Kommentar

Von Enten und anderen Legenden

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Was wir unter dem viel verwendeten Begriff "Legende" verstehen, hängt letztlich von der Betonung ab.

In den Zeitungen häufen sich die Legenden. In mehr als zehntausend Artikeln, so erfahren wir im Schweizer Medienarchiv smd., erschien innert Jahresfrist dieses Wort. Dabei handelt es sich meist nicht um «Erzählungen übernatürlichen Inhalts», die Knaurs Lexikon dem Begriff Legende zuordnet. Gemeint sind auch nicht die «dem Märchen und der Sage verwandten Textsorten» (Definition laut Wikipedia), die Redaktionen auftischen, wenn sie wieder einmal auf eine Ente oder einen phantasiebegabten Mitarbeiter hereingefallen sind.

Vielmehr widmen sich die Medien menschgewordenen Legenden wie etwa der TV-Legende Kurt Aeschbacher, der Radiolegende Bernhard Thurnheer, Tennislegende Boris Becker, Trainer-Legende Arno Del Curto, Radsport-Legende Fabian Cancellara, Fussballlegende Rudi Völler, Formel-I-Legende Niki Lauda, etc., etc. Mit den Namen und Adressen aller Legenden liesse sich ein dickes Telefonbuch füllen, das Kraftsport-Legenden an Chilbi-Ständen zuweilen zerrissen, bevor Telefonbücher im digitalen Zeitalter ebenfalls zur Legende verkommen sind.

Die meisten Legenden leben noch und reden. «Peter Sauber, die Rennsportlegende spricht über ihr Lebenswerk», kündigte zum Beispiel die Luzerner Zeitung am gestrigen 4. März auf Seite 1 an und liess den 75jährigen dann auf Seite 2 sagen: «Elektrische Autos sind das Klügste» – was uns fragen lässt, ob das wohl auch eine Legende ist.

Irgendwann aber kommen die Legenden wie alles Lebendige zu Tode. So titelten, ebenfalls am 4. März, das Bieler Tagblatt «Kabarett-Legende» gestorben, der Walliser-Bote «Kabarett-Legende ist tot», die Südostschweiz «Abschied von Kabarett-Legende», während die Basler Zeitung dank mehr Titel-Raum präzisieren konnte: «Die Kabarett-Legende Werner Schneyder ist tot». Der Faktencheck von Infosperber bestätigt: Der Tod von Werner Schneyder ist keine Legende.

Wer nun glaubt, bei den vielen lebenden und toten Legenden handle es sich um übernatürliche Gestalten oder Medienprodukte, verkennt die wahren Legenden in der Natur. Und damit kommen wir zurück zur Ente. Sie gehört nämlich ebenfalls zu den Legenden, denn – und das ist kein Märchen – sie legt regelmässig Eier, wie das auch Hühner und Spatzen tun. Die Ente ist also die Eier-Legende. Darum sollten wir, wenn wir von Legenden reden, künftig das e auf der ersten Silbe betonen. Die vielen männlichen Legenden, die uns die Medien präsentieren, wären dann keine mehr.

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Printmedien üben sich kaum mehr in gegenseitiger Blattkritik. Infosperber holt dies ab und zu nach.

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2 Meinungen

  • am 5.03.2019 um 12:27 Uhr
    Permalink

    Eierlegende Eierlegende hat Eierlegende erreicht.

  • am 6.03.2019 um 14:09 Uhr
    Permalink

    Es lohnt sich neben obigen Ausführungen den ganzen WIKI-Artikel zu lesen, z.B.

    Der Begriff leitet sich von dem mittelalterlich-lateinischen Ausdruck LEGENDA ab,
    was so viel bedeutet wie „das, was zu lesen ist“, – „das Vorzulesende“ bzw. „die zu lesenden Stücke“. Bereits in der Antike entstanden literarische Erzählungen über Personen, die als «überragende» Persönlichkeiten und „Heilige“ wahrgenommen werden sollten.

    Noch eins, bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibt :
    Erasmus von Rotterdam unterschied die fabulae fictae (frei erfundene Erzählungen[16]) von den historischen FACTA (Tatsachen). Letztere könnten mit der historisch-philologischen Kritik auf ihre Echtheit geprüft werden. Zudem seien nach Erasmus nur die facta für die educatio (Bildung) des Humanisten geeignet.

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