Wasserwerke schlagen Alarm: TFA bedroht das Trinkwasser
Die Belastung des Trinkwassers mit dem PFAS Trifluoracetat (TFA) beunruhigt die Wasserwerke. «Wir machen uns Sorgen um die Qualität der wichtigsten Trinkwasserressource, dem Grundwasser», warnte Christos Bräunle vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs (SVGW) Anfang Mai gegenüber dem Schweizer Fernsehen.
Schon einige Wochen vorher hatte die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) vom Hochrhein berichtet: Noch sei die Trinkwasserqualität gut, aber die TFA-Belastung habe sich in den letzten acht Jahren verdoppelt. «Das Trinkwasser könnte irreversibel geschädigt werden», warnten die AWBR-Verbandspräsidenten Matthias Maier und Roman Wiget. Der Arbeitsgemeinschaft gehören 60 Wasserversorgungsunternehmen aus der Schweiz, Österreich, Liechtenstein, Frankreich und Deutschland an.
Besonders in landwirtschaftlich genutzten Regionen
Trifluoracetat ist sehr gut wasserlöslich und findet sich seit langem im Oberflächenwasser und auch in Lebensmitteln. Dorthin gelangt es über Abwässer und Regenwasser, das TFA aus Kältemitteln enthalten kann. Die Kühlgase steigen in die Atmosphäre auf und spalten dort TFA ab, das durch Regen wieder zur Erde gelangt. Infosperber berichtete im Februar beispielsweise über TFA in Wein.
Die wichtigsten TFA-Quellen neben sogenannten F-Gasen sind Pestizide und Industrieabwässer. Nach einer Auswertung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) ist das Grundwasser in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen in der Schweiz überdurchschnittlich mit TFA belastet.
Hauptquellen von Trifluoracetat (TFA) in der Umwelt
- Pestizide, vor allem solche mit den Wirkstoffen Flufenacet, Diflufencican und Fluazinam
- Kältemittel und Treibgase wie HFKW-134a, HFKW-143a oder HFKW-227ea in Klimaanlagen, Wärmepumpen und Kühlmitteln.
- Chemische Produktion anderer Stoffe
- Zerfallsprodukt anderer, längerkettiger PFAS
- Medikamente, Dünger etc.
Nach Einschätzung der Wasserwerke stammt etwa die Hälfte der TFA-Belastung aus Industrie, Gewerbe und Haushalten, die andere Hälfte aus der Landwirtschaft.
TFA galt lange als unschädlich
Dass TFA Wasserorganismen beeinträchtigt, ist lange bekannt. Für Menschen galt es in den fraglichen Mengen als unschädlich. Im vergangenen Jahr wurde jedoch ein Versuch von 2021 öffentlich, bei dem Kaninchenembryos durch TFA Schäden davongetragen hatten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Chemikalie auch bei Menschen fortpflanzungsschädigend wirkt, ist gross. Deutschland reichte bei der Europäischen Chemikalienagentur den Vorschlag ein, TFA als reproduktionstoxisch oder fortpflanzungsschädigend in der Kategorie 1B einzustufen («Kann das Kind im Mutterleib schädigen. Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.»).
Dazu kommt: Trifluoracetat gehört zu den Ewigkeitschemikalien. Es zerfällt nicht, sondern reichert sich immer weiter an. Besonders beunruhigend: Mit den bisher genutzten Methoden lässt sich TFA kaum aus dem Wasser entfernen. Aktivkohlefilter, wie sie bei anderen PFAS-Verunreinigungen zum Einsatz kommen, halten TFA nicht zurück.
Grenzwerte hinken hintennach
Aktuell gilt in der Schweiz ein genereller Grenzwert von 10 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser für unbekannte Stoffe oder solche aus Pflanzenschutzmitteln. Deutschland orientiert sich an einem Leitwert von 60 Mikrogramm, der kein Grenzwert ist, sondern ein Anhaltspunkt. Dazu gibt es einen Schwellenwert von 10 Mikrogramm für Pestizidabbauprodukte.
Würde TFA als reproduktionstoxisch eingestuft, wären in der EU nur noch 0,1 Mikrogramm pro Liter erlaubt. Sollte die EU, wie derzeit diskutiert, diesen Höchstwert für TFA festlegen, werde die Schweiz diesen prüfen und übernehmen, so das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit gegenüber dem SRF.
Durchschnittlich liegen die TFA-Werte in Grund- und Oberflächenwasser aber bereits bei etwa 0,7 Mikrogramm pro Liter – mit Spitzen bis zu mehreren Dutzend Mikrogramm. Und sie werden voraussichtlich weiter steigen. Ein EU-Grenzwert käme also womöglich zu spät.
«Strukturwandel in der Wasserversorgung»
Trinkwasser müsste dann mittels Umkehrosmose aufbereitet werden, erklärte Christos Bräunle, Sprecher beim Fachverband für Wasser, Gas und Wärme (SVGW) gegenüber dem SRF. Reverse Osmose ist ein technisch aufwendiges und teures Verfahren. «Technisch wäre das möglich, aber es würde einen Strukturwandel in der Wasserversorgung bedeuten», sagt Bräunle. Einzelne Gemeinden könnten sich solche Anlagen kaum leisten. Einmal mehr würden die Steuerzahlenden die Kosten tragen und nicht die Verursacher.
Verantwortliche fordern schnelles PFAS-Verbot
Nichts zu tun wird aber nicht nur potenziell giftiger, sondern auch aufwendiger und noch teurer. Das Umweltministerium in Baden-Württemberg fordert daher nicht nur strenge Grenzwerte, sondern auch eine umfassende Regulierung von Herstellung, Nutzung und Entsorgung von PFAS. «Nur so entsteht der Anreiz, sicherere Alternativen zu entwickeln», betont Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker. Offensichtlich ist auf die Eigenverantwortung der Industrie kein Verlass.
Das sei jetzt und umgehend nötig, sagt auch Matthias Maier vom AWBR gegenüber dem Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) und spricht von einem «Bremsweg», den man brauche, um die Verschmutzung in den Griff zu bekommen. Noch sei die Qualität des Grundwassers gut. Bis eine Verschmutzung im Grundwasser ankommt, kann es jedoch dauern. Ohne ein Umdenken drohe TFA zu einer Ewigkeitslast für kommende Generationen zu werden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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