2015 Jemen.Mojalli:IRIN

Zerstörter Ort in Jemen © Mojalli:IRIN

US-Waffen töten weiter Zivilisten im Jemen

Daniela Gschweng /  Beim Angriff auf ein Gefängnis im Jemen starben im Januar 80 Menschen. Die Bombe stammte vom US-Hersteller Raytheon.

In den frühen Morgenstunden des 21. Januars erschütterten drei Explosionen die Stadt Saada im nordöstlichen Jemen. Das berichteten zwei Mitarbeiter von «Médecins sans Frontières» (MSF). Fast keine grossen Zeitungen und Nachrichtensendungen des Fernsehens informierten über dieses Kriegsverbrechen.

Kurz nach dem Angriff waren die Spitäler überfüllt mit Verletzten, berichteten die MSF-Mitarbeiter. Es gebe nicht genügend Betten für alle Verwundeten. Die Verletzten lägen auf dem Boden. Nach weiteren Opfern sei in den Trümmern des getroffenen Gefängnisses gesucht worden.

Bei diesem seit Jahren schlimmsten Angriff im Jemen auf zivile Ziele kamen nach Angabe von MSF und den lokalen Behörden mindestens 80 Menschen ums Leben. Es gab mehr als 260 Verletzte.

Nicht der erste Angriff auf zivile Ziele

Die von Saudi-Arabien angeführte Koalition, die mit internationaler Unterstützung den Krieg im Jemen führt, bestritt, dass es sich um einen gezielten Angriff gehandelt hatte und bezeichnete Berichte über tote und verletzte Häftlinge als «unbegründet». Unterdessen wurde ein Waffenstillstand vereinbart. 

Bei der 500-Pfund-Bombe, die das Gefängnis traf, handelte es sich um eine lasergesteuerte Waffe aus der Produktion des US-Herstellers Raytheon, das zeigen Analysen von Amnesty International.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass eine Bombe aus US-amerikanischer Herstellung im Jemen zivile Ziele trifft. Experten von Amnesty International haben viele weitere dokumentiert. Im Juni 2019 beispielsweise traf eine Bombe des gleichen Typs ein Wohnhaus. Sechs Zivilisten starben, darunter drei Kinder. Es war auch nicht das erste Gefängnis, das die Koalition angegriffen hat, wie «Bellingcat» dokumentierte.

Die Lage im Jemen ist katastrophal – Waffen haben dazu beigetragen

Was nach internationalen Bestimmungen und nationalen Gesetzen nicht geschehen darf, ist im Jemenkrieg seit Jahren Realität: Die Koalition bombardierte nachweislich Märkte, Spitäler und zivile Wohnungen. Waffen aus internationalen Waffenschmieden werden dabei gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt.

Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und seine Partner haben zum Elend der jemenitischen Bevölkerung zumindest beigetragen. Nach sieben Jahren Krieg ist die wirtschaftliche und humanitäre Lage im Land katastrophal.

Aus dem Ausstieg der USA wurde nichts

Die USA, aus deren Fabriken die Bombe von Saada stammt, hatten ursprünglich angekündigt, Waffenlieferungen an die Kriegsparteien zu stoppen. Zumindest hatte Präsident Joe Biden das noch zu Beginn seiner Amtszeit versprochen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf im September 2021 schaffte es jedoch nicht bis zur Verabschiedung.

Seit November 2021 genehmigte die US-Regierung den Verkauf von Raketen, Flugzeugen und Abwehrsystem an Saudi-Arabien, darunter auch Raketen des Herstellers Raytheon für 650 Millionen Dollar.

An einer bereits 2020 getätigten Bestellung der Vereinigen Arabischen Emirate von Flugzeugen, Kampfdrohnen und Munition im Wert von 23 Milliarden Dollar halten die USA weiter fest.

Waffenruhe gibt (wieder einmal) etwas Hoffnung

Ein schmaler Hoffnungsschimmer kommt derweil von den beiden grössten Konfliktparteien. Beginnend mit dem Fastenmonat Ramadan haben die Huthi-Rebellen und die von Saudi-Arabien geführte Koalition den seit 2016 ersten landesweiten Waffenstillstand bekanntgegeben.

Die vereinbarte Waffenruhe, die am ersten Aprilwochenende in Kraft trat, soll zwei Monate dauern. Die Zeit soll in erster Linie dafür genutzt werden, dringend benötigte Güter wie Treibstoff und Hilfsgüter ins Land zu bringen. Laut der «FAZ» wird auch über einen Gefangenenaustausch verhandelt.

Die Armut im Jemen ist mindestens so bedrohlich wie der Krieg

Ob eine wenigstens teilweise Öffnung der Bevölkerung derzeit viel helfen kann, ist jedoch fraglich. Mindestens die Hälfte der Opfer des Krieges sind nicht an direkten Angriffen gestorben, sondern an dessen Folgen, wie Hunger und Krankheiten. Die Infrastruktur im Land ist zu grossen Teilen zerstört, einen formellen Arbeitsmarkt gibt es kaum mehr. Der Jemen ist eines der ärmsten Länder der Welt. Demnächst wird es mit den wegen des Kriegs in der Ukraine gestiegenen Getreide- und Ölpreisen konfrontiert.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Jemen

Der Krieg in Jemen

Die von den USA unterstützte saudische Koalition hat gezielt die Infrastruktur des armen Landes zerstört.

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Eine Meinung zu

  • am 19.04.2022 um 12:29 Uhr
    Permalink

    Auch unser Land verkaufte während dem Krieg im Jemen Kriegsmaterial an Staaten die direkt an diesem Krieg beteiligt waren, von 2015–2021: Bahrain CHF 20.9 Mio., Katar CHF 2,7 Mio. Kuwait CHF 0,4 Mio., Saudiarabien CHF 89,4 Mio. Ver. Arabischen Emirate CHF 34,2 Mio. Total CHF 147,6 Millionen.
    Die Schweiz lieferte von 2015–2021 auch Kriegsmaterial an Länder, die den Krieg im Jemen logistisch unterstützt hatten. Total: CHF 579 Millionen. Ohne diese logistische Hilfe, der USA, Frankreichs und Grossbritanniens hätte die Militärallianz unter Führung von Saudiarabiens den Krieg im Jemen nicht führen können. Diese Kunden der CH-Rüstungsindustrie waren in diesen Jahren auch an anderen Kriegen beteiligt, am Krieg in Afghanistan, im Irak, in Syrien, in Afrika.
    Die Vereinten Nationen schätzten, dass der Konflikt im Jemen bis Ende 2021 über 377’000 Todesfälle verursacht hat. Mehr als 10’200 Kinder sind als Folge der Kämpfe getötet oder verwundet worden. Trotzdem kein Stopp der CH-Waffenexporte…

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