Kommentar

Die SVP spielt mit dem Feuer

Beat Allenbach © zvg

Beat Allenbach /  Die SVP ruft ihre Mitglieder zum aktiven Widerstand gegen die Asylpolitik des Bundes auf. Das ist einer Regierungspartei unwürdig.

Es hagelte Vorwürfe gegen Justizministerin Simonetta Sommaruga und den Gesamtbundesrat an der Delegiertenversammlung der Schweizerischen Volkspartei (SVP) am Samstag, 4. Juli, in Kerns im Kanton Obwalden. Aus der Sicht von Parteipräsident Toni Brunner macht die Justizministerin alles falsch – nicht nur in Bezug auf die Asylpolitik, sondern auch im Bereich der Einwanderung.
Das kurze Gedächtnis der Flüchtlingsabwehrer
In ihrer Vereinfachung der komplexen Probleme legte die SVP mit Blick auf die Nationalratswahlen vom kommenden Oktober noch einen Zacken zu. Die Menschen aus den Kriegsgebieten des Mittleren Ostens, welche die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer wagen, werden als Scheinflüchtlinge oder Illegale beschimpft, jetzt auch noch vom neuen Aushängeschild der SVP, Weltwoche-Chef und Nationalratskandidat Roger Köppel. Das zeugt von kaum zu überbietender Menschenverachtung. Es sind nur rund 150 Jahre her, da Schweizer, auch Schweizerinnen, zu Zehntausenden nicht dem Krieg, sondern der Not in unserem Land über das grosse Wasser nach Amerika entflohen. Diese Menschen hatten das Glück, dass damals in Amerika und anderswo genügend Raum für Einwanderer bestand. Die Migranten von heute haben hingegen das Pech, dass es kaum mehr menschenleere Räume gibt.
Ein Asylmoratorium für ein Jahr ist ein Rezept der SVP, um das Asylproblem zu entschärfen. Das ist eine unrealistische Forderung, das weiss die SVP-Leitung genau, und für eine Regierungspartei geht es nicht an, solches zu verlangen. Das Begehren, die Schweiz solle während eines Jahres keine Asylgesuche entgegennehmen, ist wirklichkeitsfremd. Angesichts der gegenwärtigen verheerenden Konflikte, z.B. in Syrien sowie in verschiedenen afrikanischen Regionen, kann die Schweiz, allein aufgrund ihrer Tradition, nicht einfach die Türen schliessen. Die Zahl der in der Schweiz eingereichten Asylgesuche ist die Folge der Häufigkeit internationaler Konflikte und von Bürgerkriegen; diese richten sich nicht nach den Wünschen der SVP. Zudem darf ein Asylsuchender nicht in ein Land zurückgeschickt werden, in welchem er Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt ist. Diese Schutzklausel ist in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert.
Doppelspiel der SVP-Politiker
Der Zentralvorstand der SVP hat überdies seine lokalen Sektionen aufgerufen, gegen jedes neue Asylzentrum «aktiv Widerstand zu leisten». Das ist ein Appell an die Mitglieder, Bund und Kantonen zu verunmöglichen, ihre Aufgabe im Bereich des Asyls zu erfüllen. Die SVP-Spitze überschreitet mit ihrem Aufruf die Grenze, die einer Regierungspartei gesetzt ist. Das Aufwiegeln ihrer Mitglieder gegen den Bund ist einer Regierungspartei nicht würdig. Es wäre Sache der anderen Regierungsparteien, Toni Brunner die Gefährlichkeit des Aufrufs des SVP-Zentralvorstandes bewusst zu machen.
Die SVP-Delegierten haben zudem in einem Brief an Justizministerin Sommaruga deren Untätigkeit und jene des Gesamtbundesrats nach der Annahme der Volksinitiative «gegen die Masseneinwanderung» scharf kritisiert. Die Schweizerinnen und Schweizer seien «besorgt über die unbegrenzte Zuwanderung und auch über die illegale Einwanderung», aber der Bundesrat tue nichts, heisst es. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass auch viele SVP-nahe Unternehmen und Gewerbebetriebe, weiterhin ausländische Arbeitskräfte einstellen. Das ist insofern sogar verständlich, als die Normen zur Anwendung der Masseneinwanderungs-Initiative noch nicht in Kraft sind. Unverständlich und widersprüchlich ist hingegen, dass viele SVP-Politiker sich weiterhin dafür einsetzen, mit tiefen Steuern reiche Ausländer und internationale Firmen in die Schweiz zu locken. Die Folge: Unternehmen, die sich neu in der Schweiz niederlassen, bringen einen guten Teil ausländische Arbeitskräfte mit sich oder holen sie im Ausland. Mit anderen Worten: SVP-Politiker tragen dazu bei, dass die Einwanderung von Arbeitskräften weiter angekurbelt wird, wettern aber gleichzeitig über die allzu hohe Einwanderung. Wann werden die Wähler und Wählerinnen das Doppelspiel der SVP-Politiker durchschauen?
Töne wie zu Schwarzenbachs Zeiten
Medienberichte und Interviews über die Delegiertenversammlung erinnerten an die Stimmung anlässlich der Versammlungen der Nationalen Aktion zu Zeiten von Nationalrat James Schwarzenbach. Wie damals ist der Groll gegenüber den Ausländern, aber auch gegenüber den Behörden zu spüren. Damals waren Schwarzenbach und seine vielen Anhänger Aussenseiter, alle Parteien, auch die damalige SVP, waren auf Distanz bedacht, aber heute vertritt die SVP Positionen wie jene von Schwarzenbach, doch sie ist keine Aussenseiterin, sie ist die stärkste Partei in der Schweiz. Das ist ein folgenschwerer Unterschied.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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10 Meinungen

  • am 7.07.2015 um 12:13 Uhr
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    Faschisten sind KEINE Menschenfreunde, dafür haben sie die Gaskammern erfunden. Dass die SVP geradezu nach amerikanischem Muster an Destabilisierung interessiert ist, ist doch schon seit langem evident. Nur in einem destabilisierten Land herrscht ausreichend Angst, um solche menschenverachtende Politik durchführen zu können. Erstaunlich ist nur, dass die bürgerlichen Parteien noch immer nicht begriffen haben worum es geht und weiter versuchen am rechten Rand ein paar Wähler – letztlich auf Kosten unserer Demokratie – zu fischen. Es ist vielleicht auch an der Zeit das rechts-links Denken aufzugeben und gemeinsam unsere Demokratie und unseren Staat vor den rechtsextremen Zerstörer zu retten

  • am 7.07.2015 um 13:44 Uhr
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    Raffiniert gemacht Herr Fritsche! Im ersten Satz sprechen Sie von Faschisten und Erfindern der Gaskammern. Unmittelbar schliesst sich dann im zweiten Satz die Erwähnung der SVP an. Eine beleidigende Äusserung kann man Ihnen so nicht vorwerfen. Und Ihr Image als moralisch hochstehender Gutmensch wird nicht angekratzt.

  • am 7.07.2015 um 14:43 Uhr
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    @Moning. .. und ist es nicht erstaunlich, dass inzwischen – zumindest in entsprechenden «Kreisen» Worte wie: Gutmensch (also Philanthrop!) Humanist, Intellektueller offensichtlich als Schipfwörter benutzt werden. Auch das ist eigentlich weniger eine Kennzeichnung der so Angesprochenen, sondern auch eine Aussage über eine doch recht bedenkliche geistige Haltung der in diesem Sinne Verwender socher Wörter. Wenn Gut und Mensch nur noch negativ konnotiert werden, wird dann das Böse zum Guten? Die Zerstörung zum Heil! Zur «Säuberung"? Klingt doch bekannt, irgendwie, oder?!

  • am 7.07.2015 um 14:45 Uhr
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    Die Menschenrechte abzuschaffen, Asylanten Lebensrecht verweigern ist da nur konsequent. Schöne neue Welt!

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 7.07.2015 um 15:46 Uhr
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    Ich habe noch immer nicht begriffen, warum die SVP nicht eine Initiative gegen Mückenstiche ergreift.

    Schon Dao ("Moustique") hat festgestellt, dass Mücken weder Grenzen noch soziale Klassenunterschiede respektieren und daher als Revolutionäre, als Ehebrecher, als Antiklerikale … zu betrachten seien.

    Ich warte immer noch auf die SVP-Initiative, welche den Mücken, und insbesondere den aus dem Ausland eingewanderten Mücken das Stechen verbietet und die entsprechenden kriminellen ausländischen Mücken sofort zur Ausschaffung inhaftiert.

    Sollte der Bundesrat nicht in der Lage sein, diese Initiative innert Jahresfrist umzusetzen, müsste eine Durchsetzungsinitiative lanciert werden, welche die Ausschaffung der unfähigen Bundesräte durchsetzt…

    Sollte der Toni das auch auf Brämen anwenden wollen, hätte ich nichts dagegen. Die fliegen ja sowieso über den Gotthard, haben also bei uns nichts verloren.

    Das war doch noch eine schöne Welt als man noch solchen Mist erzählen konnte, ohne Applaus zu erhalten. Heute wird das schon an die Urne gebracht und es gibt Leute, die stimmen für solchen Unsinn.

    Wir sind weit gekommen, seit unsere Vorfahren den berühmten Paradiesapfel gegessen haben.

  • am 7.07.2015 um 16:38 Uhr
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    @Hunkeler: Welch schöne Glosse! Danke.

  • am 8.07.2015 um 09:23 Uhr
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    Scheindemokraten mit Scheinlösungen….
    Tatsache ist, unser Land ist stark besiedelt und leider auch zersiedelt. Dies ist der «Rohstoff» für die Hatz, der schleichende Verlust der Heimat bzw des Heimatgefühls.
    Ich finde die Demagogie der SVP-Führer auch zum Material husten…
    Doch mit bekämpfen der Unsitten alleine wird die Partei mit den Scheinlösungen in die Absolutheit gehoben.
    Weshalb denn wollen soviele Menschen in unser Land kommen? Sie folgen den Geldströmen! Und genau hier ist der grosse Fehler diese Partei, sie verstehen den Zusammenhang von Kapitalflüssen und Migration nicht. Und kürzlich hat unser Parlament gar die Verjährung von diktatorischem Raubgeld beschlossen. Der Zustrom von Geld stärkt unsre Währung weiter und gefährdet den Werkplatz Schweiz. Und trotzdem wollen gewisse Kreise (nicht nur SVP) noch mehr Geld anziehen, das andernorts dann fehlt.
    Wie wärs denn, wenn wir z.B. Estland, das grösser ist als die Schweiz und keine unbewohnbaren Berge hat, jedoch nur etwa 1,5 millionen Bewohner zählt etwas von unsrem Überfluss abgeben würden, aufdass dort der Wohlstand wachsen möge und für Migranten attraktiver würde?

  • am 8.07.2015 um 09:49 Uhr
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    Der Argumentation von Urs Lachenmeier kann ich mich ohne Einschränkung anschliessen – auch was die inkonsequente Haltung der SVP-Parlamentarier anbelangt. Gewisse einflussreiche Kreise in unserem Land wollen nicht nur immer mehr Geld anziehen, sondern auch (günstige) Fachkräfte, die dann in den Herkunftsländern fehlen. Warum plant man gegenwärtig mit der Unternehmenssteuer-Reform, die Steuerlast vermehrt von den Unternehmen auf die Privaten zu verlagern, um ausländische Unternehmen anzuziehen, deren Mitarbeiter dann in unser bereits übervölkertes Land importiert werden müssen? Für die breite Bevölkerung resultiert daraus nur ein Verlust an Lebensqualität!

  • am 8.07.2015 um 10:45 Uhr
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    In diesem Zusammenhang sind auch die Anschuldigungen gegenüber ausländischen (Mit)Arbeitern interessant, sie würden Lohndumping betreiben. (Schöne Beispiele im Tessin! )Es sind aber die Unternehmer, die die Lage ausnützen und tiefer Löhne bezahlen. Wohl keiner würde sich dagegen wehren den üblichen Lohn zu erhalten. Ebenso interessant ist, dass bei diversen Fakultäten Numerus Clausus herrscht, die Ausbildungskosten sozusagen ausgelagert werden, um dann zu klagen, dass nun ausländische Fachkräfte «importiert» werden müssen. (Vergl. Reaktionen gegen deutsche Ärzte in der Schweiz)

  • am 15.08.2015 um 09:19 Uhr
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    Im Artikel von Herrn Allenbach kommt schön zur Geltung, wie in der SVP (und in grossen Teilen der Bevölkerung) zwei sich widerstrebende Haltungen zur Migration herrschen: Die einen wollen eine Begrenzung der Zuwanderung, um der abnehmenden Lebensqualität entgegen zu wirken; die anderen wollen möglichst viele billige Arbeitskräfte, um ihre Gewinne zu steigern. Dumm nur, dass sich zu den wirtschaftlich motivierten Öffnungskräften auch noch die linken Offenheitsfanatiker gesellen. Dabei sollte jedem vernünftigen Menschen klar sein: Weder eine Abschottung, noch eine völlige Öffnung erträgt die Schweiz (und kein Land) langfristig. Die Schweiz muss lernen, wieder einen Weg der goldenen Mitte zu finden.

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