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«Wir wollen auch in die Schlacht ziehen - und für unser Vaterland sterben.» Jugendliche in Selenduma. © Baikal Journal (Yevgeny Konoplev)

«Niemand kann etwas dafür, dass diese Kriege stattfinden»

Karina Pronina /  Weit weg von Moskau trauert ein kleines russisches Dorf um einen gefallenen Soldaten – und erinnert sich. Reportage aus Burjatien.

psi. Diese Reportage wurde zuerst vom russischen Lokalmagazin Baikal Journal produziert. Das oppositionelle russische Medium Meduza übersetzte den Artikel ins Englische. Infosperber hat die Reportage nun ins Deutsche übesetzt, weil sie sich mit der Haltung von Angehörigen russischer Soldaten weitab von Moskau auseinandersetzt und so einen seltenen Einblick in den Umgang von Teilen der russischen Bevölkerung mit Putins Angriffskrieg geben kann.

1. «Man kann diese Soldaten nicht zurückbringen»

Eine singende Stimme kommt aus dem Kulturhaus in Selenduma: «Wir wachsen zu mutigen Jungs heran, wir werden alle zur Armee gehen, wenn es soweit ist.» Zwei Fünftklässler vor dem Gebäude singen mit, während sie versuchen, Rissen im Trottoir auszuweichen.

«Was ist ein Patriot?» fragt die Korrespondentin des Baikal Journals einen von ihnen.

«Das sind Leute, die ihr Heimatland verteidigen. Makar, was haben sie uns noch gesagt?»

Makar runzelt die Stirn und versucht, sich zu erinnern: «Sie sind bereit, in den Kampf zu ziehen und zu sterben!»

Er holt eine Flasche Coca-Cola aus seinem Rucksack und nimmt einen Schluck. «Wir wollen auch in die Schlacht ziehen – und für unser Vaterland sterben», fügt er hinzu.

Selenduma liegt im Bezirk Selenginsky in der russischen Teilrepublik Burjatien, etwa 160 Kilometer von der Hauptstadt, Ulan-Ude, entfernt –über 4000 Kilometer östlich von Moskau. Das Dorf ist von Steppe und Hügeln umgeben. Im 20. Jahrhundert zogen Menschen aus der ganzen Sowjetunion hierher, um in einer Maschinenreparaturfabrik zu arbeiten, darunter Russen, Burjaten, Tataren und Armenier. Infolgedessen «mischten sich Menschen unterschiedlicher Herkunft, und niemand machte irgendjemandem Schwierigkeiten», so ein Einwohner.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das Werk geschlossen und das Dorf begann sich rasch zu entleeren. Heute leben hier nur noch 2700 Menschen – etwa ein Viertel im Vergleich zur späten Sowjetzeit. Es gibt viele verlassene Häuser, aber nur sehr wenige Bäume. Es ist schwer, Arbeit zu finden, so dass viele Männer als Vertragssoldaten zur Armee gehen.

23 Soldaten aus Selenduma haben sich in die Ukraine begeben, um sich der russischen «militärischen Sonderoperation» anzuschliessen – etwa ein Prozent der Dorfbevölkerung. Mitte März wurde der 19-jährige Selendumaer Andrej Dandarov im Krieg getötet; sein Leichnam wurde kurz darauf nach Hause überführt und auf dem Dorffriedhof beigesetzt.

Eine Woche nach der Beerdigung veranstaltete das Dorf eine Autokundgebung unter dem Motto «Wir lassen die Seinen nicht im Stich» – einem Slogan des russischen Militärs. Und jetzt, zwei Wochen später, findet ein patriotischer Gesangswettbewerb mit dem Titel «Der Umschlag des Soldaten» statt.

«Die Trauer ist verständlich», sagt die Leiterin des Kulturhauses Selenduma, Inga Schornikowa, «aber man kann diese Soldaten nicht zurückholen. Und wir müssen dafür sorgen, dass unsere jungen Leute verstehen, dass all diese Männer für uns gestorben sind. Auf diese Weise können wir weiterhin in Frieden leben.»

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Das Dorf Selenduma nahe der Grenze zur Mongolei.

2. «Das müssen wir unseren jugendlichen Zuhörern beibringen»

Schornikowas kurzes Haar flattert im Wind, als sie im Türrahmen steht, im Gegenlicht der Sonne. «Fangen wir an», ruft sie, und die Schüler strömen in einer einzigen Reihe in die Aula. Sie sind hier für den patriotischen Gesangswettbewerb «Der Umschlag des Soldaten». Die Hälfte von ihnen trägt sowjetische Militärkittel oder Tarnuniformen, die andere Hälfte trägt weisse Hemden und Anzughosen. Alle haben Garnisonsmützen auf.

Die 12-jährige Marina ist eines der ersten Kinder, die auftreten. Auf ihrem weissen Hemd ist ein St.-Georgs-Band in Form des Buchstabens Z gefaltet. Ein anderes Mädchen starrt Marina aus dem Publikum an; sie trägt fast genau dasselbe Outfit, nur das Band auf ihrem Hemd hat die traditionelle Form eines Kreuzes. «Ich habe dir doch gesagt, dass wir Zs machen sollen», flüstert das Mädchen ihrer Freundin zu.

Eine Woche nach dem Konzert denkt Inga Schornikowa immer noch intensiv über ihre Rolle in der Gemeinde nach. Sie trägt eine grosse Verantwortung, sagt sie, denn das Kulturhaus und andere Gemeindezentren sind die wichtigsten Orte, um der jungen Generation ein Gefühl von Patriotismus zu vermitteln.

«In der Schule fühlen sich die Kinder eingeengt, eingesperrt», sagt sie. «Aber bei uns haben sie die Freiheit. Welches Lied sie auch immer singen wollen, sie können es singen. Hier kann die Saat des Patriotismus fest in ihre Köpfe gepflanzt werden. Das ist etwas, das wir unserem jugendlichen Publikum aktiv aufzwingen müssen.»

Schornikowa ist begeistert davon, noch mehr patriotische Veranstaltungen zu organisieren. «Wenn sich der Faschismus [in der Ukraine] manifestiert, bedeutet das, dass wir wirklich etwas verpasst haben», sagt sie. «Wir müssen unser Sprechen, Schreiben, Singen und sogar unsere Vorträge über Patriotismus um das Zwei- oder Dreifache steigern, um sicherzustellen, dass wir jedem Kind klarmachen, was für ein Alptraum der Faschismus ist.»

Schornikowa plant und choreografiert alle patriotischen Veranstaltungen in Selenduma, von der Auto-Parade bis zur Gedenkveranstaltung für Andrej Dandarov. Sie wollte, dass die Auto-Parade «effektiv und wunderschön» ist. Sie sah sich in den sozialen Medien an, wie ähnliche Veranstaltungen in anderen Bezirken aussahen, und ein Kommentar zu einem der Videos erregte ihre Aufmerksamkeit: «Was ist der Zweck dieser Autoparade? Ihr habt euer Auto und eure Flagge zur Schau gestellt – na und? Das bringt unseren Jungs da draussen in den Schützengräben überhaupt nichts.»

Schornikowa stimmte zu. Nach einiger Überlegung beschloss sie, die Parade mit einem Kinderfussballturnier und einer Versorgungsaktion für die Soldaten in Selenduma zu kombinieren. «Eine Auto-Parade ist toll, aber wir müssen unseren Soldaten wenigstens ein paar Wollsocken schicken», sagt sie. «Eine Zahnbürste oder ein Brief aus der Heimat – das ist einfach so bewegend! Oh, ich fange gleich an zu weinen.»

Sie wird still und holt tief Luft. «Wisst ihr», sagt sie nach einem Moment, «die Kameraden unseres lieben Andrej Dandarov, möge er in Frieden ruhen, sind gerade auf Urlaub. Sie haben den Eltern von Andrej eine Nachricht geschickt: Wenn unser Urlaub zu Ende ist, werden wir [zurück in die Ukraine] gehen und Andrejs Tod zu 100 Prozent rächen.»

Inga Schornikowa unterstützt die «spezielle Militäroperation». Sie ist der Meinung, dass die ukrainische Zivilbevölkerung vor den Nationalisten gerettet werden muss, die sie als «Schläger und Wahnsinnige» bezeichnet.

3. «Ein Gesicht, das irgendwie russisch ist und irgendwie auch nicht»

«Andrejs Mutter war Russin und sein Vater Burjat. Wenn man ihn ansieht, sieht man ein Gesicht, das irgendwie russisch ist und irgendwie auch nicht», sagt der Leiter der Dorfverwaltung Zydendordzhi Buyantuyev.

Die Mutter von Andrej Dandarov starb, als er drei Jahre alt war. Da sein Vater nicht bei der Familie lebte, wurden Andrej und sein älterer Bruder Alexander von ihrer Grossmutter aufgezogen, die jedoch starb, als Andrej 16 Jahre alt war. Um zu verhindern, dass Andrej in ein Waisenhaus kommt, erklärte sich eine Nachbarin, Maria Tkatschewa, bereit, die Vormundschaft für ihn zu übernehmen.

Alle Einwohner von Selenduma, mit denen die Journalistin sprach, stimmten überein, dass Andrej Dandarov ein herzensguter Mensch war. Auf jedem Foto lächelt er. Andrej hat immer jemandem geholfen», sagte sein Sportlehrer Dandar Nikolayev. «Er hat den Jungs, die schlecht im Klimmzug waren, gezeigt, wie sie sich verbessern können.» Nikolayev zufolge war Andrej in ausgezeichneter körperlicher Verfassung und ein fähiger Langstreckenläufer.

In der Mittelstufe ging Dandarov regelmässig in den Kazachok-Kinderclub des Dorfes, wo die Kinder Kosakenlieder sangen, tanzten und Sport trieben. «Die Kosakenkultur hat uns den Wunsch eingeimpft, zu gewinnen», sagt Aljona Golykh, eine Freundin von Andrej. «Und Andrej mochte das. Alles dort hatte einen militärischen, patriotischen Stil, und ich glaube, deshalb beschloss er, sein Leben mit der russischen Armee zu verbinden.»

Aljona erinnert sich noch an den Text eines von Andrejs Lieblingsliedern, das er sang: «Hey, Kosaken, hey, Jungs, warum trauern wir? Es macht so viel Spass, den Feind mit einem scharfen Schwert zu zerhacken.»

Nach der Oberstufe schrieb sich Dandarov an einer landwirtschaftlichen Hochschule ein, brach das Studium aber bald wieder ab und wurde kurz darauf zur Armee eingezogen. Ein Video in den sozialen Medien zeigt, wie seine Familie ihm zum Geburtstag gratuliert und ihm einen Kuchen schenkt. «Komm her», sagt seine Betreuerin Maria Tkacheva. «Du bist mein Junge. Alles Gute zum Geburtstag! Herzlichen Glückwunsch zur Einberufung!» Der kurzhaarige Dandarov lächelt und pustet die Kerzen aus. In einem anderen Video legt Dandarov in Uniform und mit einem Maschinengewehr in der Hand auf dem Übungsplatz seinen militärischen Eid ab. Seine Stimme ist nur schwer zu verstehen, da andere Soldaten rufen: «Ich diene Russland!»

Andrej Dandarov feierte seinen Geburtstag am 31. Juli 2021. Im Herbst dieses Jahres wurde er zur 11. Luftlandebrigade der Garde in Ulan-Ude eingezogen, und im Dezember unterzeichnete er einen Vertrag. Im Januar wurde er zur Ausbildung nach Noworossijsk geschickt, und im Februar wurde er zu einer «besonderen Militäroperation» entsandt. Am 12. März wurde er in der Ukraine getötet.

Dandarovs nahen Verwandten weigerten sich, mit Journalisten zu sprechen. Sein Bruder Alexander schrieb: «Ich kann keine detaillierten Informationen geben.»

Dandarovs ehemalige Betreuerin, Maria Tkacheva, erklärte sich zunächst zu einem Gespräch bereit, sagte aber am Telefon, dass sie nicht als «nahe Verwandte» von Andrej gelte und daher keinen Anspruch auf eine Entschädigung für seinen Tod durch die Regierung habe. Bevor sie sich jedoch mit der Journalistin persönlich traf, stattete Maria dem Einberufungsbüro einen Besuch ab. «Ich muss all diesen Militärkommandanten in die Augen sehen», schrieb sie. Nach einem Gespräch mit den Beamten dort sagte Tkacheva das Treffen jedoch ab und schrieb: «Wir werden das Interview nicht führen. Die Militäreinheit hat uns gebeten, es nicht zu tun.»

Als die Journalisten versuchten, seinen Bruder Alexander Dandarov zu erreichen, rief Tkacheva zurück und schrie in das Telefon: «Wenn Sie nicht aufhören, gehe ich zu den Behörden.»

Tkacheva konnte jedoch sagen, dass sie die «spezielle Militäroperation» unterstützt.

4. «Die Leute an der Spitze wissen es besser»

Andrej Dandarov wurde im Beisein seines gesamten Dorfes beigesetzt. Der Sarg mit seinem Leichnam wurde vom Haus der Kultur, wo die Trauerfeier stattfand, zum Friedhof getragen, eine Strecke von etwa einem Kilometer. Auf dem Weg dorthin wurde ein Zwischenstopp an Dandarovs Elternhaus eingelegt. Die örtlichen Behörden raten Journalisten davon ab, dorthin zu gehen, da es «unangenehm» sei. Den Beamten zufolge gäbe es dort «Verwandte mit einem Alkoholproblem – Sie verstehen». Wir gehen trotzdem hin, vielleicht gibt es dort Verwandte von Andrej, die mit uns sprechen wollen.

In dem Haus wohnt derzeit Andrejs Onkel Sergej. Eine nagelneue russische Flagge weht über dem Gebäude, und ein zotteliger Hund schläft draussen im staubigen Hof. Die Tür ist verschlossen, also kommt ein Nachbar namens Wjatscheslaw vorbei, um zu helfen, indem er wiederholt gegen die Tür tritt: «Sergej, mach auf! Einige Journalisten sind hier. » Nach einer Weile wird Wjatscheslaw müde und beginnt zu murmeln. «Andrej ist für die Ukraine gestorben – zum Teufel mit diesen verdammten Banderisten [Red. Anhänger Stepan Banderas]. Ein verdammter 19-jähriger Junge, verdammt noch mal. Und sie nehmen mich nicht. Ich bin zum Einberufungsbüro gegangen, und sie sagten mir, ich solle nach Hause gehen und mich ausruhen.»

Es stellt sich heraus, dass Sergej gerade nicht zu Hause ist, aber seine Freundin Nadeschda öffnet schliesslich die Tür. Sie lässt uns nicht in das Zimmer, in dem Andrej lebte, «es ist zu schmutzig». Aber sie lässt uns in den Hauptraum, wo es einen kleinen Gedenkbereich für Andrej gibt. Nadeschda und Sergej haben ihn gleich nach der Beerdigung gemeinsam eingerichtet. Auf dem Schrank liegt die zerknitterte russische Flagge, die bei der Beerdigung von Dandarov den Sarg bedeckte.

Auf der Fahne liegt ein Porträt von Andrej, seine Fallschirmjäger-Mütze, sein Tapferkeitsorden auf einem roten Kissen, eine Ikone, ein Glas mit einem vertrockneten Pfannkuchen darin. Nadeschda sagt uns, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie ein so «anständiges» oder «ehrenvolles» Begräbnis wie das von Andrej gesehen hat. Dann zuckt sie mit den Schultern: «Er war so bescheiden, so wortkarg, aber es kamen so viele Leute zu seiner Beerdigung – Sie hätten die Reden hören sollen, die sie gehalten haben.»

Nadeschdas Sohn ist ebenfalls in der Armee, aber er wurde noch nicht in die Ukraine geschickt. Wenn sie an ihren Sohn denkt, fängt Nadeschda an zu weinen.

Auf die Frage, ob die «besondere Militäroperation» in der Ukraine notwendig ist, kann Nadeschda nicht antworten. «Ich verfolge die Politik nicht. Ich weiss nicht, was dort notwendig ist und was nicht», sagt sie. «Wir sind keine wichtigen Leute – es gibt nicht viel, was wir tun können, um die Situation in unserem Land oder in der Welt zu beeinflussen. Wir leben einfach unser Leben. Und am Ende des Tages ist das offen gesagt über unserer Gehaltsklasse. Denn es gibt einige Situationen, aus denen wir einfach nicht herauskommen können. Die Leute an der Spitze wissen es besser.»

Sie schaut auf das Porträt von Dandarov. «Die Tatsache, dass starke junge Männer sterben, tut mir im Herzen weh», sagt sie. «Es ist nicht richtig, dass so junge Leute sterben. Er hatte keine Zeit, etwas in seinem Leben zu tun. Keine Familie, keine Kinder. Und jetzt ist es vorbei. »

Nadeschda hat nicht an der Parade teilgenommen, weil sie nichts davon wusste. «Aber wenn ich es gewusst hätte, wäre ich sicher dabei gewesen», sagt sie, während die Tränen auf ihren Wangen trocknen. «Als Tribut an die Verstorbenen.»

Nadeschda unterstützt die «spezielle Militäroperation». Sie glaubt, dass man in Zeiten wie diesen «auf der Seite des Heimatlandes stehen muss, denn das ist das Patriotischste, was man tun kann.»

5. «Was können sie hier schon tun, ausser zur Armee zu gehen?»

«Natürlich sind wir hier alle Patrioten», sagt Larisa Kazachikhina, eine Hausmeisterin der Schule in Selenduma. Sie trägt einen blauen Rock mit einem Muster aus weissen Vögeln, vielleicht Tauben. «Wenn sie mich [zur Teilnahme am Krieg gegen die Ukraine] auffordern würden, würde ich ohne zu zögern gehen.»

Kazachikhina steht in einer Schlange in einem dunklen Flur des Dorfverwaltungsgebäudes, wo sie einen Termin hat. An der Wand zu ihrer Linken hängen Porträts von jungen Männern aus Selenduma, die in verschiedenen Kriegen gefallen sind. Einer von ihnen ist Andrej Dandarov.

Die beiden Söhne von Kazachikhina sind Vertragssoldaten. Sie sind 22 und 24 Jahre alt und befinden sich derzeit beide in der Ukraine. Der Ältere ruft jedes Mal zu Hause an, wenn sich die Gelegenheit bietet; der Jüngere ruft nur selten an.

Wenn Kazachikhina über die Sorgen um ihre Söhne spricht, zuckt sie mit den Schultern. «Das ist schon in Ordnung», sagt sie. «Wir fixieren uns einfach nicht auf die Tatsache, dass dort etwas passiert. Wir wissen nur, dass sie im Dienst sind.» Kazachikhina sagt, dass andere Dorfbewohner sie manchmal dafür verurteilen, dass ihre Söhne zur Armee gegangen sind. «Sie meinen, wenn ich sie besser unterrichtet hätte, wären sie etwas anderes geworden und nicht Soldaten. Das ist beleidigend. Was sollen sie denn sonst hier machen? »

«In der Schule war er ein mickriges kleines Ding mit seiner Brille», sagt sie über Andrej Dandarov. «Aber sehen Sie, was für ein Soldat er geworden ist. Bis zu seinem Tod wusste ich nicht einmal, dass er einen Vertrag unterschrieben hatte.»

Swetlana Zydypowa, die Direktorin der Schule, war ebenfalls überrascht, als sie erfuhr, dass Dandarov der Armee beigetreten war. «Er hatte ganz andere Interessen. Er war besser für die Geisteswissenschaften geeignet. Ich hätte nicht erwartet, dass Andrej sein Schicksal mit der Armee verknüpft.»

Die Journalisten treffen Zydypowa in der Schule, wo sie im Raum des Kriegsdenkmals eine Geschichtsklasse unterrichtet. Hinter ihr hängen Porträts von Einwohnern Selendumas, die in vergangenen Kriegen und «speziellen Militäroperationen» ums Leben gekommen sind; ein Porträt von Dandarova wurde kürzlich hinzugefügt. Zydypowa stützt ihre kreidebleichen Finger auf das Pult vor ihr; auch ihre Söhne dienen derzeit in der Ukraine.

«Die Haare meines Sohnes sind ergraut, und er ist erst 24 Jahre alt», sagt sie leise. «Ich habe unter einem Panzer gelegen und bin unter Beschuss geraten›, erzählt er mir, ‹aber ich habe keine Waffe abgefeuert.› Ich frage ihn, warum. Und er sagt: «Wen willst du denn erschiessen, Mama, wenn endlose Granaten vorbeifliegen und Scharfschützen auf dich schiessen?»

Als ehemalige Direktorin von Andrej Dandarov wurde Zydypowa eingeladen, bei seiner Beerdigung eine Rede zu halten, aber sie lehnte ab. «Wegen meines Sohnes könnte ich mich nicht zusammenreissen», sagt sie, noch leiser. «Weil ich als Mutter verstehe, was dort passiert.»

Svetlana Zydypowa unterstützt die «spezielle Militäroperation». Sie ist der Meinung, dass «acht Jahre lang niemand die schrecklichen Dinge beachtet hat, die die Nazis, die Banderisten, getan haben».

6. «Sie verstehen, was es heisst, ein Mutterland zu haben»

386 Einwohner Selendumas dienten im Zweiten Weltkrieg. 180 von ihnen starben – fast die Hälfte. Zum Gedenken an sie wurde im Dorf ein Denkmal errichtet, und alle ihre Namen wurden auf Tafeln eingemeisselt. In den Jahren seither wurde es offensichtlich vernachlässigt.

Heute sind die Einwohner von Selenduma am meisten stolz auf den Gedenkplatz zu Ehren der Soldaten, die in Tschetschenien und Afghanistan gefallen sind. Er wurde 2018 errichtet und ist der einzige Platz im Dorf, der mit Ziegeln gepflastert ist. In der Mitte des Platzes befinden sich schwarze Marmorblöcke mit den Namen und Porträts der Soldaten. Auf der rechten Seite befindet sich die Dorfbibliothek und auf der linken Seite eine orthodoxe Kirche; beide Gebäude sind geschlossen. Hinter einem nahe gelegenen Zaun steht eine Haubitze aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs – ein Geschenk einer Organisation namens «Brotherhood In Arms» an das Dorf. Das Rohr der Haubitze ist auf die Kirche gerichtet.

An der Vorderseite des Tores hängt ein Schloss; die Schlüssel werden in einem nahe gelegenen Laden aufbewahrt. «Es gab ein paar asoziale Leute, die hier gerne sassen und tranken», sagt Buyantuyev, als er den Schlüssel holen geht. «Deshalb mussten wir den Platz abriegeln.»

Jetzt wird der Platz nur noch geöffnet, wenn eine Kundgebung oder eine Gedenkveranstaltung stattfinden soll.

Sobald die russische «militärische Sonderoperation» beendet ist, wird das Dorf ein weiteres Denkmal auf dem Platz errichten, diesmal zu Ehren von Dandarov. «Ich hoffe, dass nicht noch mehr von unseren Leuten getötet werden», sagt Buyantuyev. «Auch wenn es eine grosse Tat ist – sein Leben für die Freiheit, für eine bessere Zukunft zu geben. Ich glaube nicht, dass diese Soldaten vergeblich sterben.» Seiner Meinung nach sind patriotische Kundgebungen und Demonstrationen auch deshalb wichtig, weil sie «die innere Haltung der Menschen zeigen».

Auf die Frage, warum sich junge Einwohner von Selenduma als Vertragskämpfer der Armee anschliessen, schweigt er lange. «Ich muss mir überlegen, wie ich das richtig sage», sagt er. «Wenn ich sage, dass es schwierig ist, sich irgendwo einzuschreiben, ist das auch nicht ganz richtig. Sie folgen wahrscheinlich dem Beispiel ihrer älteren Kameraden. Die Bezahlung ist gut und verlässlich – also dienen sie. Und dann ist da noch die Tatsache, dass unsere Jungs anders sind als andere – sie verstehen, was es heisst, ein Mutterland zu haben.»

Tsydendordzhi Buyantuyev unterstützt die «besondere militärische Operation». Er glaubt, dass es «das Richtige» ist.

7. «Ich weiss nicht, was wir erreicht haben, aber die Leute waren glücklich»

Die patriotische Kundgebung in Selenduma fand eine Woche nach Dandarovs Beerdigung statt. Einige Tage vor dem Umzug begannen die Dorfläden mit dem Verkauf russischer und burjatischer Fahnen, damit die Leute ihre Autos damit schmücken konnten. Kleine Fahnen kosteten 150 Rubel [etwa 2 Franken] und grosse Fahnen ab 500 Rubel [etwa 7 Franken]. Die Dorfbewohner kauften sie alle.

Die Kundgebung begann in der Nähe des Fussballplatzes der Schule, wo zur gleichen Zeit das Fussballturnier für Kinder stattfand. Zu Beginn wandte sich die Leiterin des Kulturhauses, Inga Schornikowa, an die Menge. «Heute veranstalten wir eine Auto-Parade und ein Turnier zur Unterstützung der militärischen Sonderoperation in der Ukraine», erklärte sie ins Mikrofon und hob dann ihre freie Hand in die Luft. Die Menge schwenkte ihre weissen, blauen und roten Luftballons und rief: «Hurra!» Die Fussballspieler trugen eine riesige russische Flagge durch die Menge. Dann gingen die Erwachsenen zu ihren Autos, während die Kinder zurückblieben, um Fussball zu spielen.

54 Wagen nahmen an der Parade teil, die durch die vier Hauptstrassen des Dorfes führte: Shkolnaya, Lenin, Traktovaya und Molodyozhnaya. Fast keine der Strassen ist gepflastert, so dass die Wagen von Staubwolken umgeben waren. In einigen Abschnitten waren die Schlaglöcher so zahlreich, dass die Fahrer abbremsen mussten.

Auf dem Platz neben dem Siegesdenkmal hielten alle an. Die Fahrer ordneten ihre Autos in der Form des Buchstabens Z an. Eine Drohne, die eigens für diesen Anlass von den Beamten des Dorfes bestellt worden war, hob in die Luft ab und machte ein Foto vom Z und von allem, was es umgab: dem verlassenen Kaufhaus, den Ruinen des Fabrikschlafsaals, dem staubigen Platz und den alten Pappelbäumen.

Der Einwohner von Selenduma, Sergej Yeransky, half bei der Planung der Parade. Auf die Frage nach dem Zweck der Veranstaltung antwortete er:

«Ich würde sagen, zu Ehren der besonderen Militäroperation, zu Ehren von Putin. Um zu zeigen, dass Russland unbesiegbar ist. Ich weiss nicht, was wir am Ende erreicht haben, aber alle waren glücklich. Sie schwenkten die Fahnen und Luftballons mit grosser Begeisterung. Das war wirklich schön anzuschauen.»

Yeransky war in den 1980er Jahren Wehrdienstleistender und stand kurz davor, nach Afghanistan geschickt zu werden. «Wir standen mit unseren Decken auf dem Truppenübungsplatz und warteten darauf, losgeschickt zu werden», sagt er. «Aber jemand gab den Befehl, dass wir bleiben sollten.»

Rückblickend glaubt Yeransky, dass er wahrscheinlich bereit war, nach Afghanistan zu gehen, «weil ich jung war und nichts im Kopf hatte». Jetzt ist er 60 Jahre alt und wünscht sich, er könnte als Freiwilliger an der «speziellen Militäroperation» in der Ukraine teilnehmen. «Aber jetzt wäre ich nicht mehr von Nutzen, ich wäre nur im Weg. Ich bin nicht mehr in diesem Alter», sagt er und zuckt mit den Schultern.

Sergej Yeransky unterstützt die «spezielle Militäroperation». Seiner Meinung nach besteht ihr Hauptziel darin, «der Welt Frieden zu bringen».

8. «Sie waren so gute Jungs»

Die Verwaltungsangestellte des Dorfes Selenduma, Olga Dunayeva, sammelt Pakete, die sie an die Soldaten in der Ukraine schicken will. Sie führt die JournalistInnen in ihr Büro, wo die Tische, Stühle und der Boden mit Pappkartons bedeckt sind; alle Kartons sind mit Z-Aufklebern versehen. Einer der Kartons ist mit «Wodka» beschriftet. Über der Schachtel ist das russische Wappen abgebildet.

Dunayeva hat die Bewohner von Selenduma gebeten, nur eine bestimmte Anzahl von Gegenständen mitzubringen; die Liste umfasst Süssigkeiten, Kekse, geräucherte Wurst, Fleischkonserven, Socken, Unterhemden, Unterwäsche, Tee und Kaffee, Instant-Brei, Duschgel, Seife, Feuchttücher und Handdesinfektionsmittel. In der Ankündigung des Aufrufs heisst es, dass dem Paket «ein Brief oder eine Postkarte mit Worten der Unterstützung für unsere Jungs» beiliegen sollte.

«Sieh mal, was jemand da hingeschrieben hat», sagt Olga und zieht eine Seite aus einem Schulheft heraus, auf der die Handschrift eines Kindes zu sehen ist. Die Nachricht wurde von einem Achtjährigen namens Serjosha geschrieben. «Hallo Soldat, ich hoffe, dass du gewinnst», steht da. «Ich hoffe auch, dass du nicht stirbst. Wir werden auf deine Rückkehr warten, danke, mein Onkel ist da.» Neben den Worten ist das Bild eines Soldaten zu sehen, der eine schwarze Fahne und etwas hält, das wie ein Gewehr aussieht.

Dunajewa schüttelt den Kopf. «An Patriotismus mangelt es in Selenduma sicher nicht», sagt sie. Ihr zufolge liegt den Dorfbewohnern so viel an den Soldaten, dass sie in nur wenigen Tagen 150 Kilogramm Lebensmittel und Reinigungsmittel gesammelt haben.

«Die Menschen verändern sich auch politisch», betont sie. «Die Leute sagen: ‹Jetzt unterstütze ich Putin›. Auch wenn sie ihn vorher nicht unterstützt haben. Das ist die Art von Menschen, die wir in Selenduma sind.»

In den 1980er und 1990er Jahren war Dunajewa für die Verteilung der Einberufungsbescheide an die Männer des Dorfes zuständig. Sie war auch für die Entgegennahme der Särge von Soldaten aus dem Dorf zuständig, die in Afghanistan und Tschetschenien gefallen waren. Sie erinnert sich, wie alle im Dorf weinten, weil «sie so gute Jungs waren». Ihrer Meinung nach waren die Menschen so bestürzt, weil «in Selenduma alle miteinander verwandt sind, ob nah oder fern».

1984 wurde die Leiche des 21-jährigen Alexander Malygin in einem Zinksarg in das Dorf gebracht, nachdem er in Afghanistan gefallen war. Bei der Gedenkfeier sass Dunayeva neben der Mutter des Jungen. «In dem Sarg war ein kleines Loch, und darin befand sich ein weisser Stoff. Und seine Mutter zog daran. Sie wollte ihren Sohn sehen, verstehen Sie? Ein anderer junger Soldat, der in der Nähe war, sagte: ‹Oh, nein, tu das nicht, ich werde bestraft›, also hörte sie auf. Aber später, nach der Beerdigung, sagte sie mir: Ich werde mir nie verzeihen, dass ich nicht nachgesehen habe, ob mein Kind da drin ist. Ich hätte ihn öffnen und nachsehen sollen», sagte Dunayeva.

1995 kamen die ersten Särge aus Tschetschenien in das Dorf. In diesem Jahr starben gleichzeitig drei Soldaten aus dem Dorf. Einer war 19 Jahre alt, die beiden anderen waren 18. «Wir sprachen mit ihren Verwandten, und sie weinten, aber sie sagten, niemand sei schuld am Tod der Jungen. Es ist einfach Schicksal. Niemand kann etwas dafür, dass diese Kriege stattfinden», sagt Dunayeva. Neben ihr steht eine Schachtel mit der Aufschrift: «Für die lieben Soldaten von Selenduma vom Team des Schlachthofs.»

Olga Dunajewa unterstützt die «spezielle Militäroperation» in der Ukraine, weil sie «Russlands einzige Hoffnung» ist.

9. «Niemand dachte, dass es einen weiteren Krieg geben würde»

Im Jahr 2000, während des Zweiten Tschetschenienkriegs, starb der 21-jährige Andrej Nikonov aus Selenduma. Seine Eltern leben noch immer in dem Dorf. «Zuerst konnte ich nicht verstehen, warum Andrej in dieser speziellen Operation starb – ich meine, wofür war sie?» sagt seine Mutter, die 72-jährige Taklina Nikonova. «Dann begann ich nach und nach zu verstehen, dass es darum ging, Russland davor zu bewahren, sich langsam weiter aufzuspalten. Es muss intakt bleiben. Und irgendwie begann ich zu verstehen.»

Nikonova und ihr Mann wohnen in einem Haus in der Nähe der Bahngleise. Oft fahren Güterzüge mit Kohle und Holz vorbei. Gegenüber ihrem Haus liegt ein verlassenes Grundstück, auf dem mehrere Kühe zwischen verlassenen Holzstücken grasen. Auf einem Schild, das an den abblätternden grünen Zaun genagelt ist, steht: «Hier lebte ein Soldat, der in Ausübung seiner Pflicht getötet wurde.»

Das Ehepaar hat eine Gedenkecke für ihren Sohn hinter einigen Vitrinentüren eingerichtet. Es gibt ein grosses Porträt von Andrej in Zivil, ein kleines von ihm in seiner Armeeuniform und ein Fotoalbum. Sein Tapferkeitsorden liegt daneben.

«Wenn ich Andrejs alte Klassenkameraden im Dorf sehe, frage ich mich immer, was wohl aus ihm geworden wäre. Die Jungs nehmen schon zu, verlieren die Haare, werden alt. Und meiner ist immer noch der kleine Junge», sagt Nikonova. Sie findet ihren Sohn auf einem Gruppenfoto seiner Kindergartenklasse; er ist kaum sichtbar hinter einigen anderen Kindern. Als Kind war Andrej klein.

«Aus irgendeinem Grund dachte ich, Andrej würde der letzte Mensch aus Selenduma sein, der im Kampf stirbt», sagt Nikonova. «Ich hätte nie gedacht, dass es einen weiteren Krieg geben würde. Dass sie einen anderen Andrej nach Hause bringen würden.»

An die Beerdigung ihres Sohnes hat sie schlechte Erinnerungen. «Soldaten hielten Reden, dann jemand anderes. Ich glaube, es lag Schnee. Es ist alles verschwommen.» 22 Jahre später gingen Nikonova und ihr Mann zur Beerdigung von Andrej Dandarov, wo «es war, als würde man alles noch einmal durchleben». «Dieselben Reden, dieselben Soldaten, dasselbe Orchester», sagte sie. «Nichts ändert sich.»

Beide Andrejs wurden auf dem Friedhof von Selenduma beigesetzt, nur etwa hundert Schritte voneinander entfernt. Das Grabmal von Andrej Nikonow ist verblasst und weiss, das von Andrej Dandarov ist schwarz, neu und von allen Seiten mit Kränzen bedeckt.

Wenn Taklina Nikonova auf den Friedhof geht, geht sie zuerst zu ihrem Sohn; sie legt zwei Bonbons auf sein Grab und bleibt dort lange stehen, während sie ihre Hand auf sein Bild legt. Dann geht sie zu Dandarov; auch für ihn hat sie zwei Bonbons. Sie muss um alle Kränze herumgehen, um zu seiner Gedenkstätte zu gelangen. «Ich habe eine Art Schuldgefühl», sagt sie und holt ihr Taschentuch heraus, «weil ihr Leben zu Ende ist, während unseres noch weitergeht. Ich bitte Andrej immer um Vergebung.»

Drei Monate nach dem Tod ihres Sohnes schickte die Regierung Nikonova und ihrem Mann eine einmalige Zahlung von 100.000 Rubel (damals etwa 3500 Dollar). Im Jahr 2000 war das fast genug, um einen neuen Lada zu kaufen.

Nikonova und ihr Mann nahmen nicht an der Auto-Parade teil, die eine Woche nach der Beerdigung von Andrej Dandarov stattfand. «Ich habe diese Veranstaltung nicht verstanden», sagt sie. «Es war alles zu feierlich. Sie standen nicht da, weinten nicht, sondern sie fuhren in ihren Autos, jubelten, schwenkten Fahnen und lächelten. Alles ohne Grund.»

Nikonova, die ursprünglich aus Tatarstan stammt, hält sich für eine Patriotin; sie mag es nicht, wenn es «zu viel ausländisches Zeug» gibt. «All diese Imitationen, ihre Lieder, ihre Lebensweise, ihre Kultur, vor allem die amerikanische – ich verstehe das nicht immer.»

Taklina Nikonova unterstützt die «spezielle Militäroperation». Sie glaubt, dass «die Verachtung der Ukrainer für die Russen schon seit langem besteht».

Ihr Ehemann Sergej unterstützt sie ebenfalls. «Im Moment», sagt er, «müssen wir den Nazismus auf einen Schlag loswerden».

Der Sohn des Paares, Andrej, wäre dieses Jahr 43 Jahre alt geworden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • am 19.05.2022 um 14:36 Uhr
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    Mehrere Male war ich in Burjatein. Der Artikel erscheint mir mehr als merkwürdig. Burjatien – eine Republik / Staat innerhalb Russlands – ist kulturell anders geprägt als «Russland» – das es mit einer einheitlichen kulturellen Prägung eh› nicht gibt.
    Mehr als eine Person hat dort ihre – sagen wir mal – Nicht-Achtung von Moskau, Herrn P etc. zum Ausdruck gebracht.
    Um so mehr verwundert der Artikel, der die Dinge so darstellt, als wären die Burjaten glühende russische Patrioten.
    Der eigentliche Schlüssel liegt in der Aussage «weil sie keine Arbeit fanden, gingen sie zur Armee.» Der Patriotismus scheint extrem inszeniert; gepflegte Kriegerdenkmäler gibt es fast überall – das ist noch lange kein Beweis für Nationalismus oder Patriotismus, vielleicht eher ein hilfloses Zeichen von Trauer und doch noch einen Sinn im Tod der (jungen) Soldaten zu finden … mfG GW

  • am 19.05.2022 um 17:54 Uhr
    Permalink

    Dieser Bericht berührt mich sehr.
    Wieder einmal wird erkennbar, wie sinnlos und unmenschlich es ist, all diese Kriege auch nur eine Sekunde lang weiter zu führen.
    Auch auf der anderen Seite dieser Front in der Ukraine leben ganz normale Menschen, die auch unsere unmittelbaren Nachbarn sein könnten. Mit Stärken und Schwächen, klar. Keine Monster, wie auch uns die Propaganda weiszumachen versucht.
    Auf beiden Seiten der Front werden viele Menschen totgeschossen, von Granaten und Minen zerfetzt, die eben noch liebenswerte Schulkinder waren … die morgen eine Familie hätten gründen können und vielleicht liebevolle Eltern gewesen wären – oder sogar sind.
    Und auf beiden Seiten der Front leben Menschen, die von Propaganda beeinflusst werden, denen erzählt wird, es würde für Freiheit und Sicherheit «gefroren» und gestorben, alles vernichtet … denen erzählt wird, die Gefallenen hätten gegen die Teufel gekämpft.
    AUF BEIDEN SEITEN.
    Wo ist der Unterschied? Was wird mit einem Sieg gewonnen?

  • am 19.05.2022 um 19:42 Uhr
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    Sehr guter Bericht, der versucht, auf alle Charaktere einzugehen ohne zu moralisieren. Für viele junge Leute in der Russischen Förderation, auch für Frauen, bedeutet ein Dienst in der Armee gutes Geld, Wohnung, Versorgung, Aufstiegschancen. Als Vater kann ich mir gut vorstellen, dass einem beim Kriegstod eines geliebten Kindes nicht mehr viel bleibt und die gemeinschaftliche Flucht in einen wie auch immer gearteteten Patriotismus eine Erleichterung sein kann.

    • am 20.05.2022 um 10:07 Uhr
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      Ich möchte ergänzend noch den beiden Kommentatoren Wippel und Schön zustimmen, auch wenn sie sich ja zT. zu widersprechen scheinen.
      Texte können ja sehr verschieden rezipiert werden, mehr intellektuell oder mehr mit dem Herzen – oder auch, indem man sich von den Autoren in eine beabsichtige Richtung führen lässt (die hier zweifellos abzielt auf die russische Kriegspropaganda und dabei die westliche Kriegspropaganda in einem möglicherweise intellektuellen Überlegenheitsgefühl vergessen lässt), oder aber indem man eher «zwischen den Zeilen» liest – was ich hier versucht hatte.
      Zwischen den Zeilen sehe ich lauter einfache, ganz «normale» Menschen in einem äußerlich schwierigen Lebensumfeld, die unter den gegebenen Umständen einfach zu überleben versuchen, die offenbar friedlich trotz unterschiedlichster Herkünfte zusammenleben, vielleicht mit viel mehr Gemeinschaftssinn als wir hier. Und deren Kinder das Ziel unserer Panzerhaubitzen 2000 und anderer Kriegsgräuel sind.
      DAS berührt mich.

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