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«Klimaneutraler Helikopterflug» – die SKS glaubt es nicht

Marco Diener /  Der Bundesrat schläft. Deshalb geht die Stiftung für Konsumentenschutz gegen Greenwashing vor. Sie hat elf Beschwerden eingereicht.

«Mit uns fliegen Sie 100% klimaneutral.» So wirbt das Helikopterunternehmen Eliteflights aus Wauwil LU für «Alpenrundflüge mit Gletscherwanderung», «Burezvieriflüge», «Fly and Wine», «Hochzeitsflüge» oder «VIP-Taxiflüge».

Aufforstung in Brasilien

Eliteflights räumt zwar ein: «Bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entsteht Kohlendioxid (CO2).» Die Firma schreibt aber auch: «Diese CO2-Emissionen können durch Unterstützung eines Klimaschutzprojekts kompensiert bzw. neutralisiert werden. Eliteflights unterstützt ein Waldschutz- und Aufforstungsprojekt im brasilianischen Amazonas.»

«In die Irre geführt»

Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) ist gegenüber solchen Versprechen misstrauisch. Sie schreibt: «Immer mehr Produkte und Dienstleistungen werden mit ‹grünen› Aussagen beworben. So sollen zum Beispiel Handyabos ‹klimaneutral›, Heizöl ‹CO2-neutral› oder Kinderbrei sogar ‹klimapositiv› sein.» Viele Versprechen seien «übertrieben oder sogar haltlos». SKS-Geschäftsleiterin Sara Stalder sagt: «Damit werden Konsumentinnen und Konsumenten in die Irre geführt.»

Beschwerden gegen acht Firmen

Die SKS hat deshalb beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Beschwerden gegen acht Firmen eingereicht: Agent Selly, Avis, Coca-Cola, Eliteflights, Hipp, Kübler, Swisscom und den Zoo Zürich. Auf ihren Websites brüsten sie sich noch immer mit ihrer Klimafreundlichkeit. Die SKS ortet bei allen Firmen einen Verstoss gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Eliteflights, Hipp und Kübler betreiben nach Ansicht der SKS zudem unlautere Werbung. Gegen sie hat die SKS Beschwerden bei der Lauterkeitskommission eingereicht.

Im Ausland

Die Konsumentenschutz-Organisation kritisiert: «Die Firmen selbst unternehmen nichts, sondern zahlen, damit andere stellvertretend kompensieren. Mit anderen Worten: Klimaschutz wird zur Aufgabe der anderen. Kompensiert wird vorzugsweise im Ausland.»

Fragwürdiger Waldschutz

Im Vordergrund stehen bei den Kompensationen Waldschutz- und Aufforstungsprojekte. Doch diese sind in letzter Zeit in Verruf geraten. Beim Waldschutz, weil manchmal unklar ist, ob die Wälder überhaupt gefährdet sind oder ob sie sowieso überleben würden. Bei den Aufforstungen, weil nie klar ist, wie lange die Bäume stehen bleiben werden.

Der Bundesrat schläft

Die SKS sah sich gezwungen, die Beschwerden einzureichen, weil der Bundesrat nicht durch besonderen Aktivismus auffällt. Im Mai beantwortete er innert Wochenfrist gleich zwei Vorstösse, die sich mit dem so genannten Greenwashing beschäftigten, abschlägig. Mal schrieb er: «Aufgrund der laufenden Arbeiten und der bestehenden Gesetzesgrundlagen erachtet der Bundesrat die Motion als nicht nötig.» Mal hielt er fest: «Zum jetzigen Zeitpunkt erachtet der Bundesrat das Erarbeiten einer Studie als nicht angezeigt.»

Die EU handelt

Für die Europäische Union hingegen ist der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. In Zukunft sollen Umweltaussagen anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse belegt und unabhängig überprüft werden. Die EU ist auch daran, die Verwendung von Slogans wie «CO2-neutral» oder «kohlenstoffneutral» zu verbieten.

Oberengadiner Bergahnen krebsten zurück

Letzten Winter warben die Oberengadiner Bergbahnen für «CO2-neutrales» Skifahren. Nachdem eine grosse Zahl von Beschwerden eingegangen war, bekam das Unternehmen vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine Abmahnung. Inzwischen schreiben die Oberengadiner Bergbahnen nur noch von einem «Beitrag zur Reduktion der CO2-Emmissionen beim Skifahren.»


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3 Meinungen

  • am 4.08.2023 um 13:08 Uhr
    Permalink

    Endlich werden solche Tricksereien mal untersucht.
    Bei der «Kompensation» durch Aufforstungsprojekte ist nicht primär die Frage, wie lange die Bäume stehen bleiben werden, sondern wie lange sie wachsen. Denn nur Wälder im Wachstum sind CO2-Senken, also klima-positiv. Ein ausgewachsener Wald m dynamischen Gleichgewicht von Wachstum und Nutzung/Zerfall ist CO2-neutral.
    Und ferner die Frage, wo bzw. warum aufgeforstet wird. Wenn da zuvor abgeholzt wurde, ist es ebenfalls keine Senke, sondern nur eine Kompensation für die Abholzung, aber für nichts anderes.
    Wir müssen uns endlich bewusst sein, dass wir aufgrund unserer extrem verschwenderischen Lebensweise und der Wachstumswirtschaft Fossil-Junkies sind. Den heutigen Ausstoss aus fossilen Quellen kann man durch nichts Realistisches kompensieren.

  • am 4.08.2023 um 13:57 Uhr
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    Der SKS ist mehr als nur ein Kränzchen zu winden für diesen Schritt, den die Politik und insbesondere unsere von der Klimakatastrophe so wortreich tief betroffene Regierung willentlich verschläft. Dieser «klimaneutrale» Unfug muss aufhören und einer Systemdiskussion weichen, die an die Ursachen herangeht. Dazu würde auch eine Medien-Sprache gehören, die den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung trüge, etwa wenn – wie dieser Tage – (fast) alle Klick-Schreiber in Jubel ausbrechen, weil der Flughafen Zürich wieder neue Passagierrekorde vermeldet und die Verkaufszahlen der Autoimporte (19 Prozent mehr als vor einem Jahr) eine «Erholung» darstellten. 20 Prozent davon sollen angeblich rein elektrische und 10 Prozent hybride Karren sein. Vermutlich handelt es sich beim Rest um 70 Prozent 2,5 T schwere, klimaneutrale Diesel-SUV’s, in denen die leidgeprüften Kleinen von klimabewussten Müttern nach dem Rückflug von Mallorca vor den Strapazen eines 10minütigen Fusswegs verschont werden müssen.

    • am 5.08.2023 um 11:58 Uhr
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      Merci, sehr treffend geschrieben. Mich stört diese einseitig wirtschafsorientierte Berichterstattung über ökologisch relevante Themen auch.

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