Sperberauge

Die unbekannten Finanzinteressen unserer PolitikerInnen

Pascal Sigg © cm

Pascal Sigg /  Alain Bersets Krypto-Investment zeigt: Wir wissen nichts über die Finanzanlagen unserer wichtigsten PolitikerInnen.

Wegen eines Datenlecks wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass Bundesrat Alain Berset Kryptogeld des französischen Anbieters Ledger gekauft hatte. Die Medienberichterstattung beschränkte sich vorwiegend auf den Hinweis, dass mit dem Leck Bersets private Daten veröffentlicht wurden. Der SonntagsZeitung (Paywall) sagte ein Sprecher Bersets, dieser habe die Währung privat erworben, um die Funktionsweise der Währung zu verstehen. Wie hoch das Investment Bersets war und ob der Bundesrat auch heute noch Kryptogeld besitzt, sagte der Sprecher jedoch nicht.

Das muss er auch nicht. Die Meldung führte deshalb auch grundsätzlich vor Augen, dass die Öffentlichkeit nichts über die Finanzanlagen unserer PolitikerInnen weiss. Martin Hilti von Transparency International Schweiz bestätigte Infosperber auf Anfrage: «Es gibt leider keine derartigen Regelungen und auch keine hängigen Geschäfte, die dies zum Gegenstand hätten.» Und Philippe Wenger von Lobbywatch präzisierte: «Dass Finanzanlagen nicht Teil der Offenlegungspflichten (Art. 11, Parlamentsgesetz) sind, kann mit Fug und Recht als Gesetzeslücke bezeichnet werden. Das Gesetz geht einzig davon aus, dass irgendwie geartete Tätigkeiten eine Interessenbindung sein sollen.»

Unbekannt ist damit zum Beispiel, ob unsere PolitikerInnen auch Aktien an Unternehmen halten, deren Wert direkt von ihren eigenen Entscheidungen beeinflusst ist. Wer einen Grossteil seines Vermögens in Pharma-Aktien angelegt hat, dürfte sich kaum für tiefere Medikamentenpreise einsetzen. Wer Swiss Life-Aktien hält, dürfte sich kaum für Mieterschutz einsetzen. Oder umgekehrt: Wer Anteile an bestimmten Unternehmen hält, dürfte sich auch auf politischer Ebene für ihre Interessen einsetzen. Wie etwa der deutsche CDU-Abgeordnete Philipp Amthor, welcher im Sommer 2020 für ein Startup Kontakte knüpfte und später Aktienoptionen der Firma erhielt.

Dass es auch anders ginge, zeigen ausgerechnet die USA. Dort müssen hochrangige Politiker Finanzanlagen und -transaktionen öffentlich ausweisen. Ein Beispiel: Nancy Pelosi, Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus listete für 2019 detailliert auf, von welcher Immobilie sie Mieteinnahmen bezieht oder dass ihr Apple-Aktien Dividenden verschaffen. Dies ermöglicht ganz neue Beurteilungen politischer Entscheide. Das Online-Magazin «Sludge» zum Beispiel wertet diese Veröffentlichungen systematisch aus. So berichtete es kürzlich, dass ein republikanischer Abgeordneter aus Indiana dieses Jahr mehrere Millionen in Pipeline-Firmen anlegte. Es machte publik, dass die Frau eines demokratischen Abgeordneten aus New Jersey, welcher der Energiekommission vorsteht, Aktien des Ölproduzenten Chevron und weiterer Energiefirmen hält. Und es thematisiert unablässig, wie das Familienunternehmen von Joe Manchin in millionenschweren Abhängigkeiten steckt. Joe Manchin ist demokratischer Vorsteher der Energiekommission des Senats. Zu einer strengeren Korrputionsbekämpfung haben diese Enthüllungen bisher nicht geführt. Doch das ist eine andere Geschichte.

Hierzulande haben sich ähnliche Transparenzbemühungen in letzter Zeit auf die bezahlten Mandate von ParlamentarierInnen konzentriert. Aktuell will der Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder verbieten, dass Kommissionsmitglieder bezahlte Mandate von Firmen und Verbänden annehmen, die von den Entscheiden der entsprechenden Kommissionen betroffen sind. In der Staatspolitischen Kommission des Ständerats hat das Geschäft einen schweren Stand. Ursprünglich sollte es in der Wintersession diskutiert werden. Die Debatte wurde aus Zeitgründen nun in die Frühlingssession 2022 verschoben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

12 Meinungen

  • am 21.12.2021 um 12:41 Uhr
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    Der gläserne Politiker soll das Ziel sein? Darf ein Politiker auch nicht mehr ein Eigenheim besitzen, weil er sonst die Interessen der Eigentümer und nicht der Mieter vertritt? Darf der Politiker kein Fleisch mehr essen, weil er sonst weder grün noch rote Politik betreibt? Darf der Politiker nur noch mit dem Velo nach Bern fahren, weil er sonst das Klima schädigt? Und ist Alain Berset ein Kapitalist, weil er sich interessiert, wie Krypto-Währungen funktionieren oder nicht funktionieren. Darf Alain Berset noch Wein aus Frankreich oder Spanien konsumieren, weil damit die Transportwege lang sind und die Umwelt geschädigt wird…..??

    • am 24.12.2021 um 14:39 Uhr
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      Doch er darf. Er darf Wasser predigen und Wein trinken und manchmal darfs´auch etwas mehr sein in die eine oder andere Tasche. Wo kommen wir denn hin, wenn jetzt Lobbyismus transparent wird, das führt vielleicht zu stark sinkenden Preisen auf der Korruptionsebene. Und das ist das allerletzte überhaupt , das braucht keiner, Einnahmen am Finanzamt vorbei direkt nach Übersee müssen möglich bleiben, wenn es schon etwas ruckelt und zuckelt bei der Direktanlage auf einem Nummernköntli in der Schwyz, sehr beliebt auch bei deutschen Politikern und einem Onkel eines guten Freundes, der war vor nicht allzulanger Zeit in Basel (90 Jahre alt) und hat ein Köntli eröffnet … mehr möchte ich nicht schreiben , sonst gibts Riesenrambazamba mit einem meiner besten Freunde und der hatte es nämlich nicht gerade leicht mit …, aber er hat ein hartes Training in London überlebt und das ist schon mal was , oder …

  • am 21.12.2021 um 13:33 Uhr
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    Je mehr Finanztransparenz verlangt wird, desto weniger tüchtige Leute gehen in die Politik. Es gibt kaum mehr Unternehmer im Parlament.
    Es bleiben die Arbeitslosen. Die werden zu Berufsparlamentariern, dh. die agieren nicht primär zum Wohl des Landes sondern um wieder gewählt zu werden.
    Welches ist das kleinere Übel?

    • am 27.12.2021 um 23:06 Uhr
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      Warum sollen Arbeitslose und «Untüchtige» nicht auch im Parlament vertreten sein?

  • am 22.12.2021 um 07:35 Uhr
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    Ja, ein Verbot wie Herr Beat Rieder beantragt bringt nicht viel, denn wer will, kann Aktien und andere Interessen treuhänderisch wahrnehmen. Auch eine Beschränkung der Lobbiesten bringt nichts, denn anstatt im Bundeshaus kann die Beeinflussung in einem Restaurant statt-finden. Viel mehr Erfolg könnte nur eine aktivere Tätigkeit der Kommissionen mit entspre-chendem Vergleich der Berichte durch einer neuen, ad hoch bestellte Kommission wo alle Par-teien vertreten sind.
    Viele herzliche Wünsche für frohe Festtagen!
    Giovanni Coda

  • am 22.12.2021 um 10:30 Uhr
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    Ja was ist eigentlich los? Muss man da wirklich noch lange diskutieren?
    Alles was einen Interessekonflikt auslösen kann muss auf den Tisch. Jeder Journalist (mindestens die ehrlichen) bezeugt ja auch ihre themenbezogenen Interessenbindungen.
    Alles Andere öffnet Korruption und Gemauschel Tür und Tor. Wer seinen persönlichen Vorteil über das Wohl des Volkes stellt, hat in der Politik eigentlich nichts zu suchen. Und wenn man schon die Plage des Lobbyismus erdulden muss, sollten wenigstens unsere Volksvertreter nicht zum vorneherein bestimmten Interessen dienen.

  • am 22.12.2021 um 23:15 Uhr
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    Geld kann von Interessengruppen zu einzelnen Politikern, aber auch zu Parteien fliessen. Wo ist den der Unterschied? In Deutschland hat die SPD Geld von Pfizer und Arzneimittel-Importeuren erhalten.
    ( https://reitschuster.de/post/spd-laesst-sich-von-pfizer-und-arzneimittel-importeuren-sponsern/ ) Da kommt man schon auf den Gedanken, dass auch in der Schweiz SP und Grüne einen guten Grund haben, sich so penetrant für Impfzwang einzusetzen. Der Wähler und der Fernsehzuschauer haben eine Interesse daran, dass das offen gelegt wird. Verschlungene Geldströme in der Politik sind Gift für die Demokratie.

  • am 24.12.2021 um 06:31 Uhr
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    Was könnte man wie besser machen ?

    Sinnvoll und machbar wäre beispielsweise, dass alle, die sich zur Wahl stellen wollen, einen ausführlichen öffentlichen Lebenslauf abzugeben haben, dessen Mindest-Kriterien vorzuschreiben und stetig zu verbessern sind.
    Und dass diesem Lebenslauf die Laudatio eines «Freundes», der sein Lob detailliert beweisen muss,
    und die Kritik eines «Antis», der ebenfalls schlüssig beweispflichtig ist,
    beigefügt wird – was alles im Internet von Jedem jederzeit abrufbar sein sollte.
    Oder eine ähnliche Bewerbungs-Vorschrift für «Anwärter auf künftige politische Führungs-Positionen».
    Damit es auch (hoffentlich) einem «unpolitischen, einfachen» Bürger besser möglich würde, sich bewusst zu werden, warum er sich für wen entscheidet.

    Jedenfalls wäre jeder Versuch gut, künftig besser transparent zu machen, wer «meine Kandidaten» sein könnten.

    Wolf Gerlach
    scheinbar.org

    • am 24.12.2021 um 22:29 Uhr
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      Am besten wäre es, wenn sich alle Kandidaten persönlich bei Herrn Gerlach vorstellen würden, damit der Herr Gerlach jeden einer genauen Überprüfung unterziehen kann, denn wenn man ständig auf Wischi-Waschi Kriterien reagieren muss und auch noch ständig seinen lebenslauf ergänzen muss, dann bleibt wohl kaum noch Zeit für irgendetwas anderes, oder?

      • am 25.12.2021 um 11:36 Uhr
        Permalink

        Lieber Herr P M,
        es tut mir immer wieder gut, für unterbelichtet gehalten zu werden!

        Eine Art «seriöser Bewerbung» um Wählerstimmen –
        so ähnlich, wie man sich um eine «gute Arbeit» bewirbt,
        ist alles andere als lächerlich oder ab-wegig !

        Jedenfalls ist es so interessant, wie nützlich, «vorab» zu wissen, welcher Art Mensch man es wohl anvertrauen könnte, mit über meine/deine/unsere Zukunft zu entscheiden.

        Wobei sich sicher nur Wenige darüber empörten,
        ob jemand Studium-Abbrecher, bisexuell, in Konkurs gegangen usw ist –
        aber es ist sehr interessant, ob jemand an «undurchsichtigen Geschäften» beteiligt war, ob er mehr Hand- oder Mund–Werker war, ob er Funktionär, Beamter oder Hand-werker war, ob er mit Bedacht argumentiert -oder grosse Töne spuckt, ob und welche Freunde und Kontakte er hat.

        Siehe Frau Bär… deren Beliebtheit immens sank, als sie beim «Mauscheln» ertrappt wurde.

        Denn die Haupt-Frage ist und wird die Vertrauens-Würdigkeit bleiben.
        Alles Andere ist und bleibt zweit/dritt/viet-rangig !

        Denn fürs «Vor-Denken» als Entscheidungs-Hilfen für unsrere Politiker beschäftigen wir in Bund und Ländern ja zig-tausende «Fach-Intelligenzler».

        Abschliessend – und «persönlich» gemeint:
        statt Gegen-Argumente zu bringen, jemand lächerlich machen zu wollen, wäre mit ein wesentlicher Grund für «Daumen runter» !

        Wolf Gerlach
        scheinbar.org

      • am 26.12.2021 um 00:20 Uhr
        Permalink

        Ich neige zu zynischen Wutausbrüchen (Sarkasmus), ich halte Sie nicht für unterbelichtet, eher das Gegenteil, aber es ist mir ein völliges Rätsel wie Ihre Ideen in Taten umgesetzt werden können.

  • am 26.12.2021 um 10:45 Uhr
    Permalink

    Learning by doing .

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