Chinareise

Alle fünf Jahre versammeln sich Chinas Kommunisten in der Grossen Halle des Volkes zum Parteitag © Mobypic/Flickr/cc

Die Würfel sind gefallen

Peter G. Achten /  Alles ist vorbereitet für den Parteikongress der KP Chinas. Die wichtigen Wechsel in der Führungsriege sind bereits aufgegleist.

Vom 18. bis 25. Oktober findet in Peking das grosse Powwow der chinesischen Kommunisten statt. 2300 Delegierte werden ein neues Zentralkomitee, ein neues Politbüro, den Ständigen Politbüro-Ausschuss sowie die Zentrale Disziplinarkommission wählen. Die für die wirtschaftliche, soziale und politische Zukunft Chinas wichtigen Personalien wurden in den letzten Monaten und Jahren wie üblich «hinter dem Vorhang» aufgegleist. Glaubt man den staatlichen und parteilichen Medien, ist derzeit alles vorbereitet.
Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping scheint alles fest im Griff zu haben. Er wird vermutlich seine zweite – und letzte? – Amtszeit von fünf Jahren gestärkt und mit neuer, noch grösserer Autorität ausüben können. Das wäre für China, aber auch für die ganze Welt ein durchaus positives Zeichen. Stabilität im Reich der Mitte – ökonomisch, sozial und politisch – hat auch in Zukunft globale Auswirkungen.
«Kern» der kollektiven Führung
Nach Hinweisen in den chinesischen Medien sollen wichtige Punkte neu in der Parteiverfassung festgeschrieben werden. «Xis Gedanken» oder «Xis Theorien» werden fortan neben «Maos Gedanken» und «Deng Xiaopings Theorien» sozusagen gleichberechtigt in den Statuten verankert sein. Das ist ausserordentlich. Xis Vorgänger Hu Jintao und Vorvorgänger Jiang Zemin haben zwar auch eigene Theorien entwickelt – «Zwei Vertretungen», «Harmonie» – die in den Statuten aufscheinen, aber ohne deren Namen. Mit andern Worten: Xi steht nun mit Staatengründer Mao und Reformübervater Deng in einer Reihe. Der zweite wichtige Punkt: Xi wird als «Kern» der kollektiven Führung bezeichnet. Anders als seine Vorgänger Hu Jintao und Jiang Zemin hat Xi Jinping den alleinigen letzten Entscheid.
Radikal aufgeräumt
Nach den ersten fünf Amtsjahren wird Xi wie seine Vorgänger auch die Weichen für seine Nachfolge, die 6. Führungsgeneration, stellen. In den letzten Monaten hat er im Rahmen der Antikorruptions-Kampagne noch einmal radikal aufgeräumt mit unliebsamen Genossen. Der mächtige Parteichef von Chongqing, der erst 54 Jahre alte Sun Shengzai, galt noch vor einem Jahr als möglicher Thronfolger bei der Wachablösung 2022. Doch im Juli wurde das Politbüromitglied wegen «schwerwiegender Verstösse gegen die Parteidisziplin» suspendiert und Ende September aus der Partei ausgeschlossen. Wie Bo Xilai, Suns Vorgänger in Chongqing bis 2012, droht ihm jetzt lebenslange Haft oder sogar ein Todesurteil mit zweijähriger Bewährung.
Xi ernannte noch im Sommer seinen Vertrauten Chen Min’er als Nachfolger. Der 57-jährige Chen wird nun zusammen mit Hu Chunhua, Parteichef der wirtschaftlich potenten Südprovinz Guangdon (Kanton), vermutlich im mächtigsten Organ von Staat und Partei, dem Ständigen Politbüroausschuss, Einsitz nehmen und so möglicherweise 2022 Nachfolger von Xi Jinping werden.
Schlüsselfigur Wang Qishan
Die neue Führungsmannschaft wird insgesamt jünger. Rund die Hälfte des 200-köpfigen Zentralkomitees wird ersetzt, dazu zwei Fünftel des 25 Mitglieder zählenden Politbüros. Von den sieben Mitgliedern des Ständigen Politbüroausschusses müssten nach dem ungeschriebenen Gesetz der Alterslimite von 68 Jahren fünf Mitglieder zurücktreten. Unter Xis Vorgängern Hu Jintao und Jiang Zemin wurden diese Altersbegrenzung strikte eingehalten. Einige Beobachter zweifeln, ob das am jetzigen Parteikongress auch der Fall sein wird.
Ein besonderes Augenmerk gilt Wang Qishan, Xis engstem Vertrauten. Der 69-jährige Wang Qishan ist nicht nur Wirtschaftsspezialist, sondern vor allem Chef der mächtigen Disziplinarkommission der Partei. Er ist verantwortlich für die seit fünf Jahren laufende Antikorruptions-Kampagne gegen «Fliegen» – kleine und mittlere Kader – besonders aber gegen die «Tiger», d.h. hohe und höchste Partei- und Militärkader. Die lange Liste hoch- und höchstrangiger Partei- und Militärchefs zeigt, wie erfolgreich Xi und Wang in den letzten Jahren waren. Falls Wang seinen Sitz im Ständigen Ausschuss des Politbüros am Parteitag behalten sollte – so Spekulationen und Gerüchte – könnte das ein Zeichen sein, dass Xi 2022 eine dritte fünfjährige Amtszeit anstreben könnte. Dafür spricht allerdings wenig. Denn Kontinuität und Stabilität werden im modernen China ganz gross geschrieben, und Xi hätte selbst als pensionierter Staats-, Partei- und Militärchef noch enorme Macht.
«Entscheidende Phase in der Geschichte»
Die «Global Times», ein Ableger des Parteiblattes «Renmin Ribao» (Volks-Tageszeitung), schrieb im Sommer selbstbewusst: «Wir glauben, dass nach Jahren der Reform Chinas politisches und soziales Umfeld stabiler denn je geworden ist.» Xi selbst sprach in den letzten Monaten wiederholt von einer «entscheidenden Phase in der chinesischen Geschichte». Xis Traum vom Wiedererstarken der chinesischen Nation soll noch unter seiner Ägide Wirklichkeit werden.
Wie der Parteitag entscheiden wird, ob Xis Stellung und Macht tatsächlich so überragend sein wird, wie das viele Beobachter jetzt annehmen, wird sich am 25. Oktober zeigen. Traditionell werden dann die Mitglieder des neuen Ständigen Politbüros vor die Presse treten, die Ergebnisse bekannt geben sowie Rede und Antwort stehen. Was schon jetzt wie bei jedem Parteitag vorhersehbar ist, ist der blaue Himmel über der Hauptstadt. Dafür sorgt mit Autofahrverboten und vorübergehenden Fabrikschliessungen der Parteichef von Peking, Cai Qi, auch er ein langjähriger Vertrauter von Xi.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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Chinas Innenpolitik

Hohe Wachstumszahlen; riesige Devisenreserven; sozialer Konfliktstoff; Umweltzerstörung; Herrschaft einer Partei

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