Kommentar

Niemand hat die Absicht, atomare Waffen einzusetzen

Andreas Zumach © zvg

Andreas Zumach /  Die fünf offiziellen Atomwaffenmächte sprechen sich für eine atomwaffenfreie Welt aus. Die Erklärung ist verlogen.

«Wir wollen mit allen Staaten zusammenarbeiten, um das endgültige Ziel einer Welt ohne Atomwaffen zu erreichen, und bekennen uns zu unserer Verpflichtung aus dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NPT), Verhandlungen über ein Ende des atomaren Rüstungswettlaufs und ein Abkommen zur vollständigen Abrüstung zu führen.» Das behaupten die fünf offiziellen Atomwaffenstaaten und ständigen Vetomächte des Uno-Sicherheitsrates – die USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien (P5) – in einer gemeinsamen Erklärung, die am Montag  in New York veröffentlicht wurde.

(Am Dienstag hätte dort die 10. NPT-Überprüfungskonferenz beginnen sollen. Diese wurde aufgrund der Corona-Pandemie jedoch kurzfristig abgesagt und auf verschoben. Die Medien wurden über die Entscheidung überhaupt nicht oder zumindest nicht rechtzeitig informiert. Korrektur vom Mittwoch, 5. Januar.)

Irreführend und unwahr

Wie auch immer: Die zitierte Behauptung ist ebenso irreführend und unwahr wie das Bekenntnis der fünf Atomwaffenmächte zur «Stärkung von Stabilität und Vorhersehbarkeit». Und die an sich völlig richtige Feststellung, dass «ein Nuklearkrieg nicht gewinnbar ist und niemals geführt werden darf», erinnert aus dem Mund der P5 an Walter Ulbrichts Satz «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen».

Denn tatsächlich verweigern und boykottieren die P5 bislang jegliche multilaterale Verhandlung zu atomarer Abrüstung. Stattdessen betreiben sie mit grossem Aufwand und unter Verschleuderung gigantischer Geldsummen die von allen Seiten stets als «Modernisisierung» verharmloste Aufrüstung ihrer atomaren Arsenale. Dabei werden immer mehr Waffensysteme entwickelt, die zerstörungsstärker, zielgenauer, schneller und flexibler einsetzbar sind als ihre Vorgänger – und damit gefährlicher und unberechenbarer für den Gegner. Das gilt für die geplanten Nachfolgesysteme der US-Atombomben in der Eifel, für deren Einsatz auch die neue Bundesregierung neue Kampfflugzeuge anschaffen will, ebenso wie für die von Russland entwickelte Hyperschallrakete Zirkion, die mit einer Geschwindigkeit von 10.000 Stundenkilometern dem anvisierten Gegner jede Vorwarnzeit und Abwehrchance nimmt.

Destabilisierend

Derartige Waffen senken die Schwelle zum Einsatz und bewirken das Gegenteil der von den P5 angeblich angestrebten «Stabilität und Vorhersehbarkeit». Noch führen die USA und Russland den atomaren Aufrüstungswettlauf an. Doch China zieht inzwischen gewaltig nach. Die Erklärung der P5 dürfte kaum ausreichen, den wachsenden Unmut der 186 Vertragsstaaten des NPT, die auf atomare Waffen verzichtet haben, zu beruhigen. Daher wäre ein erneutes Scheitern der New Yorker Überprüfungskonferenz wie schon 2015 keine Überraschung. Zumal auch der Beschluss zur Durchführung einer Uno-Konferenz über eine massenvernichtungsfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten, mit dem die NPT-Konferenz 2010 gerettet werde konnte, wegen des Widerstandes von Israel und der USA bis heute nicht umgesetzt wurde.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Teufelskreis: Aggressive Politik auf allen Seiten festigt die Macht der Hardliner bei den jeweiligen Gegnern.

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3 Meinungen

  • am 5.01.2022 um 11:36 Uhr
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    Putin klärt auf;
    Russland wird gegen niemanden kämpfen …
    Wir schaffen Bedingungen, damit sich niemand traut, gegen uns zu kämpfen !!!

  • am 6.01.2022 um 13:55 Uhr
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    «Die fünf offiziellen Atomwaffenmächte sprechen sich für eine atomwaffenfreie Welt aus. Die Erklärung ist verlogen», schreibt Andreas Zumach.
    Die Schweiz beteiligt sich auch am lukrativen Geschäft mit Atomwaffen wie an ebenso profitablen Investitionen in Konzerne die konventionelle Rüstungsgüter herstellen, die unter anderem im Krieg im Jemen zum Einsatz kommen. Laut ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Friedensnobelpreisträger 2017) betrugen die Investitionen von Schweizer Geldhäusern in Atomwaffenproduzenten im November 2021, 4’883 Mio. US-Dollar. Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet steht die Schweiz damit mit 554,8 US-Dollar an fünfter Stelle mit ihren Investitionen in Firmen die nukleare Sprengkörper herstellen. http://ifor-mir.ch
    Seit der Revision des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) vom 1. Januar 2013 würde es ein gesetzliches Finanzierungsverbot von verbotenen Waffen geben. Darunter fallen auch Atomwaffen.
    Regieren eigentlich die Banken die Schweiz, dass Milliarden in Rüstungskonzerne investiert werden «dürfen» die sogar Atombomben produzieren, was klar verboten wäre?
    Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen hat die Schweiz bisher nicht ratifiziert, obwohl das Parlament den Bundesrat dazu aufgefordert hat. Seit dem 22. Januar 2021 ist das Atomwaffenverbot universell gültiges Völkerrecht.
    Das vollständige Verbot von Atomwaffen ist sehr wichtig, denn ein atomarer Schlagabtausch könnte zur Ausrottung der Menschheit und vieler Arten führen.

  • am 6.01.2022 um 15:41 Uhr
    Permalink

    Ich finde dieser Artikel verkürzt die komplexe Situation, da P5 keineswegs einheitliche Positionen haben:
    1. die USA wissen, dass ein Atomschlag gegen eine Atommacht das Ende der Welt wäre. Dank der mächtigsten Armee der Welt brauchen sie sonst keine Atomwaffen.
    2. China und Russland brauchen Atomwaffen um sich gegen die USA abzusichern, haben aber kein Interesse an offensiven Kriegen
    3. Frankreich und England wären mittelgrosse Mächte wie Deutschland oder Australien, hätten sie keine Atomwaffen. Für sie ist die Drohung mit Erstschlägen der einzige Weg ihren ehemaligen Kolonien noch Angst einzujagen

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