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Jon Stewart in der «Daily Show» mit dem Thema «Mord in Charleston» © TV

Weiss gegen Schwarz: Nur noch Traurigkeit

Robert Ruoff /  Jon Stewart, der grosse Moderator der «Daily Show», ist nur noch erschüttert angesichts der Mordtat in Charleston, South Carolina.

«Ich habe nichts für Sie, nur Traurigkeit.» Das sind die Worte von Jon Stewart, mit denen der sonst so sarkastische, geistreiche, scharfzüngige Moderator der «Daily Show» die Sendung vom 18. Juni eröffnete. Und sein Publikum schwieg.

Es war rassistischer Terror, wir können es mit ausreichender Gewissheit sagen. Es war die Tat eines Einzelnen, oder die Tat aus einer der Hassgruppen heraus, die es in den Südstaaten der USA in wieder wachsendem Masse gibt. Die Emanuel AME Church ist seit 200 Jahren ein Zentrum des schwarzen Widerstands gegen Sklaverei, Unterdrückung, Diskriminierung.- «Ein heiliger Ort in der Geschichte von Charleston und in der Geschichte Amerikas», wie Barack Obama sagte, der erste schwarze Präsident in der fast 230-jährigen Geschichte des Landes.

«No Joke»

Jon Stewart, der weisse Moderator einer Comedy-Show, die besser über das politische Geschehen in den USA und der Welt informiert als manche offizielle Nachrichtensendung, verzichtete diesmal auf jeden Sarkasmus. «No Joke», sagt er, «keine Scherze heute», und sein Publikum im Studio folgt ihm mit angespanntem Schweigen.

«Ich entschuldige mich», sagt er am 18. Juni, «ich habe heute keine Witze und komischen Geräusche für Euch… ich habe nichts anderes als Traurigkeit…wieder einmal starren wir auf diese rassistische Wunde, von der wir behaupten, dass sie nicht existiert. Und wenn wir das sehen und erkennen, was es ist, so tun wir doch einmal mehr nichts. So sind wir….
«Was mein Hirn nicht fassen kann ist der klaffende Unterschied in unserem Verhalten gegenüber Leuten aus dem Ausland, die uns töten, und gegenüber uns selber, wenn wir uns selber gegenseitig umbringen.»

Die Folter für die Sicherheit…

«Wir haben eine Invasion in zwei Länder gemacht und Billionen Dollar ausgegeben und Tausende von Menschenleben geopfert, und schicken jetzt unbemannte bewaffnete Todesmaschinen in fünf, sechs, sieben Länder – alles, um uns selber Sicherheit zu verschaffen…
«Wir tun alles, was wir können, wir foltern Menschen, damit Amerika sicher ist…

«Und jetzt, neun Menschen werden umgebracht in einer Kirche, der helle Wahnsinn, und was tun wir…? Das geht mir nicht in den Kopf.»

…und die Untätigkeit im eigenen Land

«Und Sie wissen das… Es wird genau so laufen wie immer… sie benutzen jetzt schon die gleichen Worte… reden von einer schreckliche Tragödie… – es ist immer die gleiche Sprache, die nur noch den Mangel an echter Anstrengung zeigt…

«Dabei ist das eine terroristische Gewalttat… kein Tornado, ein Rassist mit einer rhodesischen Flagge auf seiner Bluse…
«Ich will das nicht strapazieren, aber das hier ist ganz einfach: weiss und schwarz…wir sind imprägniert davon… die Strassen von Charleston tragen bis heute die Namen von Südstaaten-Generalen, die Krieg führten, um die Schwarzen daran zu hindern, sich auf diesen Strassen frei zu bewegen…

«Das ist eine öffentliche, rassistische Tapete, und das können wir nicht mehr zulassen. Neun Leute sind erschossen worden in einer schwarzen Kirche von einem Weissen, der einen Bürgerkrieg starten wollte…

«Al-Qaida, ISIS, all diese Typen können uns nicht so viel Schaden zufügen wie wir das tun in unserer alltäglichen Wirklichkeit…!»

Als Studiogast hatte Jon Stewart danach die Friedensnobelpreis-Trägerin Malala Yousafzai in der Sendung, die Pakistani, die von den Taliban für ihr emanzipatorisches Engagement niedergeschossen wurde, passend genug.

Nicht nur «Amerika»…

Ach, und hier noch etwas für alle, die jetzt schon mit dem Zeigefinger auf «Amerika» zeigen: Jon Stewart kann dort mit seiner «Daily Show» stattfinden. In diesem grandiosen Land voller entsetzlicher Widersprüche ist immerhin die stetige und ausdauernde Kritik an diesen Widersprüchen möglich. Es ist ein endloser, manchmal verzweifelter Kampf, bei dem einem, wie in diesem Fall, das Lachen manchmal im Hals stecken bleibt. Aber manchmal ist der Kampf sogar wirksam.

Es gilt das Wort des deutschen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, «dass in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn zurückweisen.» Das heisst, zum Beispiel, auf den alltäglichen Rassismus bei uns, in Europa, in der Schweiz. Und auf die Milliarden, die wir verschleudern, um die «Festung Europa» gegen die Zuwanderung von (vorwiegend schwarzen) Menschen zu befestigen, anstatt diese Milliarden einzusetzen für den Kampf gegen Armut und Krieg.

No joke.

Für Jon Stewarts Rede in der «Daily Show» hier klicken. Hinweis: Es ist möglich, dass die Visionierung aus rechtlichen Gründen blockiert wird. dann lohnt sich mit ein bisschen Geduld vielleicht der Umweg über die Homepage.

Mittlerweile ist das Stück auch zu finden auf youtube: hier


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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