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Mit Plakaten machen die Erbschaftssteuer-Gegner auf Panik. Die «Sonntags-Zeitung» stimmt in den Chor ein. © SRF

Die «Sonntags-Zeitung» hat ein Herz für die Reichen

Marco Diener /  Die Studie ist alt. Und sie ist gekauft. Die «Sonntags-Zeitung» macht damit trotzdem Stimmung gegen die Erbschaftssteuer.

Die Prognose ist nicht sonderlich gewagt: Ende November wird die Erbschaftssteuer-Initiative der Jungsozialisten abgelehnt. Und zwar deutlich. Umso erstaunlicher ist die Nervosität, die sich bei den Gegnern der Initiative breitmacht.

Zum Beispiel bei der «Sonntags-Zeitung».

Ja, Sie haben richtig gelesen: Die «Sonntags-Zeitung» gehört ganz offensichtlich zu den Initiativ-Gegnern. Sie macht Politik. Und sie tut das nicht zum ersten Mal zugunsten der Reichen:

  • Im Februar letzten Jahres, kurz vor der Abstimmung zur 13. AHV-Rente, litt sie mit Leuten wie Novartis-Chef Vas Narasimhan oder UBS-Chef Sergio Ermotti: Sie «zahlen über eine Million Franken in die AHV. Jetzt sollen sie noch mehr geschröpft werden.» Die Zahlen waren zwar falsch. Aber die Unterstützung der «Sonntags-Zeitung» war bei den Initiativ-Gegnern bestimmt willkommen.
  • Im Juli 2024 behauptete sie: «Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler sieht sich wegen der Erbschaftssteuer-Initiative gezwungen, auszuwandern, und zwar noch bevor das Volksbegehren der Juso zur Abstimmung kommt.» Spuhler ist zwar immer noch da. Aber die Initiativ-Gegner dürften sich auch hier über die Unterstützung der «Sonntags-Zeitung» gefreut haben.
  • Die «Sonntags-Zeitung» erklärte im gleichen Artikel: «Käme die Initiative durch, müssten Superreiche künftig beim Erben oder bei Schenkungen an ihre Nachkommen die Hälfte des Vermögens als Erbschaftssteuer dem Staat abliefern.» Was doppelt falsch war. Denn erstens müssten nicht die Erblasser, sondern die Erben die Steuer zahlen. Und zweitens nur auf dem Teil, der 50 Millionen überschreitet.

Fünf Wochen vor der Abstimmung legte sich die «Sonntags-Zeitung» vorgestern nochmals ins Zeug. Sie führte ein grosses Interview mit Reto Föllmi. Föllmi ist Professor für Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen. Er hat zusammen mit zwei Autoren in einer Studie die mutmasslichen Auswirkungen der Juso-Erbschaftssteuer-Initiative untersucht.

Die Studie ist gekauft

Die Studie wurde von «Swiss Family-Business» in Auftrag gegeben. «Swiss Family-Business» ist eine Interessensorganisation familien- und inhabergeführter Unternehmen. Die Organisation ist Gründerin des «Überparteilichen Komitees gegen die Juso-Initiative». Das ist eines von zwei Nein-Komitees. Mit anderen Worten: Föllmi und seine Studie sind gekauft.

Aber die Studie scheint den Journalisten der «Sonntags-Zeitung» trotzdem zu gefallen. Oder gerade deshalb. Jedenfalls ist das Interview völlig unkritisch. Bundeshausredaktor Mischa Aebi fragt etwa: «Herr Föllmi, was ist das Fazit Ihrer Studie in drei Sätzen?» Einen schöneren Steilpass kann sich ein Interviewter nicht wünschen.

Niemand weiss es

Föllmi braucht dann trotzdem vier Sätze, um sein Schreckensszenario zu skizzieren: «Bund, Kantone und Gemeinden würden insgesamt nicht mehr, sondern weniger Steuern einnehmen. Gemäss unseren Berechnungen würden vermögende Personen mit Gesamtvermögen von rund 310 Milliarden Franken ins Ausland ziehen. Sie würden nicht nur keine Erbschafts-, sondern auch keine Einkommens- und Vermögenssteuern mehr zahlen. Unter dem Strich verliert die öffentliche Hand dadurch rund 2,1 Milliarden Franken pro Jahr.»

Statt naive Fragen zu stellen, hätte Bundeshausredaktor Aebi besser die Studie genau angeschaut. Dann hätte er vielleicht diesen Satz gefunden: «Niemand weiss heute schon, wie betroffene Personen tatsächlich reagieren werden. Sie selbst wissen es oftmals nicht.» Damit wäre die Sache eigentlich bereits erledigt gewesen. Denn allein schon dieser Satz zeigt, wie ernst die Studie zu nehmen ist.

Die vertiefte Lektüre der Studie bestätigt den ersten Eindruck. Sie beruht grösstenteils auf Annahmen. Das Wort «Annahme» taucht in der Studie 27 Mal auf. Zudem haben sich die Studienautoren auf fragwürdige Literatur aus dem Ausland gestützt. Zum Beispiel eine Studie aus den USA, die auf Daten aus den Jahren 1965 bis 1998 basiert.

Trotz des spekulativen Charakters der Studie titelt die «Sonntags-Zeitung»: «75 Prozent der Milliardäre würden bei einer Annahme der Juso-Initiative auswandern.» Ganz so, als ob das eine Gewissheit wäre.

Acht Monate alt

Dass es der «Sonntags-Zeitung» weniger um Information als vielmehr um Politik geht, zeigt auch der Zeitpunkt, zu dem sie die Studie vorstellt beziehungsweise das Interview mit Föllmi führt. Denn veröffentlicht wurde die Studie vor mehr als acht Monaten. Swissinfo hat darüber schon im Februar berichtet. Ganz offensichtlich geht es der «Sonntags-Zeitung» darum, kurz vor der Abstimmung noch einmal Stimmung gegen die Initiative zu machen.

Auf eine gewisse Weise würde die «Sonntags-Zeitung» bei einer Annahme der Erbschaftssteuer-Initiative auch zu den Betroffenen gehören. Denn sie ist Teil der TX-Group. Die TX-Group ist über zwei Milliarden Franken wert. Sie gehört mehrheitlich der Familie Coninx. Mehrere Familienmitglieder besitzen allein durch ihre Beteiligung an der TX-Group über 50 Millionen Franken – ganz abgesehen vom restlichen Vermögen. Sie wären also betroffen, wenn die Erbschaftssteuer-Initiative angenommen würde.

Und noch ein kleines Detail am Rande. Infosperber wollte von der Uni St. Gallen und von «Swiss Family-Business» wissen: «Wie viel hat ‹Swiss Family-Business› der Uni St. Gallen für die Studie bezahlt?» Eine genaue Antwort bekam Infosperber nicht. «Swiss Family-Business» schrieb bloss: «Die Kosten der Studie beliefen sich auf einen Betrag im mittleren fünfstelligen Bereich.»


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