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Die Atomreaktoren Beznau 1 und 2 gehören dem Axpo-Konzern © axpo

Wie die AKW-Verluste der Axpo die Kantone bedrohen

Hanspeter Guggenbühl /  Unrentable AKW machen die Axpo für die Eigentümer-Kantone zur «Hoch-Risiko-Investition». Das zeigt ein Gutachten* der AKW-Gegner.

An Partei-Gutachten fehlt es nicht, seit die Schweiz 2011 den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und die Energiewende eingeläutet hat: Economiesuisse und Stromlobby malten in ihren Studien Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe an die Wand, falls die Schweiz wie geplant von der Atom- auf erneuerbare Energie umsteigt.

Die Grüne Partei und der Ökonom Ruedi Rechsteiner (beides AKW-Gegner, die den Ausstieg beschleunigen wollen) vertreten mit ihrem neusten Gutachten* die umgekehrte Sicht: Die Schweizer Atomkraftwerke (AKW) und mit ihnen der Stromkonzern Axpo würden künftig riesige finanzielle Verluste einfahren. Das mache die Axpo für seine Eigentümer, die Nordostschweizer Kantone angeführt vom Kanton Zürich (siehe unten), zur «Hochrisiko-Investition».

AKW-Betreiber machen Verlust

Tatsächlich sind die Produktionskosten der AKW heute höher als die Preise auf dem europäischen Strommarkt. Das Gleiche gilt für die Gaskraft- und einen Teil der Wasserkraftwerke. Das erkannten auch die Schweizer Stromproduzenten Axpo, Alpiq und BKW. Darum tätigten sie in den letzten Jahren Sonderabschreibungen von mehreren Milliarden Franken. Als Folge davon erzielte die Axpo, die allein über die Hälfte des Atomstroms in der Schweiz produziert, im Geschäftsjahr 2013/14 erstmals einen Verlust (von 730 Millionen Franken). Das schmerzte die Nordostschweizer Kantone vom Aargau über Zürich bis St. Gallen, denen die Axpo gehört. Denn erstmals erhielten sie von ihrer einstigen Milchkuh keine Dividende.

Dass es den Schweizer Stromproduzenten schlecht geht, ist also bekannt. Das gestern Donnerstag veröffentlichte Gutachten, das der Ökonom, Energieexperte und ehemalige Basler SP-Nationalrat Ruedi Rechsteiner im Auftrag der Grünen Partei des Kantons Zürich erstellte, analysiert die Zukunft der Schweizer AKW-Betreiber und insbesondere der Axpo aber weit düsterer, als es die Stromproduzenten selber tun. Dies aus zwei Gründen: Rechsteiner geht davon aus, dass der Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion die Preise für den Bandstrom, den die AKW erzeugen, weiter senken wird. Gleichzeitig rechnet er, dass die Kosten für die Entsorgung der AKW und die Lagerung des Atommülls unterschätzt wurden und darum massiv steigen.

Erlöse sinken, AKW-Kosten steigen

Konkret: Der Marktpreis für Bandstrom, wie ihn Atom- und Kohlekraftwerke rund um die Uhr erzeugen, betrug 2014 an der europäischen Strombörse 4,4 Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Dieser Erlös werde sinken, rechnet Rechsteiner, weil die EU den Strom aus erneuerbarer Energie fördert. Das erhöhe die Überkapazitäten und vermindere die Rentabilität der Schweizer Atomkraftwerke zusätzlich. Selbst wenn der Stromerlös trotz Frankenaufwertung ab 2015 künftig bei 4,4 Rappen/kWh verharrt, so rechnet Rechsteiner, werde die Axpo aus ihren Atomkraftwerken in den nächsten zehn Jahren einen Verlust von 1,5 Milliarden Franken anhäufen. Sinkt der Strompreis auf 3,5 Rappen, so steigt dieser Verlust auf 2,7 Milliarden.

Obige Rechnungen gelten, falls die Kosten der AKW gleich bleiben wie in den letzten Jahren. Doch Rechsteiner – wie auch andere Ökonomen – beurteilt die Kostenrechnungen der AKW-Betreiber als falsch. Diese bewerteten die Kosten für Entsorgung und Endlagerung des Atommülls zu tief, die zu erwartende Rendite in den Entsorgungs- und Endlagerfonds hingegen zu optimistisch. So lasse die Axpo-Bilanz ungedeckte Stilllegungs- und Entsorgungskosten in der Höhe von über fünf Milliarden Franken ausser Acht. Zudem vernachlässige sie die Schulden ihrer Partnerwerke sowie die nicht amortisierbaren Kosten für die Nachrüstung, die der angestrebte Langzeitbetrieb der alten Atommeiler nach sich zieht.

Empfehlungen an Kantone

«Die aktuelle Verschuldung, die nicht in der Axpo-Bilanz ausgewiesen wird, beträgt zurzeit fast 12 Milliarden Franken», summierte Ruedi Rechsteiner bei der Präsentation seines Gutachtens in Zürich, und er warnt: «Die Beteiligung der Kantone an der Axpo mutiert von einer Cash Cow zu einer Hoch-Risiko-Investition.»

Um die Risiken zu mindern, empfiehlt seine Studie den Eigentümer-Kantonen und dem Verwaltungsrat unter anderem folgendes:

  • Die Axpo-Buchhaltung sei zu reorganisieren, und alle Verpflichtungen seien transparent auszuweisen.
  • Die AKW und AKW-Beteiligungen der Axpo sollten in eine einzige Holding übergeführt und als «bad bank» ausgegliedert werden, wie das der deutsche Stromkonzern Eon bereits getan hat.
  • Die Eigentümer-Kantone sollten eine Stromabgabe erheben, um Altlasten und nicht-amortisierbare Investitionen tilgen zu können.

Axpo-Management: «Hervorragend aufgestellt»

Die Chefs der Axpo haben das grüne Gutachten ebenfalls gelesen und widersprechen explizit: Die Vorschläge «von Herrn Rechsteiner» seien «völlig unnötig», schreiben sie in ihrer ersten Stellungnahme. Denn die Axpo habe ihre Strategie «bereits konsequent den neuen Marktbedingungen angepasst» und sei deshalb «strategisch hervorragend aufgestellt». In die «falsche Richtung» zielten insbesondere die Vorschläge, mit der Ausgliederung der Atomkraftwerke «aus Axpo eine Eon zu machen».
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Wem die Axpo gehört

Das Aktienkapital des Staatskonzerns Axpo von total 370 Millionen Franken verteilt sich zu folgenden Teilen auf die folgenden Nordostschweizer Kantone und/oder ihre kantonalen Elektrizitätswerke:

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* «Axpo – finanzielles Grossrisiko für den Kanton Zürich»


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keine

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3 Meinungen

  • am 26.03.2015 um 20:39 Uhr
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    Spielt es wirklich eine Rolle, ob die AKWs ausgelagert werden oder nicht? Blechen tun am Ende so oder so wir alle und ob das nun via Steuergelder geschieht oder die Stromkosten ist mir irgendwie egal. Oder kann mich jemand aufklären, was der entscheidende Vorteil einer Bad-AKW-Gesellschaft wäre? Klar, das würde nicht gleich den ganzen Konzern mit ins Loch reissen, doch das Loch stopfen müssten wie gesagt dieselben Leute dennoch, nicht?

  • am 26.03.2015 um 23:18 Uhr
    Permalink

    Lieber Felix,
    abgerechnet wird am Schluss und das werden wir beide nicht mehr erleben.Bad Banks formt man damit nicht alles den Bach runter geht.In Oestereich machte man das mit dem Erbe Haiders.Dabei werden Gläubiger mit zur Kasse gebeten und vorallem wird das Abstellen und Rückbauen so organisiert,das nicht Quasi per Volksabstimmung die Sicherung eines AKW verhindert wird.Wenn die Stromkonzerne jegliche Konkurrenzfähigkeit verlieren,wird das Schlamassel für die betroffenen Kantone noch viel grösser.Aber es lassen sich nun mal nicht alle Kosten auf den Strompreis abwälzen.AKWbau war ein politischer Entscheid und die Politik muss das ausbaden.Wir können ja an der Armee sparen,oder bisch öppe der Gäge ?

  • am 28.03.2015 um 04:41 Uhr
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    Ich hätte eine bessere Idee, wenn sämtliche staatlichen Lohnempfänger|innen auf lausige 8 Stutz pro Tag verzichten, der Gegenwert eines Päckli Zigi’s, die sie ja sowieso nicht mehr rauchen, weil man davon stirbt (man stirbt übrigend auch ohne Rauch), ergäbe das vielleicht etwa 1.5 Milliarden Franken pro Jahr, die man dazu verwenden könnte, die ehemaligen Staats-Milchkühe zu sanieren.

    Ist ja auch eine Art Armee, überwiegend dazu noch eine Rote, und Grüne, und genau Die könnten doch einmal, ausnahmsweise, mit dem guten Beispiel vorangehen.

    Was würde das schon einer Kindergärtnerin, in Zürich, mit 81+ Riesen Jahreslohn, als Beispiel, ausmachen, und erst noch für einen guten Zweck?!

    Sicher weniger als Einer, die den ganzen Tag im Laden rumstehen und-laufen muss, für vielleicht etwas mehr als die Hälfte. Und erst noch immer nett und zuvorkommend zu Allen sein.

    war auch nur so eine blöde Idee…

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