Kommentar

kontertext: Medienförderung durch Stiftungen

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsGuy Krneta, geboren in Bern, lebt als freier Autor in Basel. Er schreibt Theaterstücke und Spoken-Word-Texte. ©

Guy Krneta /  Wie wird der Journalismus künftig finanziert? Auch Stiftungen machen sich derzeit Gedanken über diese Frage.

Der Journalismus steckt in einer Finanzierungskrise. Bisherige Finanzierungsmodelle funktionieren immer weniger. Absehbar ist, dass die föderalistische Öffentlichkeit verstärkt in die Lücke springen muss. Doch das braucht seine demokratische Zeit von fünf bis zehn Jahren. Gerade in dieser Zeit könnten Förderstiftungen eine wichtige Rolle spielen. Ein Interview mit der Geschäftsführerin der Volkart Stiftung Judith Schläpfer lässt aufhorchen.

Medienförderung und Stiftungen

Die Volkart Stiftung prüfe derzeit, sagt Schläpfer im Interview, ob sie Medienförderung in ihren Förderbereich aufnehmen wolle. Es gelte, den Zugang zu unabhängigen Informationen zu fördern und sicherzustellen. Menschen müssten sachlich, fundiert und vielfältig über gesellschaftspolitisch relevante Themen aus dem In- und Ausland informiert werden, um ihre demokratischen Pflichten und Rechte wahrnehmen zu können.

Erschienen ist das Interview im «Jahresporträt 2018» von SwissFoundations, der «Stimme der Schweizer Förderstiftungen». Anlass gab das Schweizer Stiftungssymposium 2018, das dem Thema gewidmet war. Im Weiteren lud die Volkart Stiftung gemeinsam mit SwissFoundations zum Roundtable «Medienförderung und Stiftungen – Passt das zusammen?».

Noch wird geprüft

Auf Nachfrage möchte Judith Schläpfer nicht konkreter werden. Man befinde sich in der Phase des Prüfens. Es brauche, sagt sie im Interview, zunächst «ein tieferes Verständnis für die Medienförderung, ein Mapping von bestehenden und geplanten Projekten sowie die Identifikation von Schlüsselakteuren».

Und zur Ausgangslage: «Die Medienlandschaft verändert sich rasant. Titel fusionieren, verschwinden und neue versuchen online Fuss zu fassen. Die SDA musste einschneidende Sparmassnahmen in Kauf nehmen. Ausserdem sind 53% der unter Dreissigjährigen sogenannt newsdepriviert.»

Die Einsichten beschäftigen auch andere Stiftungen, welche sich derzeit Gedanken machen, ob und in welcher Form sie künftig Medienförderung betreiben könnten. Nicht zuletzt, weil vieles in den Bereichen Kultur, Soziales, Wissenschaft und Bildung, von Stiftungen gefördert, medial wenig beachtet und noch seltener kritisch begleitet wird.

Neuland betreten

Pioniererfahrung mit Medienförderung hat die 2011 ursprünglich durch Beatrice Oeri gegründete Stiftung für Medienvielfalt (bei der google-Suche nicht zu Verwechseln mit Tito Tettamantis Tarn-Konstrukt «Stiftung für Meinungsfreiheit und Medienvielfalt»). Die Stiftung für Medienvielfalt hat etliche der neueren Medienprojekte in den letzten Jahren mit Zehn- und Hunderttausender-Zustüpfen angeschoben. Über sieben Jahre alimentierte sie praktisch vollumfänglich die Basler «TagesWoche». Auch ein neues Basler Online-Projekt, das derzeit am Entstehen ist, wird über mindestens drei Jahre mit der Unterstützung von einer Million Franken pro Jahr rechnen können.

Eben der SwissFoundations beigetreten ist die Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung. Sie fördert «eine vielfältige, dem liberalen Gedankengut verpflichtete und regional ausgewogene Medienversorgung im Kanton Solothurn» und über den Kanton Solothurn hinaus «die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie die Forschung und Entwicklung im Bereich der gedruckten, elektronischen, digitalen oder anderen Medien». Das Stiftungskapital stammt unter anderem aus dem damaligen Verkauf der Solothurner Zeitung an die AZ Medien (heute CH Media).

Auch Judith Schläpfer ist der Meinung, dass für Stiftungen «die Innovationsförderung» zentral sei. Es sollten «Projekte mit Hebelwirkung gefördert werden». Ausserdem müssten «Medienschaffende zusammenspannen, um Infrastrukturkosten zu senken und Synergien zu nutzen». Es brauche «sowohl von den Medienschaffenden als auch von uns Stiftungen die Bereitschaft, Neuland zu betreten».

Keine Illusionen machen

Judith Schläpfers Interview ist bemerkenswert, nicht zuletzt weil Stiftungsfinanzierung von Medien in der Schweiz derzeit noch marginal ist. Der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Matthias Künzler schätzte kürzlich im Rahmen eines Referats, die «alternativen Finanzierungsmodelle» (Stiftungen, Spenden) betrügen derzeit rund 10 Millionen Franken. Allerdings sei der Bereich sehr intransparent.

Den Hauptanteil mache immer noch die Werbefinanzierung mit rund 2,5 Milliarden Franken pro Jahr aus, was knapp 60% der Gesamteinnahmen der publizistischen Medien entspreche. An zweiter Stelle folgten die öffentlichen Gebühren – Serafe-Gelder, Posttaxenverbilligung, Mehrwertsteuerverbilligung – von rund 1420 Millionen Franken. Den Anteil an Einnahmen durch Nutzerentgelte schätzt er auf 500 Millionen Franken pro Jahr.

Der Ausbau und die Umlagerung von öffentlichen Gebühren bedarf einer demokratischen Debatte, die einige Jahre beanspruchen wird. Absehbar ist auch, dass der Kampf zwischen den angeschlagenen Verlegern und den neuen innovativen Modellen erbitterter wird. Zumal die Verleger unverfroren lobbyieren und über traditionell gute Verbindungen in die Politik verfügen. Es wird an den Neuen und Unabhängigen sein, sich politisch besser zu organisieren und ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen, dass der Medienwandel eben auch eine Pionierzeit mit offener Entwicklung bedeutet.

Die Stossrichtung der Stiftungen, wie sie Judith Schläpfer skizziert, kommt ihnen entgegen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Guy Krneta, geboren in Bern, lebt als freier Autor in Basel. Er schreibt Theaterstücke und Spoken-Word-Texte. Krneta ist Mitinitiant der Aktion Rettet-Basel. Ausserdem ist er Vorstandsmitglied des Vereins Medienzukunft Basel, welcher die neue Basler Online-Plattform lanciert hat, sowie der Anlaufstelle Fairmedia.

    Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe Autorinnen und Autoren über Medien und Politik. Sie greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Zur Gruppe gehören u.a. Bernhard Bonjour, Rudolf Bussmann (Redaktion, Koordination), Silvia Henke, Mathias Knauer, Guy Krneta, Robert Ruoff, Alfred Schlienger, Felix Schneider, Linda Stibler, Ariane Tanner, Rudolf Walther, Matthias Zehnder.

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3 Meinungen

  • am 10.07.2019 um 13:30 Uhr
    Permalink

    Habe vor einiger Zeit ein politisches Seminar in D zum Sachverhalt besucht.
    Unter den Teilnehmern waren auch einige Studenten der Journalistik.
    Die haben berichtet, dass die Besten unter ihnen von polit. PublicRelation-Agenturen, Unternehmerverbänden u. Influencer-Stiftungen von Kapitalgewaltigen mit viel höheren Lohnangeboten und sonstigen Annehmlichkeiten den klassischen Print-Medien abgeworben werden.
    Es ist wie im Spitzen-Fussball, die Finanzstärkeren Top-Clubs kaufen den Fianzschwächeren Vereinen deren besten Spieler ab, oft nur damit letzere Spielschwächer sind und die abgekauften Spieler die Ersatzbank ergänzen dürfen.

  • am 11.07.2019 um 22:03 Uhr
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    Und was ist der Unterschied zwischen einer Medien-Finanzierung durch eine Stiftung, die von einem Reichen gegründet wird und der Medienunterstützung durch Ch. Blocher?

  • Portrait_GuyKrneta_2016
    am 12.07.2019 um 19:09 Uhr
    Permalink

    @Alex Schneider: Dass die Stiftung einen Stiftungszweck und einen Stiftungsrat hat und dadurch eine gewisse Transparenz gewährt ist. Aber ja, es gibt z.B. SVP-nahe Stiftungen, die anders funktionieren… Und es gibt auch andere parteinahe Stiftungen, die werden aber kaum unabhängige Medien fördern… Hier ist die Rede von Förderstiftungen, die in der Regel dem Gemeinwohl verpflichtet sind und nicht – wie es Blocher tat – direkt Einfluss nehmen z.B. auf die Besetzung von Redaktionsstellen. Die hier angesprochenen Stiftungen werden sich auch kaum politisch verorten lassen bzw. die erklärt liberale Vogt-Stiftung tut es bis zu einem gewissen Grad (siehe Stiftungszweck). Dennoch wird sich auch diese Förderstiftung hüten direkt parteipolitischen Einfluss nehmen zu wollen.

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