Debatte

TAZ-Journalistin Anna Lehmann und Frank A. Meyer © zvg

Was linke Gruppierungen und Parteien besser machen könnten

Tim Guldimann /  Eine akademische Schicht habe die Linke gekapert, kritisiert Frank A. Meyer. Die Linke sei nicht links genug, kontert Anna Lehmann.

Red. Tim Guldimann fasst sein neustes Podcast-Gespräch zusammen. Diesmal mit der TAZ-Journalistin Anna Lehmann und Frank A. Meyer, Mitglied der Ringier-Konzernleitung.

Warum ist die Politik ausserstande, die sozialen Anliegen der Mehrheit der Bevölkerung zu lösen, Mieten, Inflation, gekürzte Staatsleistungen? Lehmann kritisiert: «Die Regierung kriegt das nicht in den Griff.» Meyer sieht das Problem in der «wesentlichen Entfremdung der ganz normalen Arbeitnehmer von den linken Gruppierungen und Parteien […] Es gibt eine akademische Schicht, die sich die Linke gekrallt hat.»

Dagegen Lehmann: «Ihre These ist, die Linke hat sich so weit von den Arbeitern entfernt, dass sie deren Anliegen gar nicht mehr vertritt. Ich würde sagen, es ist anders: Die Linke ist eigentlich nicht links genug. Zum Linkssein gehört für mich immer Kapitalismuskritik. Wenn es darum geht, den Sozialstaat zu gestalten, dann geht es immer auch um Umverteilung und gerade das schafft die heutige Linke nicht. Sie schafft es nicht, Besitzstände anzutasten und das ist ihr Problem.» Dagegen Meyer: «Wer verkörpert die Arbeiterschicht? Wer verkörpert die Linke? Da spielt es schon eine Rolle, dass das heute eine völlig geschlossene Akademikerschicht ist.»

Es gebe zwar nicht mehr die Arbeiterklasse, so Lehmann weiter, «aber es gibt immer noch Ausbeutung […] es gibt Leute die in Abhängigkeit leben und einen Job haben, der meist schlecht bezahlt ist…». Meyer wirft ein: Es sei an der Zeit, «in die Berufsbildung zu investieren. Von den 170 Gender-Lehrstühlen mal 120 abschaffen und das Geld umschichten zu den Berufsschulen […], das wäre linke Politik.» Meyer weiter: In einer Demokratie […] ist der Bürger der Chef vom Ganzen.» Es gehe «um die Menschen, die bestimmend sind für die Dinge in der Gesellschaft, im Produktionsprozess, in der sozialen Wirklichkeit […] Aber wo sind die Arbeitnehmer […] in den gestaltenden Gremien […] in den Parlamenten, auch in den Regierungen? Es gehe darum «diese Leute herauszuholen und zu sagen: Du hast die Sache zu entscheiden und nicht die Genderprofessorin.»

Dazu Lehmann: «Ich gehe mit ihnen einig, dass der Staat nicht maternalistisch oder paternalistisch sein darf und dass das zum Teil in der SPD und in anderen Parteien so drinsteckt. Es muss gelingen, die Bürger zu einem Teil des Ganzen zu machen.» – Meyer: «Die rechtspopulistischen Bewegungen bewirtschaften genau das, was ich ständig beklage: Sie bewirtschaften die […] politische Heimatlosigkeit der Menschen mit den Versprechen ‹Wir sind das Volk›. Es wird bewirtschaftet mit voller Emotionalität und Erfolg, der alles, was wir erkämpft haben an Demokratie und an funktionierendem Sozialstaat zutiefst gefährdet.»

Was ist die Lösung? – Lehmann: «Es geht im Kern darum, dass man den Leuten das Gefühl geben muss, sie sind nicht auf den Sozialstaat angewiesen, sondern sie können von ihrer Hände Arbeit leben. Alles was getan wird, das Wohngeld zu erweitern oder den Kinderzuschlag zu erhöhen ist ja quasi ein Eingeständnis des Scheiterns. Die Leute verdienen eben nicht genug in ihren Jobs, damit sie ohne die Hilfe des Staates über die Runden kommen. […] Die Politik darf die Menschen nicht so behandeln wie die Empfänger von Almosen.»

«Debatte zu Dritt»

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Keine
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3 Meinungen

  • am 23.02.2024 um 14:03 Uhr
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    Alle vom Staat bezahlten Hilfsgelder (Krankenkassenverbilligungen, Kitas, Sozialwohnungen etc.) an arbeitende Menschen, Familien, die sich von ihrem Lohn ein Leben in der Schweiz eigentlich gar nicht leisten könnten ohne solche staatliche Hilfe, sind direkte Subventionen an die Wirtschaft. Die Unternehmen machen Gewinne aufgrund von Dumpinglöhnen, die nicht existenzsichernd sind…und Menschen, die arbeiten und davon nicht leben können,hiessen früher? Genau: Sklaven. Es gibt drei Lösungen: Unternehmenssteuern, die diesen Schaden an der Gesellschaft decken; ein Mindestlohn, der wirklich ein Leben in der Schweiz möglich macht; ein bedingungsloses Grundeinkommen, das diese Subventionen überflüssig macht, arbeiten würde nur noch, wer den existenzsichernden Lohn auch erhält. Die Wirtschaft benötigt Arbeitnehmer? Dann soll sie diese auch bezahlen. Genauso wie die Nutzung des Bodens, Wassers, Luft und die daraus entstehenden Schäden. Das Verursacherprinzip. Wer etwas will zahlt.

    • billo
      am 24.02.2024 um 00:31 Uhr
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      Absolut richtig, Anna Baur. Und wenn die Nutzung von Lebensressourcen (Boden, Wasser, Luft) angemessen besteuert würde, liesse sich daraus ein Grundeinkommen für alle finanzieren!

  • am 23.02.2024 um 15:15 Uhr
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    Naja, dass Frank A. Meyer als Strippenzieher beim latent xenophoben Blick das Gefühl hat, Zeit seines Lebens links politisiert zu haben und sich deshalb berufen fühlt, den Linken Ratschläge zu geben, wird ja alleine schon durch seine Beschränkung auf das rechte Empörungsbewirtschaftungsthema „Gender-Lehrstühle“ richtig eingeordnet. Wie wenn Inklusion kein linkes Kernthema wäre – dabei wäre er mit seiner Einschätzung zur Bewirtschaftung durch die rechtspopulistischen Parteien ja eigentlich schon ganz nahe dran.

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