SVP CO2

Aus der SVP-Abstimmungszeitung: Die Schweiz emittiere nur ein Tausendstel aller CO2-Emissionen © SVP

Klima: Die SVP verbreitet Unsinn und viele plappern es nach

Urs P. Gasche /  Die Schweiz stosse nur ein Tausendstel der weltweiten CO2-Emissionen aus. Die Sünder seien China, Indien und die USA.

«Die Schweiz kann das Klima nicht retten» lautet eine Schlagzeile in der SVP-Abstimmungs-Zeitung, die mit einer Auflage von 3,2 Millionen Exemplaren an die Haushalte verteilt wurde. Die Schweiz trage zur weltweiten CO2-Belastung nicht einmal 0,1 Prozent bei. Das Klimagesetz, über das am 18. Juni abgestimmt wird, bleibe «ohne den geringsten Einfluss auf das weltweite Klima», schreibt der Briger SVP-Nationalrats Michael Graber.

Diese unsachlichen SVP-Argumente übernahmen unterdessen viele Leserbrief-Schreibende in allen Medien, teilweise im Auftrag der SVP.

Die Propaganda-Argumente der SVP sind in mehrfacher Hinsicht unsinnig:

  1. Die kleinen Länder müssen laut SVP keinen Effort zur Reduktion der CO2-Emissionen leisten, weil diese Länder «das Klima nicht retten können». Tatsächlich aber können alle kleineren Länder zusammen zur CO2-Reduktion wesentlich beitragen. ETH-Professor Reto Knutti meinte zum 0,1-Prozent-Argument: «Ich habe beschlossen, dass ich keine Steuern mehr bezahle, weil das nur 0.0001 Prozent zu den Schweizer Steuereinnahmen beiträgt. Das bringt nichts.»
    Das UN-Rahmenabkommen über Klimaänderungen UNFCCC und das von der Schweiz unterzeichnete Pariser Klimaabkommen haben das Prinzip «gemeinsame aber differenzierte Verantwortung» festgelegt. Das heisst: erstens keine Trittbrettfahrer und zweitens, wer mehr verursacht, muss mehr beitragen, und drittens, wer mehr kann, soll mehr beitragen.
  2. Die Kernzahl stimmt nicht: Die Schweiz stösst jährlich nicht 35 Millionen Tonnen CO2  aus – wie die SVP verbreitet –, sondern nach Angaben des Bundesamts für Umwelt Bafu 45 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. [Nachtrag: CO2-Äquivalente sind die relevante Grösse, weil sie die Emissionen nach dem Klima-Erwärmungspotenzial gerichtet.]
  3. Das Bafu weist  im Treibhausgasinventar ausdrücklich darauf hin, dass die CO2-Belastung der Flugzeuge, mit denen Schweizerinnen und Schweizer in der Welt herumfliegen, bei den 45 Millionen nicht berücksichtigt ist. Die SVP weist nicht darauf hin.
  4. Die SVP verschweigt, dass die Schweiz enorm viele Produkte und Güter importiert, die bei uns konsumiert werden und in China und anderswo zu hohen CO2-Emissionen führen. Die SVP weiss es, denn das Bafu informiert auch darüber: «Addiert man die durch Importgüter im Ausland verursachten Emissionen hinzu, beläuft sich das Total der jährlichen Pro-Kopf-Emissionen [der Schweiz] auf mehr als das Doppelte.» 
    Die Güter, welche die Schweiz ins Ausland exportiert, sind deutlich weniger energieintensiv. Bei dieser handelsbereinigten CO2-Belastung schneidet die Schweiz schlecht ab.*
  5. Andererseits verursachen die Chinesinnen und Chinesen pro Kopf noch einmal deutlich weniger CO2-Ausstoss, wenn man alle Industrie- und Konsumgüter abzieht, die zwar in China hergestellt, jedoch ins Ausland exportiert werden. 
  6. Ohnehin kann man den CO2-Ausstoss der kleinen Schweiz nicht mit demjenigen von China, Indien oder den USA vergleichen. Solche Vergleiche Chinas und Indiens mit den USA, Deutschland, der Schweiz oder Liechtenstein sind unsinnig. In China und Indien leben je 1,4 Milliarden Einwohner. Wenn man die «CO2-Schuldigen» miteinander vergleicht, dann ist ein Vergleich pro Kopf angezeigt. Unter den grössten CO2-Sündern sind dann gemäss GoClimate Saudi-Arabien, Katar, USA und Kanada anzuprangern.
    In der Schweiz sind die handelsbereinigten CO2-Emissionen pro Kopf  50 bis 100 Prozent grösser als in den ebenfalls reichen Staaten Österreich, Norwegen, Niederlande, Dänemark oder Schweden.*
    Auch im internationalen Klima-Ranking liegt die Schweiz nur im Mittelfeld. Sie fällt sogar hinter die Europäische Union zurück (siehe zweite Tabelle unten).

Kein Grund also, bei uns die Hände in den Schoss zu legen.


*CO2-Ausstoss pro Kopf nach Ländern (handelsbereinigt in Tonnen)

Handelsbereinigte CO2-Emissionen
Handelsbereinigte CO2-Emissionen pro Kopf
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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18 Meinungen

  • am 13.06.2023 um 11:43 Uhr
    Permalink

    Mich dünkt, dass die pauschale «Verurteilung» der SVP für ihre Aussage, doch etwas zu polemisch ist. Mit gezielter Statistik ist fast alles zu «beweisen»! Geht man davon aus, dass wir eines der reichsten Länder «noch» sind, und immer «noch» eines der saubersten, fast Weltmeister im Widerverwerten von Abfall jeglicher Art, saubere, effiziente Maschinen und Apparate haben, müssten wir doch sehr viel Wohlstand und Komfort aufgeben, um einen besseren Platz zu erreichen! Die Bevölkerung wird das nie akzeptieren! Keine Frage, dass immer noch einige Verbesserungen möglich sind! Die vorgesehenen Einschränkungen, die uns zugemutet werden sollen, sind dermaßen zerstörerisch!

    • am 15.06.2023 um 13:20 Uhr
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      Dass jeder Meter importierter Tram- uns Eisenbahnschiene und die Stahlherstellung dafür, riesige Mengen CO₂ erzeugt, ist Ihnen wohl noch nicht zu Ohren gekommen.
      Der letzte Schweizer Hochofen ist 1945 in Choindez abgestellt worden.

      • am 16.06.2023 um 07:11 Uhr
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        Rolf Raes: Ich weiss nicht, was Sie meinen «was mir nicht zu Ohren gekommen ist»? Mir ist in all den vergangenen Jahren sehr viel zu Ohren gekommen!

      • am 16.06.2023 um 07:55 Uhr
        Permalink

        Das Schienen- und Strassennetz besteht schon.

  • am 13.06.2023 um 12:16 Uhr
    Permalink

    Der Vergleich, die in China produzierten Güter und deren Emissionen dem Verbrauch in der Schweiz anzurechnen, ist ebenso unsinnig. Man kann ja alles immer negativ rechnen. Aber dass wir nun auch noch für China die Schuld mittragen sollen, geht doch etwas gar weit und ist ein Argument, das nicht
    sticht.

  • am 13.06.2023 um 14:12 Uhr
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    Ganz so abwegig wie dargestellt ist das nicht.

    China stößt pro Kopf mittlerweile mehr aus als die EU, das ist nicht handelsbereiningt aber wertschöpfungsbereinigt. Schließlich macht China das nicht aus Dankbarkeit für uns. Wieso soll man dann den CO2 Austoß den sie erzeugen um mit dem Export dieser Güter Profit zu machen, dem Importeur zurechnen? Schließlich haben wir keine Planwirtschaft. China muss das ja nicht machen.

    Außerdem stimmt es dass China und Indien für sich das Recht in Anspruch genommen haben CO2 Reduktion erst mal später zu machen, wenn überhaupt. Das Paris Abkommen gilt nämlich erst mal nicht für Entwicklungsländer, als die China und Indien zählen. Der Ausstoss an CO2 von China liegt laut ourworldindata bei knapp 11,5 billionen Tonnen der der USA bei ca. 5 und der der EU (28 Staaten) bei knapp 3,2. China mit Tendenz steil steigend! USA und EU leicht fallend!

    https://ourworldindata.org/co2-emissions

    • am 15.06.2023 um 11:16 Uhr
      Permalink

      China wird seine CO2-Emissionen drastisch senken müssen. China ist sich dessen bewusst. Darum versucht es, dies noch eine Weile hinauszuzögern. Aber wenn die Schweiz und viele andere Länder ihren Ausstoss reduziert haben, kommt China immer mehr unter Zugzwang. Und auch aus Eigeninteresse wird China seinen Ausstoss reduzieren (Stichwort Smog). Bei dem grossen Ausstoss sind beide Hebel nötig.

  • am 13.06.2023 um 14:38 Uhr
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    Dass nun Corona-Angst durch Klima-Angst “ersetzt” und damit weiter abgelenkt wird von der “Spur des Geldes” (in Pharma-Tech-Rüstungsindustrie…)
    mit Propaganda und Manipulationstechniken, das ist die nie endende Katastrophe im vorherrschenden Kapitalismus der über Leichen geht.

    Die Hybris des Sprechens über das “Weltklima” und das Heraufbeschwören permanenter Untergangsszenarien, die sich ähnlich dem Corona-Komplex auf
    computergestützte Modelle beziehen nehme ich nicht mehr ernst.

    Ernst nehme ich seit Jahrzehnten den Raubbau mit unseren Lebensgrundlagen.
    Natur-Umwelt-Mitwelt-Schutz , sprich saubere Böden, sauberes Wasser, saubere Luft, Frieden schaffen ohne Waffen…..
    braucht eine solidarisch-ökologische Ökonomie und nicht die
    Modelle kreativer Zerstörung eines Überwachungskapitalismus.

    • am 15.06.2023 um 11:08 Uhr
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      Dann können Sie getrost dem Klimaschutzgesetz zustimmen. Es will das Gleiche wie Sie, nur sehen Sie das nicht mehr. Vielleicht lindert es Ihre Verbitterung, wenn Sie mehr Vertrauen fassen. Kein Mensch weiss alles besser als die anderen. Die Naturschutzmassnahmen dieses Gesetzes (z.B. Ersatz von Ölheizungen mit Wärmepumpen) erachte ich gerade in der Schweiz als sehr sinnvoll.

  • am 13.06.2023 um 17:19 Uhr
    Permalink

    Selbst wenn man 90 Mill. t. CO2-Ausstoß für die Schweiz ansetzte, hätte ein völliges Ausbleiben dieser Emission keinerlei rechnerisch relevante oder gar messbare Auswirkungen auf die Erderwärmung. Die interessiert sich nämlich nicht für einen Pro-Kopf-Verbrauch, sondern nur für die Gesamtmenge. All die guten wenig verbrennenden Schweizer werden keine Welt retten. Der Ausstoß von Indien und China wird eher noch ansteigen, so dass der winzige Anteil der Schweiz noch weniger ins Gewicht fällt. Die Schweizer gießen ein Wasserglas in den Fluß aus und streiten, ob man das darf. Ein bißchen globaler Realismus wäre angebracht. Wer Emissionen runterbringen will, muss mit Russland, USA, Indien und China verhandeln. Übrigens ist der «Pro-Kopf-Ausstoß» wieder so ein unsicheres Vehikel: wer kein Auto hat, wenig reist, passabel heizt und wenig Strom verbraucht, fällt hier aus dem Rahmen. Ich habe mit der SVP übrigens nix am Hut (auch nicht mit AfD oder FPÖ).

    • am 14.06.2023 um 10:58 Uhr
      Permalink

      Richtig. Wenn wir als Schweiz oder Weltgemeinschaft CO2-Ausstoss reduzieren wollen, dann sollten wir als allererstes auf OPEC- und BRICS-Staaten zugehen und ALLES dafür tun, damit diese im Boot sind. Statt dessen spalten wir diese aktuell von der Weltgemeinschaft ab – «für die gute Sache» im Ukraine-Konflikt, als die wahre, ideologisch richtige Wertegemeinschaft. Wir können zwar absurde Geldbeträge mittels Klimagesetz ausgeben und vielleicht 30 der 45 Millionen t CO2-Ausstoss in der CH jährlich verhindern, aber wir könnten mit dem selben Geld in anderen Ländern investieren und jährlich hunderte t CO2-Ausstoss verhindern.

      2. Wenn das Ziel ist, das Klima zu schützen, dann sollten wir auch die anderen menschverursachten Klimafaktoren mit einbeziehen: Abholzung Regenwälder, Strahlung aller Art, Bodenverdichtung, Beton-Städte, etc. welche mutmasslich einen insgesamt höheren Einfluss auf das Welt- und Regionalklima haben, als unser CO2-Ausstoss.

  • am 14.06.2023 um 07:49 Uhr
    Permalink

    CO2-Ausstoss pro Kopf: Mit den nackten Zahlen kann ich nichts anfangen! Weshalb sind die Luxemburger die schlechtesten Schüler weltweit??? Was machen Deutschland oder Frankreich besser als die Schweiz? Der zitierte Originalartikel gibt keinen Aufschluss wie und auf welcher Basis die Zahlen zustande gekommen sind. Es fehlen auch Erklärungen bzw. Interpretationen zur «Rangliste». Herr Gasche, können Sie mir an diesen Punkten Nachhilfe verschaffen ?.

    • Favorit Daumen X
      am 14.06.2023 um 08:54 Uhr
      Permalink

      Die Quellen sind klar deklariert. Die Berechnungsmethoden können Sie im Google oder mit ChatGPT erfahren. Diese genau darzulegen, übersteigt die Kapazität eines Zeitungsartikels – und sogar einer mehrseitigen Abstimmungsbroschüre.

  • am 14.06.2023 um 08:09 Uhr
    Permalink

    Lieber Herr Gasche, Sie veranstalten in diesem Bericht methodisch einen Salat. Einmal argumentieren Sie mit CO2 auf der einen, mit CO2-Äquivalenten auf der anderen Seite. Dann bilanzieren Sie territorial, das nächste Mal handelsbereinigt.

  • am 14.06.2023 um 08:09 Uhr
    Permalink

    Wenn die Schweiz mit den CO2 -Werten runter muss, sollten die Politiker anders angehen. Was in der Schweiz produziert werden kann,, soll auch in der Schweiz produziert werden.
    (Arbeitsplatzpolitik)
    Die Wirtschaft hat so viele Produktionswerke ins Ausland verlegt, nur um Gewinnbringender wirtschaften zu können.
    Davon spricht man in der Politik nicht, weil es ansonsten an ihr eigenes Portemonnaie geht. (Verwaltungsratmandate usw.)

  • am 14.06.2023 um 19:05 Uhr
    Permalink

    Das halte ich allerdings für Haarspalterei. Beim globalen CO2 ist es tatsächlich so, dass die kleinen Länder wie die Schweiz völlig irrelevant sind, sowohl was den heutigen Ausstoss betrifft, als auch und vor allem was die Zunahme des Ausstosses betrifft. Letztes Jahr bewilligte China zwei neue Kohlekraftwerke pro Woche. Auch dass die Schweiz Güter importiert, ändert nichts daran, dass das CO2 dann eben in China entsteht. Im Übrigen bleibt die Argumentation bzgl. CO2 und Klima natürlich theoretisch und rein modellbasiert. Zu Knuttis Steuerbeispiel: Bei den unteren 50% könnte man tatsächlich auf direkte Steuern verzichten, das würde für den Bundeshaushalt nicht viel ändern.

  • am 14.06.2023 um 20:46 Uhr
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    Die Argumentation ist immer wieder verwunderlich. Ich muss die Grösse (eines Landes) nur immer weiter teilen, dann bin ich irgendwann nicht mehr verantwortlich. Die USA sind also einer der Hauptverantwortlichen. Dann werden sich wohl die meisten Staaten in den USA sagen, dass sie zu klein sind, um etwas beizutragen. In den grösseren Staaten werden die meisten Counties wiederum argumentieren, dass sie zu klein seien und dann wiederum die Städte. Und am Ende sind alle zu klein, um verantwortlich zu sein….

  • am 15.06.2023 um 23:10 Uhr
    Permalink

    Ein ja hilft nicht dem Umweltschutz und sichert nicht das Erreichen der Pariser Klimaabkommen. Es hilft nur, den Machtmissbrauch durch die Machtelite weiter auszubauen.
    Bei einem ja wird uns, dem Souverän, also uns Steuerzahlern, das Klima-und
    Innovationsgesetz um die Ohren fliegen. Das Covid Notrecht hat den Machtmissbrauch bestens
    bewiesen. All die C-Verordnungen von drei Jahren füllen 5600 Buchseiten.
    Lobby Organisationen reiben sich wohl schon die Hände und füllen die
    Beeinflussungskassen auf.
    Z.B. Artikel 3a sollte aufhorchen lassen, Zitat aus Artikel von Michael Bubendorf:
    “Artikel 3a des Klimaschutzgesetzes lautet: Der Bund sorgt dafür, (dass) Treibhausgasemissionen so weit möglich vermindert werden.“
    Der Bund sorgt also dafür. Nicht der Steuerzahler und nicht das Parlament, NEIN
    DANKE
    Quelle:
    https://subkon.ch/home/subversive-analysen/die-wichtigste-abstimmung-aller-zeiten

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