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Der WHO-Generaldirektor hat nur sehr beschränkte Macht © UNO

WHO wird bewusst schwach gehalten

Markus Mugglin /  Staaten halten sie an der kurzen Leine, Stiftungen und Pharma mischen stark mit. Die WHO ist trotzdem besser als ihr Ruf.

«Die Weltgesundheitsorganisation hält sich grundsätzlich diplomatisch sehr zurück gegenüber ihren Mitgliedstaaten», meint Andreas Wulf von der Hilfsorganisation medico international. In einem Interview mit der entwicklungspolitischen Zeitschrift «welt-sichten»wurde er gefragt, warum WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus Ende Januar die Reaktion Chinas auf den Corona-Ausbruch öffentlichkeitswirksam gelobt hat. Das Lob schätzt Wulf als eine Art «diplomatische Umarmungsstrategie» ein, weil sich China bereit erklärt hatte Tedros zu empfangen, was es vorher noch abgelehnt hatte. Und was noch wichtiger war, WHO-Chef Tedros konnte darauf seine Experten ins Land schicken.
Die WHO hat zwar in vielen Mitgliedsländern lokale Büros mit eigenen Mitarbeitern. Aber auch diese sind auf Informationen der einheimischen Gesundheitsbehörden angewiesen und oft direkt in die Gesundheitsministerien eingebettet. Seit 2005 kann sie aber auch Informationen von nicht-staatlichen Organisationen verwenden und allenfalls – wie es beim Ebola-Ausbruch in Liberia und Sierra Leone der Fall war – das Vertuschen der zuständigen Behörden durchbrechen.
Ohne diplomatisches Gespür geht es trotzdem nicht. Wulf erinnert im Interview an die Sars-Epidemie Anfang der 2000er Jahre, als die damalige WHO-Generaldirektorin Gro Bruntland China und andere Mitgliedsländer offen für ihre mangelnde Kooperation kritisiert hatte. Dass die Norwegerin keine zweite Amtszeit als Generaldirektorin der WHO erhalten hat, könnte – wie Wulf mutmasst – durchaus mit ihrer offensiven Art im Umgang mit Mitgliedsländern zu tun haben.
Bewegte Geschichte von Auf und Ab
Mit der 1948 gegründeten WHO verbinden sich durchaus manche weltweite Erfolge. Die Pocken, die in den 1950er Jahren noch jährlich Millionen Tote gefordert hatten, wurden ausgerottet, Kinderlähmungen drastisch reduziert. Anti-Tabak-Regeln schränkten das Rauchen ein. Auch das schnelle Reagieren auf den Sars-Ausbruch Ende 2002/Anfang 2003 zählt zu den Erfolgen.
Doch selbst erfolgreiche Operationen stiessen auf Kritik – so die empfohlenen Massnahmen gegen die 2009 in Mexiko ausgebrochene Schweinegrippe H1N1. Die WHO hatte schnell reagiert und die Pandemie ausgerufen, als in 74 Ländern 28’000 Fälle festgestellt waren. Als die Pandemie ein Jahr später für beendet erklärt wurde, waren mit weltweit 18’500 Toten viel weniger Opfer zu beklagen, als befürchtet worden war. Der WHO wurde in der Folge ein zu scharfes Vorgehen vorgeworfen und Untersuchungen darüber gefordert, ob der Alarm «hohe Kosten verursacht hat und die Bevölkerung unnötigerweise eingeschüchtert» worden sei, zitiert der Guardian-Wissenschaftsautor Stephen Buranyi einen früheren Labour-Abgeordneten, der eine Untersuchung zur WHO in der Schweinegrippe-Krise geleitet hatte.
Der Fall Schweinegrippe offenbare ein grundsätzliches Dilemma der WHO, folgert der Guardian-Autor Buranyi in seiner Analyse über die bewegte Geschichte der WHO unter dem Titel «Warum sie nicht mit der Pandemie umgehen kann»: Handle sie langsam, werde ihr Versagen vorgeworfen, agiere sie hingegen aggressiv gegen einen Ausbruch, noch bevor völlige Klarheit bestehe, werde sie der Überreaktion bezichtigt.
Die WHO hat sich aber auch selber in Misskredit gebracht: So wechselte der WHO-Impfdirektor nach der Schweinegrippe zu Novartis, seine Nachfolgerin kam vom französischen Pharmakonzern Transgene. Kritiker werfen der WHO zudem vor, mit Impfprogrammen – auch gegen die verschiedenen Grippe-Typen – vor allem der Pharma zuzudienen. Der Fernsehsender arte hat das in der Dokumentation «Profiteure der Angst» aufgearbeitet.
Für die angebliche «Überreaktion» bei der Schweinegrippe wurde sie finanziell bestraft. Die Gelder für die «emergency response programmes» wurden gekürzt. Mehrere Büros mussten schliessen und Personal wurde abgebaut. Noch gravierender war, dass die WHO darauf bei der 2014 in Liberia und Sierra Leone ausgebrochenen Ebola-Krise zu spät und völlig unzureichend reagierte.
Finanziell ausgedünnt
Die finanzielle Ausdünnung der UNO-Gesundheitsorganisation reicht weit zurück. In den 1970er Jahren hatten die Mitgliedstaaten noch rund 80 Prozent des Budgets durch Pflichtbeiträge gedeckt. Seither ist dieser Anteil auf nur noch 20 Prozent geschrumpft. Der Schrumpfungsprozess ist die Folge des 1993 gefällten Entscheids, die Pflichtbeiträge einzufrieren.
Die WHO sah sich genötigt, sich anderweitig umzuschauen. Sie tat es mit Erfolg, handelte sich aber neue Probleme ein. Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung stieg in der Budgetperiode 2018-2019 hinter den USA und vor der öffentlich-privaten Partnerschaft «Impfallianz GAVI» (auch dort ist die Gates-Stiftung grösster Geldgeber) zum zweitwichtigsten Geldgeber auf. Erst danach folgten mit Grossbritannien und Deutschland zwei Mitgliedsländer als nächste grösste Beitragszahler. In der aktuellen Budgetperiode 2020-2021 hat China die beiden europäischen Länder überholt.
Die freiwilligen Beiträge privater Organisationen können zwar positiv wirken. Sie haben aber einen gewichtigen Nachteil. Sie sind zweckgebunden und auf Projekte fokussiert mit klar messbaren Erfolgsindikatoren. Die Beiträge für Impfungen haben deshalb ein grosses Gewicht. Als Gesundheitsvorsorge sind sie zwar höchst willkommen. In der Corona-Epidemie zeigt es sich besonders drastisch, wie sehr der Kampf dagegen wegen des Fehlens eines Impfstoffs behindert wird. Wichtig sind aber auch gut funktionierende Gesundheitswesen in den Ländern und eine gesunde Umwelt. Das kommt jetzt zu kurz, weil das Geld fehlt.
Da inzwischen der grösste Teil der Mittel zweckgebunden ist, engt es den Spielraum für flexibles Reagieren auf Krisen ein. Das hat sich gerade in der Corona-Krise gezeigt. Um handlungsfähig zu sein und die Länder in dieser Krise unterstützen zu können, musste die WHO kurzfristig eine Sonderfinanzierung organisieren. Immerhin gelang es ihr in nur zwei Monaten, die gewünschten 675 Millionen Dollar aufzutreiben.
Nur noch eine unter vielen
Die WHO ist in der globalen Gesundheitspolitik eine unter vielen Organisationen geworden. Seit 2000 seien annähernd hundert parallele Initiativen wie die Impfallianz oder der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria etabliert worden. In denen spielen Pharmakonzerne oft eine gewichtige Rolle, gibt Andreas Wulf von medico international im «welt-sichten»-Interview zu bedenken.
Eine starke Abhängigkeit von freiwilligen Beiträgen privater Organisationen kann auch zu heiklen Interessenkonflikten führen. Viel zu reden gab beispielsweise die Rolle der WHO in den Auseinandersetzungen um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat, das Monsanto erstmals in den 1970er Jahren auf den Markt gebracht hatte. Die WHO hatte das Pestizid 2016 für nicht nachweislich krebserregend erklärt, obwohl Experten der eigenen Internationalen Agentur für Krebsforschung es anders beurteilt hatten. Die Kehrtwende hatte den Verdacht genährt, dass WHO-Funktionäre durch Verbindungen zu Lobbyorganisationen befangen seien.
Dass die WHO schwach ist oder zumindest nicht stark, ist gewollt. Sie kann die Länder nicht zwingen, sich an die Bestimmungen und Empfehlungen zu halten. Sie vermochte nichts dagegen zu tun, dass sie von China erst Ende Dezember statt bereits zwei Wochen früher über das neue Virus informiert wurde. Auch konnte sie beispielsweise am vergangenen 11. März nur «alarming levels of inaction» in Mitgliedsländern beklagen, als insbesondere US-Präsident Donald Trump und der britische Regierungschef Boris Johnson noch immer die Gefährlichkeit des Virus verharmlost hatten. Dass sich Länder schlecht auf die Ausbreitung des Virus vorbereitet haben, ist ebenfalls nicht der WHO anzulasten.
Die WHO verfügt nur über «soft power». Sie kann mit Expertise und institutionellen Kapazitäten in sehr vielen Ländern auf die Eindämmung des Virus einwirken. Mitgliedsländer, die sich nicht an ihre Empfehlungen und die Bestimmungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften halten, kann sie aber nicht sanktionieren. Was die Welthandelsorganisation WTO bei Verstössen gegen internationale Handelsregeln kann, ist der WHO in ihrem Bereich verwehrt. Guardian-Wissenschaftsjournalist Stephen Buranyi vergleicht die WHO und ihre beschränkten Mittel mit einem unterbezahlten Sporttrainer, «der nur mit Charme, Kriecherei, Schmeicheleien und gelegentlichen Bitten erreichen kann, dass die Spieler das tun, was er sagt».
Sollten die Mitgliedsländer auch jetzt wie nach früheren Krisen die WHO reformieren und zu schnellerem und wirksamerem Eingreifen anhalten wollen, müssten sie ihr dieses Mal aber auch die dafür erforderlichen Mittel und Instrumente zur Verfügung stellen.

Siehe auch bei Infosperber:

Das Dilemma der WHO im Umgang mit dem Corona-Virus
Corona-Reiseverbot: Der WHO waren die Hände gebunden


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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9 Meinungen

  • am 1.05.2020 um 12:12 Uhr
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    Es ist nur zu begrüssen wenn eine Organisation wie die WHO, die mehrheitlich von privaten Investoren finanziert wird, nur Empfehlungen aussprechen kann und keine Befehlsgewalt besitzt. Es muss uns nachdenklich stimmen, wenn die UNO es nicht schafft, die Kosten dieser Organisation mit Mitgliederbeiträgen zu decken. Zudem bin ich überzeugt, dass es sich bei der WHO um einen aufgeblasenen Apparat handelt, dem eine Gesundschrumpfung verpasst werden müsste.

  • am 1.05.2020 um 12:39 Uhr
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    Ein gut recherchierte Bericht zur WHO.

    Ergänzend möchte ich hierzu noch anmerken, daß TAIWAN nicht der WHO angehört bzw. nicht angehören darf wegen der VR China. Gerade bei «CORONA» ist damit der Staat, der wohl die frühesten und wirkungsvollsten Massnahmen gegen die Pandemie einleitete, weil man in Taiwan den chinesischen Informationen aus Wuhan nicht traute, ganz aussen vor bei der WHO. Dass Taiwan deswegen auch keinen solchen «Lockdown» nötig hatte, wie hier in Mitteleuropa, erfährt man oft nur so nebenbei am Rande.

  • am 1.05.2020 um 12:49 Uhr
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    Herr Mugglin, Sie thematisieren das Problem der Abhängigkeit von privaten Sponsoren. Woher also nehmen Sie die Sicherheit, den folgenden Satz so klar zu formulieren? ‘ In der Corona-Epidemie zeigt es sich besonders drastisch, wie sehr der Kampf dagegen wegen des Fehlens eines Impfstoffs behindert wird‘.
    Genau hier ist überhaupt nicht mehr klar was Sache ist und ich hätte erwartet, dass Sie diese Unklarheit miteinbeziehen. Es ist Inzwischen offensichtlich, dass viele Mitmenschen den Satz genau umgekehrt formulieren würden, nämlich: ‘ In der Corona-Epidemie zeigt es sich besonders drastisch, wie sehr der Kampf um Impfstoffe vermarkten zu können einen verantwortungsvollen Umgang mit der Krise behindert’. Für mich Normalbürger entsteht genau hier die Skepsis Gegenüber der WHO.

  • am 1.05.2020 um 13:09 Uhr
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    Ich werde die WHO sicher nicht unterstützen, solange Bill Gates einer der wichtigsten Sponsoren ist und vorallem Impf-Initiativen unterstützt hat, welche sich immer als nutzlos erwiesen haben.

  • am 1.05.2020 um 13:28 Uhr
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    Noch mehr Macht für solche anonyme, internationale, demokratisch nicht kontrollierte Apparate vom Typ WHO?

    Danke, die Corona-Diktatur hat uns bereits gezeigt, um was es geht. Der «Sperber» ist auf dem Auge persönliche Freiheit, regionale Autonomie und Demokratie offenbar völlig blind!

  • am 1.05.2020 um 13:39 Uhr
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    Es ist absolut korrekt, eine solche Organisation nicht übermässig zu unterstützen. China und Bill Gates haben praktisch die Führung der WHO übernommen. Das heisst, dass die heutige Agenda wenig mit Gesundheit, sondern einzig mit finanziellen Interessen und einer Reduktion der Weltbevölkerung zu tun hat.

  • am 3.05.2020 um 08:45 Uhr
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    Vielen Dank, Herr Mugglin, für ihre Meinung. Meiner Meinung nach ist die WHO in vielerlei Hinsicht deutlich schlechter als ihr Ruf. Die Idee dahinter war mal ganz gut. Daraus geworden ist: Ein Machtmittel globaler Finanzeliten bzw. eine reine Lobbyorganisation der Pharmaindustrie. Spätestens seit dem Schweinegrippe/Tamifluwitz, müsste das jeder begriffen haben. Zauberlehrlinge allesamt…Schönen Sonntag noch.

  • am 3.05.2020 um 11:14 Uhr
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    Warum wird die WHO wieder in den Himmel gelobt? Bill Gates hat praktisch alle Gelder darin! Da gibt es Verbindungen, die echt übel sind. Auch die Skandale in Indien und Afrika mit den Impfskandalen durch GAVI einer der grössten Unterstützer der WHO. Wie lange sollen wir von dieser Organisation weiter verblendet und getäuscht werden? Um eine Stellungnahme wäre ich froh.

  • am 6.05.2020 um 16:22 Uhr
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    Die WHO ist keineswegs besser, sondern noch sehr viel schlechter als ihr Ruf. Die Impfskandale, Test von nur angeblich fertigen Impfstoffen an Menschen, die schwerste Schäden und Tote verursachten wurden bereits angesprochen. Das hat die WHO, mit der Bill Gates Stiftung zusammen, nicht nur in Afrika gemacht, wie gesagt wurde, sondern auch in Indien. Daraufhin hat die indische Regierung Gates und die WHO weitgehend aus dem Land geworfen.

    Schlimmer noch, sowohl Bill Gates als auch in seinem Schlepptau die WHO verbreiten seit 2007 massiv Genitalverstümmelungen in Afrika und zunehmend darüber hinaus, s. https://www.oqgc.com/veroeffentlichungen/download/Offener_Brief_gegen_Beschneidungen-OQGC.pdf und Wir Menschen im Kapitel Ärzte, unnötige Operationen, Aids.

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