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Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Sprachlupe: Freiburg – für zwei Namen gross genug

Daniel Goldstein /  Als Kanton ist Freiburg offiziell zweisprachig, als Stadt nur inoffiziell. Das ist kein Grund, auf Deutsch «Fribourg» zu sagen.

«Politesse statt Politik, das scheint doch an schweizerischen Sprachgrenzen kein schlechter Grundsatz.» Über solche Höflichkeit berichtete der ehemalige «Bund»-Chefredaktor Ernst Schürch 1943 mit einer Anekdote um sprachliches Entgegenkommen, das helfen, aber auch verwirren kann: Ein deutschsprachiger Berner Regierungsrat verstand den Mann, der sich als «Meier von Bürkis» vorgestellt hatte, erst dann, als der «maire de Bourrignon» aus dem Jura in seine Muttersprache wechselte.
Zwar nicht missverständlich, aber übertrieben beflissen ist es, wenn auf Deutsch von Kanton und Stadt «Fribourg» geredet wird; mir scheint, das sei immer häufiger der Fall. Dabei ist der Name Freiburg – anders als Bürkis – durchaus geläufig, und das seit der Gründung im 12. Jahrhundert. Kürzlich stand dennoch in einer Kulturzeitschrift etwas über einen «gebürtigen Fribourger» und dazu noch etwas über einen «Ethnologen aus Neuchâtel». Es wäre falsch verstandener Respekt für die Welschschweiz, auf gut etablierte deutsche Ortsnamen wie Genf oder Neuenburg zu verzichten.

Zweitrangige Minderheit

In der Stadt Freiburg leben seit je auch Deutschsprachige; sie machen noch gut einen Fünftel aus. Als 1959 die Deutschfreiburgische Arbeitsgemeinschaft (DFAG) gegründet wurde, war es knapp ein Drittel, wie heute im Kanton. Während dieser offiziell zweisprachig ist, gelang es der DFAG nicht, für die Stadt denselben Status zu erwirken. Mit beharrlichem Bemühen hat sie wenigstens erreicht, dass die Rechte der sprachlichen Minderheit besser respektiert werden. Verfechter des Deutschen stiessen oft auf Gehässigkeit: Welsche Exponenten warfen ihnen «Arroganz», ja «Imperialismus» vor.
Selbst in Freiburg mit seiner langen Geschichte des Wechsels sprachlicher Vorherrschaft steht aber heute nicht mehr jedes öffentliche Schild als Bollwerk der Sprachgrenze da. Der Bahnhof bekam 2012 nach langen Auseinandersetzungen zweisprachige Schilder, wie jener im zuvor nur deutsch benamsten «Murten/Morat». Die NZZ sprach damals von «Entkrampfung», und letztes Jahr stellte sie fest: «An der Sprachgrenze fallen die Wachtürme.» Sie führte die Entspannung vor allem darauf zurück, dass die von manchen Romands befürchtete «Germanisierung» nicht nur ausgeblieben war, sondern Zuzüger – auch ausländische – das Französische gestärkt hatten. Die Abwehrhaltung erübrigte sich also.

Frankofone Fusion

Umgekehrt scheint die DFAG des Kampfes müde: Sie hat dieses Jahr mit dem Heimatkundeverein fusioniert; zusammen heissen sie «Kultur Natur Deutschfreiburg». Auch wenn die Deutschfreiburger einiges erreicht haben: Eine zweisprachige Idylle ist die Stadt nicht geworden. Die Linguistin Claudine Brohy – sie war im DFAG-Vorstand – analysiert im aktuellen «Sprachspiegel» die öffentlich sichtbaren Sprachzeichen. Sie findet Fortschritte, aber etwa im Vergleich mit Biel auch Mängel in der «sprachlichen Lebensqualität». So sind von den 352 Strassen nur gerade 22 auch deutsch angeschrieben, alle in der Altstadt.
Die Minderheit dürfte prozentual schrumpfen, wenn die Fusion von «Grand Fribourg» gelingt: Sie soll neun Gemeinden der bestehenden Agglomeration umfassen, nicht aber Düdingen als zehnte – und einzige deutschsprachige (wider ihren Willen vom Kanton in die Agglo eingegliedert). Die Versuchung mag dann stärker werden, auch auf Deutsch von «Fribourg» zu reden, aber das wäre erst recht ein Affront gegenüber den Deutschfreiburgern. Es bleibt noch das Argument, «Fribourg» sei die eleganteste Art, die Stadt von Freiburg im Breisgau zu unterscheiden. Das mag sein, ist aber Bequemlichkeit am falschen Ort. Meist ist im Zusammenhang ohnehin klar, welche Stadt gemeint ist. Wenn das doch einmal präzisiert werden muss, ist «Freiburg i. Ü.» fast ebenso knapp – und eine seltene Gelegenheit, ans Üchtland oder Üechtland zu erinnern. So, wahrscheinlich «Weideland» bedeutend, hiess im Mittelalter das Grenzgebiet zwischen Burgundern und Alemannen.


Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors

Keine.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

--- Zum Infosperber-Dossier «Sprachlupe» Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

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Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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4 Meinungen

  • am 26.08.2017 um 12:46 Uhr
    Permalink

    Ich teile die in diesem Beitrag geäusserte Meinung vollauf. Ab und zu ist auch die Variante «Fryburg» anzutreffen. Das würde dann wenigstens der örtlichen Mundart-Diktion für Freiburg entsprechen, sofern das y als ü ausgesprochen wird, was aber auch wieder nicht korrekt ist, da es sich nicht um ein griechisches Lehnwort handelt.
    Mir ist auch aufgefallen, dass in den Deutschschweizer Medien statt «Welschschweiz» weitgehend nur noch der Ausdruck «Westschweiz» verwendet wird, wenn es um die Romandie geht. Vermutlich aus Gründen einer Art Political correctness, da «welsch» wohl als despektierlich angesehen wird. «Westschweiz» ist jedoch wenig präzise, wenn damit die burgundische Schweiz gemeint sein soll; auch Bern und das Oberwallis wird geografisch zur Westschweiz gezählt. Es gibt meines Erachtens keinen Grund, als Synonym für die Romandie nicht Welschschweiz zu verwenden. Zwar wird damit ursprünglich auch die italienischsprachige und rätoromanische Schweiz mitgemeint; aber im Zusammenhang lässt sich immer herauslesen, welches Gebiet genau gemeint ist. Es wird den Romands mehr Respekt gezollt mit Welschschweiz, da der Begriff auf ihre Ethnie Bezug nimmt, als mit der Reduktion auf die geografische Lage ihres Siedlungsgebiets. Von den Welschen als «Westschweizer» zu reden erinnert mich immer etwas an die lange von der offiziellen Türkei für ihre kurdische Bevölkerung verwendete Bezeichnung «Bergtürken», um deren eigene Ethnie nicht anerkennen zu müssen.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 26.08.2017 um 12:55 Uhr
    Permalink

    Ich selbst wohne in «Fribourg» und habe kein Problem mit diesem Ausdruck. Würde ich ein paar Strassen weiter östlich, z.B. im Quartier Schönberg wohnen, würde ich wohl meinen Wohnort mit «Freiburg» bezeichnen wo übrigens der Begriff «im Üechtland» kaum mehr als ein Überbleibsel historischer Gepflogenheiten sein dürfte.

    Im Dialekt spricht sowieso niemand von «Freiburg», usw.

    Bei Murten/Morat ist die Sachlage ähnlich und man sollte auch nicht Meyrier bei Murten sagen. Immerhin hat meine Schwiegermutter immer von Guin und Chietre gesprochen, was für mich anfangs anpassungsbedürftig war.

    Wenn aber RTS-Radioreporter «Zürich» als «Zouriq» oder noch schlimmer als «Zurisch"aussprechen, weil es doch ein Tréma hat, dann ist auch für mich der Bogen überspannt. Mein altes Beispiel aus dem Monopoly «la Chaux-de-Fonds» (mit deutschschweizer Aussprache) ist aber für solche Reporter bestenfalls ein plumper Scherz.

    Möglicherweise hat das ganze doch etwas mit der Relativitätstheorie zu tun ?

    Aber Sie wissen ja, in der RTS-Romandie ist die Sprache Goethe’s «bon allemand», Schwyzerdütsch also konsequenterweise «schlechtes deutsch». In Fribourg ist das nicht ganz so schlimm.

    Ich habe wieder einmal in Lausanne nachgefragt. Bin gespannt auf die Antwort.

  • am 28.08.2017 um 12:21 Uhr
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    Im Gegensatz zu Herrn Hunkeler haben sehr viele Deutschfreiburger durchaus ein Problem damit, wenn insbesondere in Deutschweizer Medien von Fribourg die Rede ist. (Man stelle sich zum Vergleich auch vor, die gleichen Medien würden von Valais sprechen, statt von Wallis.) In der Regel sind es Zugezogene, die sich gar damit brüsten, in Fribourg zu wohnen. Die meisten Einheimischen, vor allem jene, die die Zeiten erlebt haben, in denen Deutschfreiburger als quantité négligeable oder von gewissen Kreisen gar als Vorposten der (im Zweiten Weltkrieg aufgehaltenen) germanischen Eroberer betrachtet und behandelt wurden, reagieren da ganz anders. Deshalb ist die korrekte und offizielle Bezeichnung, wie das Beispiel Bahnhof Fribourg-Freiburg belegt, noch heute ein Politikum. Vor allem bei den jungen Welschfreiburgern hat sich glücklicherweise eine neue Sichtweise entwickelt: Deutsch zu können, ist vielleicht nicht gerade sexy geworden, aber doch sinn- und wertvoll. Noch liegt aber vieles im Argen.

  • am 31.08.2017 um 11:24 Uhr
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    Es ist schade, dass die Welschfreiburger kraft ihrer Mehrheit die Deutschfreiburger öfter an den Rand drängen, wie es scheint. Dieses Verhalten muss wohl daher stammen, dass sie sich selber als Minderheit im Bund marginalisiert fühlen. Dabei könnte man doch mal nach Biel/Bienne hinüberschauen, meines Wissens die einzige wirklich zweisprachige Stadt an der Sprachgrenze.
    Es wird erzählt, dass alteingesessene Bieler oft in einem Satz deutsche und französische Wörter mischen – wie es ja auch alteingesessene Elsässer tun (oder bald nur noch taten?). Was die Aussprache von Freiburg betrifft, so lautet diese meines Wissens immer noch «Friburg», und unterscheidet sich dadurch klar vom deutschen Freiburg i. Br. (in verschiedenen Dialekten mag es Unterschiede geben).
    Ich hoffe immer noch, dass wir vermeiden können, dass sich Deutschschweizer und Welsche nur noch in Englisch unterhalten.

    Natürlich ist die Sprache lebendig und im Wandel, so versteht heute kaum mehr jemand, welche Stadt mit «Bellenz» gemeint ist (die Hauptstadt des Tessin). Und leider ist in Züri sogar der «Anke» am Aussterben, bald wohl auch das Rüebli …
    Herzlichen Dank, Herr Goldstein, für Ihre interessante und manchmal amüsante Sprachlupe.

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