menschen schädlich – darunter beispielsweise krebsfördernde PFAS und hormonaktive Bisphenol-A und Phthalate.
Tierversuche zeigen: Kleinste Plastik-Partikel können Spermien schädigen, die Fortpflanzung beeinträchtigen, die Lungen- und Darmfunktion stören, das Immunsystem schwächen und Krebsrisiken erhöhen. Gelangen Polyethylen-Teilchen in die Halsschlagader, steigt wahrscheinlich die Gefahr von Herzinfarkten und Schlaganfällen.
Das Bundesamt für Umwelt wiegelt ab: Die Auswirkungen auf die Gesundheit seien noch unklar.
Doch: Warten, bis der Schaden zweifelsfrei belegt ist, wäre fahrlässig. Plastik hat im Gehirn – und in anderen Organen – schlicht nichts zu suchen. Wenn der Beweis der Schäden einmal erbracht ist, wird es längst zu spät sein. Zerfallene Kunststoffe verschwinden nicht einfach wieder aus der Umwelt.
Das Bundesamt für Umwelt verweist auf Verhandlungen über ein internationales Abkommen gegen Plastikverschmutzung, die im August in Genf stattfinden sollen. Konkrete Vorschläge der Schweiz oder Deutschlands sind nicht bekannt.
Zerfall in Mikro- und Nanoplastikteilchen
Mikroplastik (unter 5 Millimeter = 1/1000 Meter) und Nanoplastik (unter einem Mikrometer = 1/1’000’000 Meter) findet man unterdessen weltweit – von den tiefsten Meeresgräben bis zu den höchsten Berggipfeln. Sie entstehen aus zerfallenden Kunststoffen: Verpackungen, Baustoffe, Folien, Reifenabrieb, Klärschlamm oder Filter von Zigaretten sind typische Quellen. Durch Umwelteinflüsse wie UV-Strahlung, Hitze und Abrieb zerfallen diese Produkte in Mikro- und Nanoplastik.
Weg in den menschlichen Körper
Die winzigen Partikel gelangen über Luft, Wasser und Nahrung in unseren Körper. Pflanzen nehmen sie über die Wurzeln auf, Tiere über die Nahrungskette.
- Menschen nehmen Plastikpartikel mit dem Essen auf. Vieles wird wieder ausgeschieden – aber nicht alles. Einige Partikel gelangen vom Darm ins Blut – und von dort in Leber und andere Organe, sogar ins Gehirn.
- Menschen atmen Partikel auch ein. Sie verfangen sich in den Schleimhäuten der Bronchien und gelangen von dort ebenfalls in die Blutbahn und mit ihr in Organe und wiederum bis ins Gehirn.
Der Toxikologe Matthew Campen von der University of New Mexico in Albuquerque fand in menschlichen Gehirnen durchschnittlich sechs Gramm Nanoplastik – das ist ungefähr ein Teelöffel voll (Originalstudie in Nature Medicine).
Im Gehirn wurden die Plastik-Partikel vor allem in den Gefässwänden und in Immunzellen nachgewiesen. Im Vergleich zu anderen Organen wie Leber und Niere ist die Anreicherung im Gehirn besonders hoch. Die Konzentration von Mikro- und Nanoplastik im Gehirn hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Symbolpolitik statt Lösung
Behörden und manche Unternehmen setzen auf symbolische Aktionen: Kein Trinkröhrchen mehr, Pfand auf Plastiksäckchen – nette Gesten für das gute Gewissen. Eltern und Grosseltern sollten glauben, dass im Interesse ihrer Kinder und Grosskinder enkeltauglich gehandelt wird.
Doch die Realität sieht anders aus: Die Bevölkerung ist dem unverantwortlichen Verhalten der Plastikindustrie weitgehend ausgeliefert.
Für die Schäden, die ihre Produkte anrichten, haften die Konzerne nicht. Stattdessen werden die Kosten sozialisiert – bezahlt von Bürgern, Krankenkassen und Umwelt.
Die Politik schaut zu, während Unternehmen legal CO₂, Schadstoffe und Plastik in die Umwelt schleusen. Es stört die Deregulierungs-Fans auch nicht, wenn umweltfreundliche Firmen, die höhere Produktionskosten in Kauf nehmen, von der Konkurrenz verdrängt werden.
Doppelte Standards
Wer Lebensmittel und deren Zutaten verkauft, unterliegt strengen Vorschriften. Beim Zubereiten in der Küche soll niemand zu Schaden kommen. Die Verpackungen dürfen den verpackten Lebensmitteln möglichst nicht schaden.
Doch was die Verpackungen nach deren Gebrauch anrichten, ist der Politik ziemlich egal.
Deshalb dürfen Konzerne überall auf der Welt Tausende Arten billigen und mit krankmachenden Weichmachern angereicherten Plastik verkaufen, auch wenn deren Abfälle die Umwelt irreversibel belasten und sich winzige Plastikteile in der Nahrungskette vom kleinsten Tier bis ins menschliche Gehirn anreichern.
Geschätzte sozialisierte Kosten
Die australische Minderoo-Stiftung hat die weltweiten Gesundheits-Kosten in einem Bericht wie folgt vorsichtig geschätzt:
- Bei der Produktion von Kunststoffen im Jahr 2015: über 250 Milliarden Dollar.
- Durch die Treibhausgasemissionen aus der Kunststoffproduktion: 341 Milliarden Dollar pro Jahr.
- Krankheiten, Behinderungen und vorzeitige Todesfälle, verursacht durch die drei Chemikalien und Weichmacher PBDE, BPA und DEHP, die in Kunststoffen enthalten sind: allein in den USA über 920 Milliarden Dollar.
Kommentar der Stiftung: «Diese Kosten werden von der Industrie für fossile Brenn- und Kunststoffe sozialisiert und von den Bürgern, Steuerzahlern und Regierungen bezahlt.»
Rasante Zunahme der Kunststoff-Produktion
Die aus Erdöl hergestellten Kunststoffe haben hervorragende Eigenschaften. Deshalb nehmen die Anwendungen in rasantem Tempo zu. Die Anreicherung in menschlichen Gehirnen ist nur schwer zu stoppen.
Über ein Drittel aller Kunststoffe wird weltweit für Verpackungen produziert. Diese landen besonders häufig in der Umwelt. Mit dem Recycling steht es selbst in der Schweiz nicht zum Besten. Siehe Infosperber vom 20. Mai 2025: «Vorgetäuschter Kreislauf beim Plastikrecycling».

Laut der Minderoo-Stiftung wird die Hälfte von allem Einwegplastik von lediglich 20 Konzernen hergestellt – darunter die amerikanischen Exxon Mobil und Dow, die chinesische Sinopec und die thailändische Indorama Ventures. Diese bauen ihre Produktionskapazitäten weiter aus, finanziert von Pensionskassen, Banken wie Barclays, JP Morgan und von den Investmentfirmen Blackrock und Vanguard. In China und Saudi-Arabien kommen Kredite der Regierungen dazu.
Exxon Mobil beteuerte schon vor vier Jahren im Chor der anderen Hersteller: «Wir teilen die Sorgen über die Plastikabfälle und sind damit einverstanden, dass man sie angehen muss.»

«Hat sich denn niemand in der Industrie mal gefragt, wohin all diese mikroskopisch kleinen Plastikteile verschwinden?» Das fragte Meeresbiologe Richard Thompson in der «Sonntags-Zeitung». Er glaubt nicht mehr an die Eigenverantwortung der Konzernchefs: «Ich habe das Gefühl, dass die Industrie Dinge ignoriert hat, die durchaus in ihrem Einflussbereich lagen. Zu viele haben zu lange den Kopf in den Sand gesteckt – auf Kosten der Umwelt.»
Einwegplastik müsse stark reduziert werden und die zugesetzten Chemikalien streng reguliert, fordert Thompson: «Plastikfluss in die Umwelt stoppen – jetzt.» Das müsse «absolute Priorität» haben.
Tipps für das individuelle Verhalten
Dem Mikro- und Nanoplastik in der Nahrung und in der Luft können sich die Menschen kaum entziehen. Um die Aufnahme in den Körper wenigstens zu reduzieren, geben Nina Agrawal, Gesundheitsreporterin der «New York Times», und andere Experten folgende Tipps für das individuelle Verhalten:
- Vor allem kohlesäurehaltige Getränke nicht aus Plastikflaschen trinken, insbesondere wenn PET-Flaschen der Sonne ausgesetzt waren.
- Keine Pyramiden-Teebeutel aus Nylon verwenden.
- Lebensmittel nicht in Plastikbehältern erhitzen, sondern Glas oder Keramik verwenden.
- Mehr frisches Obst und Gemüse konsumieren, da verarbeitete und verpackte Lebensmittel stärker belastet sind.
- Fetthaltige und saure Lebensmittel in Gläsern aufbewahren. Je länger Lebensmittel in Plastik gelagert werden, desto eher lösen sich Zusatzstoffe aus der Verpackung. Keine heissen Speisen in Plastikbehälter abfüllen.
- Regelmässiges Staubsaugen und Nutzung von Hepa-Luftfiltern, um Nanoplastik in der Raumluft zu reduzieren.
- Kleidung aus Naturfasern bevorzugen. Kleidung aus synthetischen Fasern vor dem ersten Tragen waschen, um Produktionsrückstände zu entfernen. Das Waschen von Synthetikkleidern setzt allerdings tonnenweise Plastikfasern frei.
Weil die unvermeidliche Belastung bereits gross ist, können solche Massnahmen Spitzenbelastungen vermeiden.
Man könne die Verantwortung jedoch nicht den einzelnen Menschen aufbürden, sagt Nina Agrawal. Vielmehr müssten Regierungen Kunststoffe, die nicht absolut nötig sind, stärker einschränken oder sogar verbieten. Erste politische Schritte in den USA und Europa seien das Verbot von Mikroperlen in Kosmetika, der Verzicht auf Styropor in einigen US-Bundesstaaten und das geplante internationale Abkommen gegen Plastikverschmutzung.

Empfehlungen der Minderoo-Monaco-Kommission:

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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