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Ob ich mich fürs Schwingen wirklich interessiere? © ch media

Medienlandschaft Schweiz: Deine Interessen. Unser Thema.

Christian Müller /  Seit dem 1. Oktober 2018 ist der neue Verbund AZ Medien / NZZ Regionalzeitungen unter dem Namen «CH Media» aktiv. Meine Interessen?

Die Ankündigung des Zusammengehens der AZ Regionalmedien aus dem Hause Wanner (Aargauer Zeitung, Solothurner Zeitung, etc.) mit den Regionalmedien der NZZ Gruppe (Luzerner Zeitung, St. Galler Tagblatt, etc.) liess aufhorchen. Noch mehr Eintopf in der Schweizer Zeitungslandschaft? Die gleichen politischen Kommentare von Solothurn bis St. Gallen, von Liestal bis Luzern?

Auch Infosperber beschäftigte sich mit dem Thema:

  • Schweizer Medien-Horror-Szenario in Sichtweite
  • Dem Schweizer Medien-Eintopf ein Schritt näher

    Optimisten und Meinungsvielfalts-Vertreter hofften, dass die Weko, die Wettbewerbskommission, da noch ihr Veto einlegen würde. Und tatsächlich wurde auch eine tiefergehende Untersuchung angekündigt. Aber es kam, wie es leider kommen musste: Die Weko gab, in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation der Schweizer Presse, grünes Licht.

    Nun ist der neue Joint Venture (Eigentum NZZ und AZ Medien je 50 Prozent) seit 1. Oktober unter dem neuen Namen «ch media» also aktiv – und macht in den betroffenen Zeitungen grossflächig Werbung. Am 1. Oktober erschien zum Beispiel in der Aargauer Zeitung eine volle Seite mit einem Bild eines Fussballspiels in ländlicher Umgebung. Und in grossen Lettern stand da geschrieben:
    ch media
    Deine Interessen.
    Unsere Themen.
    Und etwas kleiner darunter:
    «Was immer die Menschen interessiert und bewegt – wir machen es zum Thema.
    Entdecken Sie das Medienhaus der Schweiz.
    chmedia.ch»

    So meldete sich die neue Medien-Firma CH Media am 1. Oktober zum ersten Mal gegenüber ihren Leserinnen und Lesern.

    Am 2. Oktober war nichts derartiges zu finden, wohl aber am 3. Oktober wieder. Diesmal nur noch eine halbe Seite, dafür mit einem Bild von einem Schwingfest. Und mit dem gleichen Text (Siehe Bild ganz oben).
    Am 4. Oktober war es dann wieder eine ganze Seite mit einem Bild von zwei Bergsteigern auf einem Schneegrat, und wieder mit dem gleichen Text.
    Am 5. Oktober war es wieder nur eine halbe Seite, mit dem gleichen Fussballbild, wenn auch mit einem anderen Bildausschnitt.
    Und gestern Samstag, am 6. Oktober, in der Ausgabe, die sich «Die Schweiz am Wochenende» nennt, war es wieder eine ganze Seite, wieder mit dem Bild des Schwingfestes, wenn auch mit einem anderen Bildausschnitt.

    So erschien das gleiche Bild vier Tage später.

    Was geht mir da durch den Kopf?

    1. In den grossen Lettern werde ich geduzt: «Deine Interessen.» Im kleinen Text werde ich gesiezt: «Entdecken Sie das Medienhaus der Schweiz.» Das ist nicht unlogisch. Grosse Buchstaben richten sich an die Boulevard-Konsumenten, an die Trottel der Nation also gewissermassen. Die darf man ja wohl noch duzen. Kleinere Buchstaben richten sich an jene, die tatsächlich mehr als die Schlagzeilen lesen wollen. Die sollte man anständigerweise wohl siezen.

    2. Alle drei Themen, die vermeintlich meine Interessen sind, kommen aus dem Sport: Freizeit-Fussball, Schwingfest, Bergsteigen. Politische Themen oder auch Wirtschaftsthemen, die mich wirklich interessieren, sind da offensichtlich nicht mehr als Themen des Zeitungsverbundes «CH Media» vorgesehen.

    3. More of the same, einfach etwas mehr vom Gleichen: Wenn das gleiche Thema wiederkommt, nimmt man einfach das gleiche Bild, ändert aber ein bisschen den Bildausschnitt. Das Gleiche kann man natürlich auch im Text machen.

    Ist man als Leser dann aber wirklich so interessiert, dass man sich an den PC setzt und chmedia.ch eingibt, erfährt man das Folgende:
    «Wir sind CH Media.
    Aus AZ Medien und NZZ-Regionalmedien wird CH Media. Zusammen sind wir näher bei den Themen und Interessen der Menschen der Schweiz.»

    Das ist wenigstens ehrlich. Wenn der Journalist Fritz Meier etwas im St. Galler Tagblatt geschrieben hat, dann war er bisher ziemlich weit weg von Leser Hans Muster in Solothurn, und wenn der Journalist Kurt Keller etwas in der Solothurner Zeitung geschrieben hat, dann war er ziemlich weit weg von Leserin Helen Huber in St. Gallen. Künftig wird der Journalist Fritz Meier aus St. Gallen nun auch ganz nahe am Leser Hans Muster in Solothurn sein. Und der Vorteil für CH Media: Den Journalisten Kurt Keller aus Solothurn braucht es dann gar nicht mehr. Sein ehemaliger Leser Hans Muster liest ja jetzt den Text von Fritz Meier aus St. Gallen.

    «So sind wir» – gemeint sind offensichtlich ‹wir, die CH-Media-Journalisten› – «näher bei den Themen und Interessen der Menschen» – also von Leser Hans Muster aus Solothurn und Leserin Helen Huber aus St. Gallen. Wie wahr: Wenn künftig überall das Gleiche steht, sind sich alle ganz nahe.

    Und was heisst das für mich?

    Für Politik und Wirtschaft werde ich, der Leser, dann halt etwas mehr in die Ferne greifen müssen, auf die New York Times oder The Nation in den USA zum Beispiel, auf Haaretz in Tel Aviv, oder auch auf die Kyiv Post in der Ukraine und auf die Financial Times aus London. Oder auf die FAZ oder auf Le Monde. Im Gegensatz zu CH Media suche ich ja nicht die Nähe, sondern die Vielfalt: Ich will verschiedene Meinungen lesen, um mir meine eigene bilden zu können.


    Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

    Zum Autor. Es gibt keine Interessenkollisionen.

  • Zum Infosperber-Dossier:

    Flickr2

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    Konzerne und Milliardäre mischen immer mehr mit. – Die Rolle, die Facebook, Twitter, Google+ spielen können

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    4 Meinungen

    • am 8.10.2018 um 08:47 Uhr
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      Immerhin legen sie diese Kooperation jetzt offen. Als Abonnent des St. Galler Tagblatts (das seit längerem nur noch mit einem Tag Verspätung nach Solothurn gelangt), musste ich mich ja schon seit Monaten damit abfinden, dass ich eine grössere Anzahl Artikel im Tagblatt bereits am Vortag in der Solothurner Zeitung gelesen hatte. Ob das schliesslich dazu führt, dass ich als Leser der Zeitung aus meiner Heimat nach rund 50 Jahren dem Blatt endgültig untreu werde, weiss ich noch nicht. Möglich ist es.

    • am 8.10.2018 um 11:49 Uhr
      Permalink

      Ob CH Media oder Tamedia oder BAZ oder Regionalzeitung oder Deutsche Medien, die Auslandnachrichten kommen aus der gleichen (zensurierten?) Quelle. Die Schweizer Medien, ob Zeitung oder TV, werden für mich immer unglaubwürdiger.

      ( https://swprs.org/ )

    • am 9.10.2018 um 13:54 Uhr
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      @Bernhard Ramp: Warum und von wem sollten diese Quellen zensuriert werden? Wenn Sie schon solche ungeheuerlichen Verdächtigungen anstellen, müssen Sie das im Minimum mit Indizien unterlegen. Andernfalls liegt der Verdacht nahe, dass es Ihnen in erster Linie darum geht, die Medien unglaubwürdig zu machen. Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.

    • am 13.10.2018 um 13:09 Uhr
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      Ich hege den Verdacht, Ueli Custer lese allenfalls den ‹Blick am Abend›.

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