Leuthard_Cina

Energieministerin Leuthard und Staatsrat Cina: Die Energiewende harzt. © admin/vs

Leuthards Energiewende in der CVP-Provinz (2)

Kurt Marti /  Bundesrätin Doris Leuthard predigt den Atomausstieg und die Energiewende. Doch die Bremser sitzen in der CVP-Provinz. (Teil 2)

Die jährliche Sonneneinstrahlung im Wallis liegt 16 Prozent über dem Mittel der anderen Kantone. In Zermatt ist die Solarstrahlung sogar 21 Prozent höher als der Schweizer Durchschnitt. Diese Werte stehen im krassen Gegensatz zur bisherigen Solarstrom-Ernte im Wallis. Die aktuell installierte Leistung der Photovoltaikanlagen beträgt laut der Stiftung KEV (Kostendeckende Einspeisevergütung) bei 2,5 MW. Das ergibt pro Kopf der Walliser Bevölkerung mickrige 8 Watt. Zum Vergleich: Laut Solarstrom-Magazin «Photon» liegt dieser Wert im deutschen Bundesland Bayern bei 640 Watt, im gesamten Deutschland bei 300 Watt und in Italien bei 210 Watt. Der Wert für die gesamte Schweiz liegt bei bescheidenen 26 Watt.

Was ist aus dem Solarplan geworden?

Im Jahr 2008 erteilte der damalige Walliser SP-Staatsrat Thomas Burgener dem Ingenieurbüro «easi (Energie, Architektur, Sanierungen, Information) den Auftrag, einen «Massnahmenplan Solar Wallis» zu erarbeiten. Im Sommer 2010 lag der Massnahmenplan vor. Mit erstaunlichen Resultaten: Wenn auf einem Drittel der Dachflächen im Wallis Photovoltaik-Anlagen installiert werden, resultiert daraus eine Solarstromproduktion von rund 800 GWh. Das ist ein Drittel des Walliser Stromverbrauchs (ohne Industrie).

Ein Jahr später – im Sommer 2011 – wollte das Wissenschaftsmagazin «Einstein» des Schweizer Fernsehens wissen, was aus dem Massnahmenplan geworden war (siehe Link unten). Dazu befragte die Einstein-Redaktion den CVP-Staatsrat Jean-Michel Cina, welcher nach den Wahlen im Jahr 2009 das Energiedepartement übernommen hatte. Cina machte keinen Hehl daraus, dass der Kanton Wallis die Priorität nicht bei der Förderung des Solarstromes setzt, sondern beim Ausbau der Wasserkraft: «Mit der Wasserkraft, insbesondere den Kleinwasserkraftwerken, können wir schneller eine höhere Leistung erbringen als mit einer flächendeckenden Ausrüstung der Dächer mit Photovoltaikanlagen.»

Kanton spielt den Ball weiter

Die Walliser Solarstudie schlägt ein ganzes Paket von Massnahmen vor, welche der Kanton ergreifen kann, um das Wallis zu einem Solarkanton zu machen: Erstens die Gründung einer «Task Force Solarenergie Wallis» mit Vertretern des Kantons, der Gemeinden und der Wirtschaftsförderung; zweitens eine Übergangsfinanzierung bis zur Auszahlung der KEV-Gelder und drittens die gesetzliche Verankerung der Solarstrategie. Hinzu kommen weitere Empfehlungen für Investitionsbeiträge, Steuererleichterung und zinsgünstige Darlehen.

Auf Anfrage erklärte Nathalie Theler, Mitarbeiterin der kantonalen Dienststelle für Energie und Wasserkraft, dass zwei Jahre nach der Publikation der Studie noch keine Task Force, keine wirksamen gesetzlichen Massnahmen und keine Übergangsfinanzierung zur KEV existierten. Der Kanton Wallis beschränkt sich stattdessen auf punktuelle Massnahmen, wie die Ausbildung von Fachleuten, Steuervergünstigungen, Empfehlungen für die Gemeinden, Tools zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit von Solaranlagen und die Information der Solarfachleute. Laut Theler liegt es «auch an den Elektrizitätswerken und den beteiligten Aktionärs-Gemeinden ihre Verantwortung wahrzunehmen». Und da sei «viel am Laufen». Deshalb stehe «die Aufstellung einer Taskforce zurzeit nicht im Vordergrund.»

«Fast keine Massnahmen umgesetzt»

Ganz anders sieht dies Heini Glauser vom Büro «easi», welcher den Massnahmenplan im Auftrag des Kantons Wallis verfasst hat. Er ist enttäuscht über den mangelnden Effort von Staatsrat Jean-Michel Cina und dessen Energiedepartement: «Von den Massnahmen, welche die Solarstudie vorschlägt, wurden fast keine umgesetzt. Der Kanton schiebt die Verantwortung auf die Gemeinden und die Elektrizitätswerke ab. Das führt beispielsweise zu skandalösen Ungleichheiten bei den Rückliefertarifen.» Um solche Ungleichheiten zu vermeiden, hätte der Kanton «eine Mindestentschädigung für Solarstrom von rund 25 Rp./kWh festsetzen und der kantonseigenen Walliser Elektrizitätsgesellschaft (WEG) Auflagen zur Förderung des Solarstroms machen müssen.» Zudem kann laut Glauser eine wirksame Solarförderung ohne Task Force nicht umgesetzt werden, weil der kantonalen Dienststelle für Energie dazu ganz einfach das nötige Personal fehle.

Laut KEV-Statistik (Stand 1. Juli 2012) profitieren im Wallis 129 Solaranlagen mit einer Gesamtproduktion von 2,5 GWh von den KEV-Förderbeiträgen. Positive Entscheide erhielten 77 Solarproduzenten mit einer Gesamtproduktion von rund 2,2 GWh. Auf der Warteliste stehen 411 PV-Anlagen mit einer Gesamtproduktion von rund 15,2 GWh. Während der Kanton Wallis die finanzielle Förderung der Solaranlagen den Elektrizitätswerken und den privaten Investoren überlässt, übernehmen andere Kantone die Übergangsfinanzierung bis zur Auszahlung der KEV-Beiträge. Zum Beispiel der Kanton Waadt, welcher mit 20 Millionen Franken in die Finanzierungslücke springt.

Kleinwasserkraftwerke bringen Wasserzinsen

Statt den Solarstrom zu fördern, sind die Elektrizitätswerke aktiv bemüht, die letzten frei fliessenden Bäche in Druckstollen zu legen, paradoxerweise finanziert durch Öko-Beiträge der KEV. Die KEV-Statistik liefert dazu eindrückliche Zahlen: Die Gesamtsumme der realisierten, der bewilligten und der geplanten Kleinwasserkraftwerke beträgt 605 GWh (Stand 1. Juli 2012). Das ist doppelt soviel wie der Kanton Graubünden und im Vergleich der Kantone einsame Spitze. Die Priorisierung der Wasserkraft hat finanzielle Gründe: Die Gemeinden und der Kanton profitieren von den Wasserzinsen der Kleinwasserkraftwerke. Und weil in den Verwaltungsräten der Elektrizitätswerke jeweils die Gemeindepräsidenten sitzen, ist die Rechnung bald gemacht.

So sieht also der von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard und CVP-Präsident Christoph Darbellay gross ausgerufene Atomausstieg in den Stammlanden der CVP konkret aus: Die letzten sprudelnden Bergbäche verschwinden in dunklen Stollen.
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Dieser Artikel ist im Greenpeace Magazin vom Dezember 2012 erschienen. (Siehe Teil 1)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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Eine Meinung zu

  • am 13.03.2013 um 14:10 Uhr
    Permalink

    Wie definiert man Provinz? Wenn die Walliser Kantonalpolitik massgebend für «Provinz» ist, mag der Artikel zutreffen. In anderen Regionen der Schweiz sind die Provinz-CVPen viel mehr die Promotoren und Initanten für die Energiewende. Im Kanton Schwyz hat die CVP eine entsprechende Volksinitative lanciert, in Männedorf am Zürichsee Ökostrom und die KEV-Überbrückung eingeführt. Grosse und kleine politische Veranstaltungen der CVP für die Enregiewende gab es auch in Volketswil, Wallisellen, Grenchen und vielen anderen Orten im Land – Orten, die gemeinhin nicht gerade als Zentrum bezeichnet werden. Im Internet gibt es selbst eine Seite namens «Energiewende von unten": http://www.cvp-zh.ch/?id=11275

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