HPG.LOBBYS

Offenen und verdeckte Aktivitäten von Lobbys hat Hanspeter Guggenbühl immer wieder aufgedeckt und deren Argumente hinterfragt. © LOBBY

Lobby: «Strenge Abgasnormen nur falls Notstand diskutierbar»

Red. /  Die Autoimporteure und der TCS lehnten im Jahr 1981 Katalysatoren und strengere Abgasvorschriften nach dem Vorbild USA ab.

Red. Als Teil unserer Serie im Gedenken an HPG veröffentlichen wir folgende historische Kolumne, die Guggenbühl am 7. Juli 1986 für die «Bündner Zeitung» geschrieben hatte. Sein noch immer aktuelles Fazit: Die Behörden sollen auf Interessenorganisationen und -Lobbys weniger Rücksicht zu nehmen.

Die Union der Seifen- und Waschmittelfabrikanten der Schweiz (USS) schrieb: «Ein Verbot der Waschmittelphosphate wird insgesamt nicht zu einer sichtbaren Verbesserung der Wasserqualität führen.» 

Heute schreibt der Waschmittelfabrikant Henkel AG in Pratteln: «Das neue Persil, phosphatfrei, für saubere Wäsche und bessere Umwelt.»

Der Unterschied zwischen den beiden Aussagen: zwei Jahre.

Vor zwei Jahren verbreitete der Dachverband USS weiter: «Bei einem Phosphatverbot kann die Waschleistung der meistverkauften Produkte nicht gewährleistet werden.»

Heute wirbt der Waschmittelfabrikant Proctor & Gamble: «Neu phosphatfrei. Die aktiven Substanzen des neu konzentrierten Ariel waschen Ihre gesamte Wäsche sichtbar sauberer.»

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Gewiss, die Werbung übertreibt. Das neue phosphatfreie Ariel wird kaum besser waschen als das alte phosphathaltige, das nach Bekunden seines Herstellers auch schon sauber gewaschen hat («sauberer» als sauber geht nicht). 

Und das neue phosphatfreie Persil macht eine «bessere Umwelt» genausowenig wie das alte eine gute Umwelt gemacht hat. Es schädigt diese Umwelt bloss etwas weniger stark.

Politisch bemerkenswert ist aber das Argumentationsmuster, das den zitierten Widersprüchen zugrunde liegt: Eine Industrielobby bekämpft eine Umweltschutz-Massnahme wie eben das Phosphatverbot, indem sie deren Nutzen zuerst bestreitet und die angeblich negativen Folgen für Wirtschaft und Konsumenten schwarz an die Wand malt. Damit lässt sich Umweltschutz zumindest verzögern. Wird die bekämpfte Massnahme schliesslich doch verordnet, zeigt es sich, dass die negativen Folgen viel kleiner sind als behauptet oder gar nicht eintreffen. 

Ab diesem Zeitpunkt wandeln sich die Schwarzmaler zu Weisswäschern, indem sie die ihnen aufgezwungene Massnahme als eigenes Verdienst lobend darstellen.

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Die Kontroverse um das soeben in Kraft gesetzte Phosphatverbot ist kein Einzelfall: Als der Bundesrat 1981 beantragte, die Abgasnormen für Benzinautos zu verschärfen, erklärte der Präsident der Autoimporteur-Vereinigung, Robert Braunschweig: «Die Folgen der vorgesehenen Vorschriften sind so einschneidend für Automobilisten, für die Autobranche und für die Volkswirtschaft, dass sie nur im Fall eines Notstands überhaupt diskutiert werden könnten.»

Jetzt zeigt sich, dass die strengeren Vorschriften sich problemlos erfüllen lassen. Auch der TCS lehnte 1981 die Abgasnormen CH-86 ab. Heute schwingt er sich zum Vorkämpfer für die Katalysator-Technik auf, die sich erst unter dem Druck der strengen CH-86-Normen durchsetzte.

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Aus diesen Erfahrungen könnten die Politiker die negative Lehre ziehen, man dürfe den Wirtschaftslobbys nichts mehr glauben (was den meisten Politikern allerdings schwerfällt, weil sie selbst einer Wirtschaftslobby angehören und sich deshalb selbst misstrauen müssten).

Besser wäre die weitergehende und positive Lehre: Massnahmen zum Schutz der Menschen und seines Lebensraums, gegen welche die Interessenorganisationen Sturm laufen, sind ohne Verzögerung zu beschliessen. Je schneller Politiker und Behörden zum Beispiel den Ausstieg aus der risikoreichen Atomenergie verordnen, desto schneller kann die zweckpessimistische Elektrizitätslobby sich zum optimistischen Propagandisten mausern. Den Werbespruch sehe ich bereits vor mir, wenn einmal alle Atomstromfabriken verboten sind: «Neu, absolut atomfrei. Der saubere Strom aus Wasser- und Sonnenenergie hält Ihre sparsamen Haushaltgeräte noch besser in Schwung. Ihr Elektrizitätswerk.»


in memoriam hpg: Serie im Gedenken an Hanspeter Guggenbühl

HPG

Hanspeter Guggenbühl (2. Februar 1949 – 26. Mai 2021) gehörte zu den profiliertesten Schweizer Journalisten und Buchautoren für die Themen Energie, Umwelt, Klima und Verkehr. Hanspeter Guggenbühl engagierte sich seit den Gründerjahren mit viel Leidenschaft für Infosperber – er schrieb mehr als 600 Artikel und prägte die Online-Zeitung ganz wesentlich. Sein unerwarteter Tod ist ein grosser Verlust für den Journalismus, für Infosperber und für alle, die ihm nahestanden. 

Um einen Beitrag an das Andenken von Hanspeter Guggenbühl zu leisten, haben sich mehrere Schweizer Autorinnen und Autoren bereit erklärt, einen Text mit der Vorgabe zu schreiben, dass Hanspeter ihn gerne gelesen hätte. «Gerne gelesen» heisst nicht, dass er nicht widersprochen hätte – war ihm die argumentative Auseinandersetzung doch ebenso wichtig wie das Schreiben. Alle Beiträge werden als Serie «in memoriam hpg» zusammengefasst und im hier verlinkten Dossier vereint. 

Diese Woche ergänzen wir die Serie «in memoriam hpg» mit einem der vielen Artikel von Hanspeter Guggenbühl, die auch noch nach Jahren von ihrer Aktualität nichts verloren haben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

HPG

in memoriam hpg

Mehrere Schweizer Autor:innen leisten einen Beitrag zum Andenken an den Journalisten Hanspeter Guggenbühl (2.2.1949 - 26.5.2021).

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2 Meinungen

  • am 10.10.2021 um 12:44 Uhr
    Permalink

    Vergessen wird auch, dass gegen den Katalysator durch die SVP und den «Uebersax Blick» die Bevölkerung aschgrau angelogen wurde – lange vor Trump…
    So behauptete der Blick in den 80er Jahren, man wisse nicht wo man den Katalysator ausleeren soll, wenn er voll sei…
    Und die SVP warnte vor der Verteuerung der Autos, dass sich nur noch Reiche ein Auto leisten könnten.

  • am 10.10.2021 um 15:07 Uhr
    Permalink

    Die Angeführten Beispiele haben eines gemeinsam. Die Hersteller wurden in die Pflicht genommen und nicht die Konsumenten. Das hat weit mehr gebracht, als heute üblich die Einführung neuer Steuern die man zwar ungern bezahlt aber man sich im Verlauf von wenigen Monaten daran gewöhnt.

    In der Klimadiskussion sollte man sich daran erinnern. Es bringt weit mehr, wenn der Energieverbrauch und CO2 Ausstoss von Fahrzeugen generell begrenzt wird; unabhängig von Grösse, Gewicht und Hubraum.
    Elektrofahrzeuge dürfen nur noch in den Verkehr gebracht werden, wenn die Hersteller nachweisen können, dass 90% der Rohstoffe die sie für die Produktion der Batterien benötigen zurückgewinnen.

    Das wäre entschieden Nachhaltiger, langfristig auf jeden Fall.

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