Kampfflugzeug F-35.SRF

Das Kampfflugzeug F-35 soll die Schweiz gegen Angriffe aus Russland verteidigen. © SRF

Gegen Russland sind Kampfjets und Kampfpanzer nutzlos

Urs P. Gasche /  Die Schweiz geht von einer «neuen Sicherheitslage» und dem Risiko aus, dass es in Westeuropa zu einem konventionellen Krieg kommt.

upg. Infosperber stellte in mehreren Beiträgen eine andere Einschätzung des Risiko eines Krieges zur Diskussion. – In diesem letzten Beitrag geht es um die Beschaffung von Kampfjets und Kampfpanzern in der Schweiz.


Es sind sich alle einig: Falls es zu einer atomaren Auseinandersetzung kommt, kann sich die Schweiz nicht wehren. Gegen Atomwaffen nützt das ganze Aufrüsten nichts.

Militärs und Rüstungslobby warnen jedoch vor einem konventionellen Krieg in Westeuropa:. «Ein mechanisierter Angriff auf die Schweiz wäre absolut verheerend», schreibt die Offiziersgesellschaft.

Doch dieses Szenario ist extrem unwahrscheinlich. Russische Panzer müssten zuerst Nato-Staaten durchqueren, bevor sie die Schweiz erreichen. 


«Plötzlich wären russische Panzer in unmittelbarer Nähe der Schweizer Grenze»

Georg Häsler SRF
Georg Häsler

«NZZ»-Militärredaktor Georg Häsler – im Nebenamt Miliz-Oberst der Schweizer Armee – sieht es neustens anders: Ungarn und Slowakei könnten die Nato verlassen: «Wechseln Ungarn und die Slowakei das geopolitische Lager, öffnet sich östlich der Landesgrenze der praktisch ungeschützte Tirol-Korridor.» («NZZ» 15.3.2025)

Noch im Sommer 2023 hatte Häsler diese Gefahr weit von sich gewiesen: «Ein mechanisierter Stoss der russischen Armee Richtung Westen ist auch mit Blick auf die gegenwärtige Lage schlicht nicht möglich. Ausserdem fehlt im Kreml die Absicht, den ganzen Kontinent mit militärischen Mitteln unter Kontrolle zu bringen. Die hybriden Methoden sind effizienter.»

Laut Häsler steht also ein hybrider Krieg bevor. Dafür sind Kampfpanzer und Kampfflugzeuge denkbar ungeeignet.

Das sah auch SP-Vizepräsident Jon Pult so: «Die Forderung nach Aufrüstung konnte man bei Kriegsausbruch als Panikreaktion noch verstehen. Aber schon heute fragen sich nicht nur SP-Wähler: Was soll das? Der Krieg hat klar gezeigt, dass wir in der Schweiz militärisch so sicher sind wie selten zuvor, zumindest was die Bedrohung durch konventionelle Waffen angeht. Wenn Putins Panzer nicht einmal Kiew einnehmen können, wie sollen sie bis zum Bodensee kommen?»

Selbst Florence Gaub vom Nato Defence College in Rom, die ausdrücklich «unwahrscheinliche Szenarien» studiert, hält einen «klassischen Einmasch in ein Nato-Land für wenig wahrscheinlich».  («NZZ» 5.8.2025)

Martin Dahinden, früherer Schweizer Botschafter in Washington und Dozent für Sicherheitspolitik an der Universität Zürich, stimmt zu: «Terrestrische Angriffe auf die Schweiz mit mechanisierten und infanteristischen Verbänden sind ein unwahrscheinliches Szenario. Die Armee der Zukunft muss sich auf ein hybrides Konfliktbild ausrichten mit Formen der Cyber-Kriegsführung, Terror- und Sabotageakten, dem Einsatz von Drohnen, der militärischen Nutzung künstlicher Intelligenz.» (Gastbeitrag «NZZ» 3.4.2024)

Dass Krauss-Maffei-Vorstandschef Frank Haun an seinen ehrgeizigen Umsatzzielen festhält, ist verständlich: «Unser Ziel ist, ab 2027 jährlich 500 gepanzerte Fahrzeuge ausliefern zu können.» («NZZ» 14.12.2024) Der Rüstungskonzern lobbyiert kräftig dafür.


Bundesrat Pfister: Mit dem Unvorstellbaren rechnen

Wenigstens längerfristig sei mit dem heute Unvorstellbaren zu rechnen, meinte Verteidigungsminister Bundesrat Martin Pfister: «Im Moment müssen wir nicht damit rechnen, dass Panzer am Rhein auffahren, aber die Armee muss auch für diese Szenarien bereit sein.» («NZZ 1.3.2025)

«Im Moment» unwahrscheinliche Szenarien, auf die sich die Schweiz vorbereiten könnte, gäbe es noch andere: beispielsweise Angriffe aus dem aufgerüsteten Weltall oder Angriffe mit Bakterien und Viren. Oder Angriffe mit ballistischen Raketen. 

Mit solchen und anderen «im Moment unwahrscheinlichen» Szenarien kann man die Militarisierung des ganzen Landes rechtfertigen.


Angriff mit ballistischen Raketen

Weil russische Kampfjets und Panzer an der Schweizer Grenze kaum anzutreffen sein werden, müssen andere Szenarien herhalten, um das Aufrüsten zu rechtfertigen. Ein konkretes Szenario nannte Georg Häsler am 8. August 2025 in der «NZZ»: «Ein Treffer einer ballistischen Rakete auf eine zentrale Schaltanlage des europäischen Stromnetzes auf Schweizer Boden reicht Russland, um eine Strommangellage in Deutschland auszulösen. […] Die Schweiz braucht ein Minimum an Luftverteidigung.» Konkret nannte Häsler einen Knotenpunkt der Stromversorgung oder die Besetzung eines Eisenbahnknotenpunkts durch eine bewaffnete Gruppe. («NZZ» 29.7.2023)

Die neuen Kampfjets F-35 sind allerdings wenig hilfreich, um solche ballistischen Raketen abzuwehren – und Kampfpanzer sind es noch viel weniger. 

Die Nato-Staaten werden aus eigenemen Interesse verhindern, dass Russland Schaltanlagen des europäischen Stromnetzes in der Schweiz und anderswo in Europa zerstören kann. Dazu dient das Raketenabwehrsystem Sky Shield. Die Schweiz beteiligt sich daran.

Die von der Schweiz bestellten Patriot-Systeme können Raketenangriffe wenigstens mit Reichweiten bis zu rund 100 Kilometern und Höhen bis rund 30 Kilometern abwehren.

Kritische Stimmen zum Nutzen der F-35

«NZZ»-Redaktorin Christina Neuhaus am 14. August 2025: «Der F-35 kann unerkannt in feindliches Gebiet eindringen und Erstschläge ausführen. Aber welche Ziele greift ein neutrales Land an?»

Georg Häsler in der «NZZ» vom 19. Mai 2025: «Der F-35 ist ein fliegendes Rechenzentrum. Die Europäer werden deshalb weiterhin auf amerikanische Technologie angewiesen sein.» Und am 12. März 2025: «Wenn die US-Regierung den Einsatz amerikanischer Waffen sabotieren möchte, kann sie das tun.» 

Michael Schöllhorn, CEO des Rüstungskonzerns Airbus Defense and Space in der «NZZ am Sonntag» vom 2. März 2025: «Wenn die Amerikaner nicht wollen, dass die Dänen mit ihren F-35-Jets Grönland verteidigen, dann fliegen sie auch nicht dorthin.» 

Politikwissenschaftler Michael Hermann in der «NZZ am Sonntag» vom 23. März 2025: «Es ist nicht nur die risikoreiche Abhängigkeit vom Produktionsland, die den Wert von Tarnkappen-Kampfjets infrage stellt. Sie sind womöglich auch so etwas wie die – überaus teure – Kavallerie des Drohnenzeitalters. […] Die immensen bereits aufgewendeten Kosten halten uns davor zurück, rechtzeitig den Pfad der Dinosaurier zu verlassen.»

Und Elon Musk meinte: «Nur Idioten bauen den bemannten F-35-Kampfflieger.»


Fokussierung auf reale Bedrohungen

Der Strategieexperte und frühere ETH-Dozent Mauro Mantovani erklärte: «Russland stellt die einzige Bedrohung dar. Doch könnte Russland mit seinen Panzern gar nicht bis nach Mitteleuropa vorstossen. […] Ein imperialistisches Russland müsste 1500 Kilometer Nato-Bündnisgebiet durchqueren, ohne dass dabei die Schwelle zum Nuklearkrieg überschritten wird.» («NZZ am Sonntag» 18.5.2025)

In einer Replik meinten drei Bataillonskommandanten am 8. Juni: «Eine Armee ohne Kampfpanzer funktioniert nicht. Punkt.»

«Punkt» ist ein wenig überzeugendes Argument.

Jens Stoltenberg, bis 2025 Generalsekretär der Nato, beschrieb die militärische Zukunft wie folgt: «Die Verschmelzung von künstlicher Intelligenz, Drohnentechnologie und unbemannten Systemen bedeutet einen ähnlichen Quantensprung wie seinerseits die industrielle Revolution.»

«NZZ»-Auslandredaktor Werner J. Marti hatte am 17. März 2025 festgestellt: «Gepanzerte Fahrzeuge sind den (glasfasergesteuerten) Drohnen weitgehend ausgeliefert, da diese ihre Ladungen präzise an ungeschützten Stellen der Panzerung zur Explosion bringen können.»

Dazu kommt das Kosten-Nutzen-Verhältnis: Einer der neusten Kampfpanzer kostet hundertmal mehr als eine der teuersten KI-gesteuerten Drohnen.


KI-gesteuerte Drohnen und autonome Angriffe

Politik-Professorin Elke Schwarz von der Queen Mary University in London warnte: «Rüstungsfirmen wie Anduril oder Palantir entwickeln autonome Drohnenschwärme, die Menschen töten. Solche Waffen könnten die ganze internationale Sicherheitsordnung verändern und die Welt unsicherer machen.»

David Bach, Professor für Strategie an der Business School IMD, wies auf einen unbemannten Krieg hin: «KI-Anwendungen der nächsten Generation können feindliche Stellungen aufspüren, autonome Angriffe starten oder kritische Infrastrukturen aus weiter Ferne stören.»

Gegen solche Agriffe sind Kampfjets und Kampfpanzer nutzlos. 

Sogar «NZZ»-Redaktor Georg Häsler räumte am 22. November 2025 ein, dass Kampfjets für den Einsatz in der Schweiz nicht zweckmässig seien. Doch, meinte er, die Schweiz könne die F-35 «im Verbund des europäischen Pfeilers der Nato» verwenden. Und falls die Schweiz ihre F-35 «nicht an der Nato-Ostflanke einsetzen» wolle, dann solle sie diese wenigstens «im Gebiet zwischen Lyon, München, Wien und Mailand» einsetzen. Das verschaffe ihr Respekt.


Argument «Trittbrettfahrerin»…

Mangels besserer Argumente ziehen Militärs, Rüstungslobby und einige Politiker ein neues Argument aus dem Hut: Die Schweiz dürfe keine «Trittbrettfahrerin» sein: Wenn die Schweiz auf den Schutz der USA und der Nato zähle, müsse sie ebenfalls aufrüsten – aus Solidarität. 

Georg Häsler meinte: «Die Schweiz kann es sich nicht leisten, weiter einfach Trittbrettfahrerin zu sein. Irgendwann schickt die Nato die Rechnung nach Bern.»

Welche Rechnung es sein könnte, führte Häsler nicht aus.

Unterdessen will die Schweiz tatsächlich noch mehr Waffen in den USA kaufen – doch nicht um sich zu schützen, sondern um niedrigere Zölle zu erhalten.

Kritiker der Aufrüstung mit F-35 und Panzern diffamierte «NZZ»-Chefökonom Peter A. Fischer als «friedliebende Heuchler und Trittbrettfahrer».

Einer sachlichen Diskussion weicht er aus.


…oder knallharte Interessenpolitik

Normalerweise stossen die Argumente «Solidarität» und «Trittbrettfahrerin» auf wenig Gegenliebe. Als es um die Überlastung im Asylwesen ging, wollte FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen nichts davon wissen: «Es braucht jetzt nicht noch mehr Solidarität mit der EU, sondern eine knallharte Interessenpolitik.»

Auch mit den Ärmsten wird keine Solidarität gefordert. Oxfam berechnete es global: «Mit weniger als 3 Prozent der Militärausgaben der G-7-Länder oder mickrigen 2,55 Prozent des Nato-Budgets des Jahres 2024 könnte der globale Hunger beseitigt (32 Milliarden Dollar) und die Schuldenkrise im globalen Süden gelöst werden (36 Milliarden Dollar).»

Die Beseitigung des Elends würde zum Frieden erheblich mehr beitragen als das Aufrüsten. 

Das Argument «Trittbrettfahren» zählt auch nicht, wenn es um das Ausbeuten von Textilarbeiterinnen, Kaffeepflückern oder Minenarbeitern geht. Oder um die Klimapolitik: Unser möglicher Beitrag mache weltweit ohnehin keinen Unterschied aus.


Kosten und Risiken der Hochrüstung 

Eine massive Aufstockung der Militärausgaben birgt gesellschaftliche Sprengkraft. Denn das Aufrüsten lässt sich nur auf drei Wegen finanzieren – alle mit gravierenden Nebenwirkungen:

  1. Mit Kürzungen bei Sozialem, Gesundheit, Bildung, Umweltschutz, Infrastruktur oder Kultur 
  2. Mit höheren Steuern («Wir müssen für die Armee die Steuer erhöhen», Leitartikel in Tamedia-Zeitungen vom 13.12.2025)
  3. Mit zusätzlichen Schulden 

Der dritte Weg ist politisch der machbarste, aber auch der riskanteste. Das Aufrüsten mit Schulden kann zum Brandbeschleuniger einer Finanz- und Wirtschaftskrise werden. Wenn das Schuldenkonstrukt kippt, drohen Hyperinflation und verbreitete Arbeitslosigkeit. Mit der Freiheit, die wir bewahren wollen, ist es dann vorbei.

Ein massives Aufrüsten führt nicht nur zu unverantwortlichen Schulden, sondern birgt noch andere gesellschaftliche Sprengkraft. Das Aufrüsten lenkt von weiteren existenziellen Risiken ab. Erwähnt seien hier die Klimaerwärmung, die Migration, das Zerstören von Natur und Umwelt, der Zugang zu Wasser und Rohstoffen und soziale Verwerfungen.


Zwei Optionen für die Schweiz

Armeegegner Josef Lang sagte in der «Sonntags-Zeitung»: «Ein Alleingang ergibt keinen Sinn mehr. Es gibt nur zwei rationale Optionen:

  1. Wir machen bei einem Militärbündnis mit und schaffen die Neutralität ab.
  2. Wir entscheiden uns für eine weltsolidarisch-friedenspolitische Neutralität und schaffen die Armee ab (nach dem Beispiel von Costa Rica und Panama).

Diese zweite Option finde ich die vernünftigste.» 

Die frühere Aussenministerin Michelin Calmy-Rey dagegen hält die erste Option für vernünftiger: «Wenn die Neutralität unsere Sicherheit nicht mehr gewährleistet, dann müssten wir sehr ernsthaft den Beitritt zur EU und zur Nato prüfen.

Bei der ersten Option mit dem Anschluss an ein Militärbündnis müsste die Schweiz wahrscheinlich ein Berufsmilitär einführen. Denn die modernen Waffensysteme sind so anspruchsvoll, dass drei Wochen WK im Jahr als Training nicht genügen.


Milliarden verpulvert

Nach der Analyse des konkreten Kriegsrisikos und der globalen Risiken sowie des Kosten-Nutzenverhältnisses gibt es keinen überzeugenden Grund, weshalb die Schweiz US-Kampfjets und von Offizieren geforderten zusätzliche Kampfpanzer kaufen soll. 

Das Risiko eines konventionellen Krieges, bei dem russische Panzer oder Kampfjets die Schweiz erreichen, ist vernachlässigbar klein. Falls Russland die Schweiz mit Raketen oder ferngesteuerten Drohnen angreifen sollte, wären Kampfjets und Kampfpanzer nutzlos. 

Eine bewaffnete Schweiz müsste in die Abwehr von Drohnen, Cyberangriffen und Viren investieren.

Auch für Deutschand gibt es keinen ausreichenden Grund, sich zum Aufrüsten mit 100 Milliarden Euro zu verschulden.

Die Militärausgaben der europäischen Nato-Staaten liegen schon heute – sogar kaufkraftbereinigt – deutlich über jenen von Russland. Eine gemeinsame Rüstungs- und Beschaffungspolitik kann die Verteidigungskraft noch verstärken. Eine Aufrüstung braucht es nicht.

Weiterführende Informationen

«WIDER DAS AUFRÜSTEN»

Militärs, Politiker und manche Medien hämmern der Bevölkerung fast täglich ein, wie bedrohlich die Lage sei. Russland wolle nicht nur die Krim behalten und die Donbas-Republiken Donezk und Luhansk militärisch vollständig einnehmen. Vielmehr bedrohe ein imperialistischer Putin auch benachbarte Nato-Staaten. Deshalb müsse Europa massiv aufrüsten – auch die Schweiz. 

Infosperber hat eine ergänzende Einschätzung zur Diskussion gestellt und sie in einem Dossier zusammengefasst. 
Hier kostenlos herunterladen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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