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US-Richter Clarence Thomas anlässlich eines Besuchs einer Universität im Jahr 2010. © cc-by-nc Stetson University

Jahrelang undeklarierte Geschenke für Supreme-Court-Richter

Pascal Sigg /  Clarence Thomas, Richter des US-Supreme-Courts verkaufte dem konservativen Milliardär Harlan Crow auch Grundstücke.

Clarence Thomas, seit 1991 Richter am höchsten US-Gericht, dem Supreme Court, nahm in den letzten 20 Jahren jährlich grosszügige Geschenke des konservativen Milliardärs Harlam Crow an. Thomas flog in Crows Privatjet um die halbe Welt, machte wiederholt Ferien auf Crows Luxusjacht und liess sich jährlich weitere Annehmlichkeiten wie Aufenthalte in amerikanischen Luxusresorts von Crow bezahlen. Thomas deklarierte die Geschenke nicht und verletzte damit mutmasslich ein Transparenzgesetz, das nach der Watergate-Affäre in Kraft gesetzt wurde.

«Das Ausmass und die Häufigkeit von Crows offensichtlichen Geschenken für Thomas sind beispiellos in der modernen Geschichte des US-Supreme-Courts», schrieben drei Journalisten der Non-Profit-Publikation «Pro Publica» in ihrem Investigativbericht.

Harlam Crow ist Erbe eines Immobilienimperiums und engagiert sich seit Jahren in Think Tanks der US-amerikanischen Rechten. Dafür hat er nach offiziellen Angaben eine mindestens zweistellige Millionensumme ausgegeben. Ein erklärtes Ziel: die direkte Beeinflussung der US-Gerichte.

Clarence Thomas traf Crow nachdem er Richter geworden war. Seither wurden die beiden anscheinend enge Freunde. Crow sagte Pro Publica, Thomas habe über die Jahre seine Gastfreundschaft genossen. Doch er habe ihn nicht anders als seine anderen Freunde behandelt und nie versucht, ihn politisch zu beeinflussen.

Genau definiertes Gesetz

Richter Clarence Thomas verteidigte sein Verhalten in einem kurzen allgemein gehaltenen Statement, in welchem er nicht auf konkrete Fragen einging. Gemäss dem «Ethics in Government Act» müssten Richter Geschenke im Wert von über 415 US-Dollar deklarieren. Es macht eine Ausnahme beim «Genuss persönlicher Gastfreundschaft».

Allerdings ist diese Ausnahme genau definiert: Es handelt sich dabei nur um Geschenke einer Person in einem Haus oder auf einem Grundstück, das diese besitzt. Diese Ausnahme könne unmöglich auf Flüge in Privatjets angewandt werden, fand ein Ethik-Experte gegenüber Pro Publica. Andere RichterInnen hatten zahlreiche Privatjet-Flüge deklariert. Thomas selbst gab 1997 einen Flug in Crows Jet an.

2014 kaufte Crow der Familie Thomas zudem drei Grundstücke in Savannah im US-Bundesstaat Georgia für über 130’000 US-Dollar ab. Zwei davon waren nicht bebaut und wurden seither weiterverkauft. Auf dem dritten steht das Haus, in welchem Thomas› Mutter wohnt. Kurz nach dem Kauf liess Crows Firma daran umfassende Renovationsarbeiten vornehmen. Zudem ist unklar, ob Crow die Grundstücke zu einem fairen Marktpreis erwarb. 2013 hatte seine Firma zwei Grundstücke in derselben Strasse für 40’000 US-Dollar erworben. Auch die Frage, ob Thomas› heute 94-jährige Mutter Miete bezahlt, liess Crow unbeantwortet.

Thomas deklarierte zahlreiche Geschenke im Jahr 2014, wie eine Milchglas-Medaille, die er von der Universität Yale erhielt. Den Verkauf der Grundstücke an Crow gab er jedoch nicht an, obschon Richter gemäss Gesetz die Details ihrer Immobiliendeals eigentlich offenlegen müssten. Kathleen Clark, Expertin in Legal Ethics an der Washington University in St. Louis sagte gegenüber Pro Publica, dass Thomas damit den Anschein erwecke, er wolle die finanzielle Beziehung zu Crow verstecken. Thomas nahm zum Immobiliendeal bisher nicht Stellung. Crow sagte, er plane da, wo heute Thomas› Mutter wohnt, ein Museum. Es soll die Geschichte des afro-amerikanischen Supreme-Court-Richters der USA erzählen, «damit zukünftige Generationen vom inspirierenden Leben eines unserer grossartigsten Amerikaner erfahren».

Thomas› Frau ist rechtspopulistische Aktivistin

Der bekanntermassen erzkonservative Richter Thomas wurde 1991 vom damaligen Präsident George H.W. Bush fürs höchste US-Gericht nominiert. Er geriet letztes Jahr in die Kritik, weil er bei Gerichtsverfahren, welche seine Frau Ginni betrafen, nicht in den Ausstand trat.

Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 hatte Ginni Thomas wiederholt behauptet, Joe Biden sei unrechtmässig gewählt worden und übte Druck auf lokale Politiker in den Bundesstaaten Arizona und Wisconsin aus, um die Bestätigung von Bidens Sieg zu verhindern. Zahlreiche demokratische Abgeordnete haben seither eine Untersuchung gefordert und weitere rechtliche Konsequenzen angekündigt, um «das Vertrauen in die ethischen Standards des US-Supreme-Courts wiederherzustellen».

Eine vertiefte Einordnung des Skandals lieferte der New Yorker Politikwissenschaftler Corey Robin, der 2019 ein Buch über Clarence Thomas publizierte. In einem Interview verwies er auf eine Rede, die Thomas 1987 hielt. Darin habe Thomas gesagt: «Der wirkliche Kulturkampf zwischen der Linken und der Rechten dreht sich um Geld.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.