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Die «heute Show» macht sich über die verschiedenen Regeln in den deutschen Bundesländern lustig. © zdf

«Covid-19 lohnt sich nicht mehr, im Frühjahr kommt Covid-20»

Helmut Scheben /  Die Bonmots und Witze rund um die Pandemie nehmen die Corona-Politik aufs Korn. Gut so, Humor hat «entängstigende» Wirkung.

In Berlin kursierte bei Beginn der Pandemie ein Witz:
«Die Berliner haben in China angefragt, ob die Arbeiter, die das Krankenhaus in Wuhan gebaut haben, nicht auch den Berliner Flughafen fertigstellen könnten. China hat abgesagt. Nur für einen Tag schicken sie die Leute nicht los.»
Die Berlinerinnen und Berliner, ob links oder rechts, gross oder klein, dick oder dünn, können noch über sich selber und ihre Stadtregierung lachen. Wo kämen wir hin, wenn zwischen unserem Ego und der Gesellschaft nicht ein Rest von heiterem Tageslicht bestehen würde?
Was hat man nicht alles für Corona-Witze gehört. Wie den über Corona-Bier, das die Mexikaner nun des kleineren Übels willen in «Ebola-Bier» umbenennen. Wäre das sprichwörtliche Radio Eriwan noch dieselbe Quelle des Humors wie zu Zeiten der Sowjetunion, dann wüssten wir, woher der derzeit im Osten kursierende Witz stammt:
«Gegen Covid-19 gibt es nichts Besseres als jeden Tag drei Knoblauchzehen essen. Und das hilft gegen den Virus, Towaritsch? Nein, aber dann ist es leichter, den Abstand einzuhalten.»
Für Humor sorgt auch Lukaschenko, der gesagt haben soll, gegen Covid-19 helfe Wodka und Traktorfahren an der frischen Luft.

Humor gegen Ohnmacht
Es ist kein Zufall, dass die Corona-Situation in den sozialen Medien einen Tsunami von Witzen hervorbringt. Eine der vielen Funktionen von Humor sei die «entängstigende Wirkung», schreibt der Psychotherapeut Arist von Schlippe. Die erschreckende Realität wird relativiert: «Manche Witze bringen den Erzähler in eine interessante Position, nämlich die fantasierte Überlegenheit angesichts der Erfahrung eigener Ohnmacht.» Der Witz ist die Waffe der Ohnmächtigen. Sein Kennzeichen ist die Respektlosigkeit, mit der hinter die Fassaden sozialer Ordnung geschaut wird.
Diese soziale Ordnung, das werden selbst die eisernen Corona-Polizisten einräumen, ist derzeit im Begriff, selbst zur Realsatire zu verkommen. Wer verreist, wird bei der Einreise ins Nachbarland eingesperrt (Ausnahmen gibt es immerhin für Schweizer Einkaufstouristen in Baden-Württemberg). Oder er wird bei der Rückkehr eingesperrt. Das nennt man Quarantäne.

Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales von Nordrhein-Westfalen wird in der Tagesschau gefragt, wie es denn nun mit den Kneipen und dem Feiern stehe: Bier sei ja ok, meint Karl-Josef Laumann, «aber mit Schnaps wäre ich eher vorsichtig.» Ganz im Gegenteil, möchte man einwenden: «In Zeiten wie diesen müsste der Schnaps vom Staat gratis verteilt werden», wie es Bert Brecht einmal in seinem Tagebuch notierte.
Nun wird uns zwar jeden Tag gesagt, es sei fünf vor zwölf, aber mein Nachbar, Repräsentant des Volkshumors, knurrt nur gelassen:
«Fünf vor Zwölf? Halb so schlimm, nächstes Wochenende wird die Zeit eine Stunde zurückgestellt.»

Vielleicht mal eine Waldweihnacht – und dann kommt der Traktor von Lukaschenko?

In Österreich sagte der Kanzler: Für «Veranstaltungen indoor» dürfen sechs Leute mitmachen, mehr nicht. Eine Familie mit drei Kindern könnte also die Weihnachtsgans entweder mit einem Opa oder mit einer Oma geniessen, aber nicht mit beiden. Und in der Schweiz? Ist das Weihnachtsfest mit der Familie noch erlaubt? Alle in einem Zimmer? Gottseibeiuns! Marcel Tanner, Epidemiologe und Mitglied der Task Force, weiss im Radio-Interview einen Ausweg: «Vielleicht wäre auch mal eine Waldweihnacht, wie wir sie bei den Pfadfindern gefeiert haben, eine Alternative.» An der frischen Luft nämlich, da könnte uns auch Lukaschenko auf dem Traktor entgegenkommen.

Hundefutter und Katzenfutter: Die Corona-Profiteure.

Ein Hundezüchter aus Bischofszell sagt, seit Beginn der Corona-Pandemie sei die Nachfrage nach Hunden fast so exponentiell gestiegen wie die Kurven der «Fallzahlen». Auch Hamster und Wellensittiche werden gekauft wie nie zuvor. Der Haustier-Boom lässt auch bei den Herstellern von Hunde- und Katzenfutter die Kassen klingeln. Soll also niemand sagen, nur Bill Gates und BlackRock machten Kohle mit der Seuche.

Was tut der Mensch in Quarantäne? Ausser Corona-News gibt’s ja kaum noch Neues, die täglichen «Fallzahlen» ähneln zunehmend der Ziehung der Lottozahlen und Netflix ersetzt nicht wirklich den Gesprächspartner. Also erzählt man seine Sorgen dem Büsi «Simonetta» oder dem Dackel «Dani Koch». Reden mit Haustieren sei völlig normal, sagen Psychiater. Eine fachliche Hilfe sei erst empfohlen, wenn die Haustiere anfangen zu antworten.

Der Soziologe Peter Berger nennt das Lachen und die Situation des Komischen eine Art «Inselerfahrung». Wenn wir lachen, ist die ernsthafte Welt für einen Moment suspendiert. Wir sind auf einer Insel weit weg von ihr. Das beste Beispiel sei der Clown, sagt Berger: «Dem Clown kann nichts passieren. Er kommt immer wieder auf die Beine. Er bekommt eins auf den Kopf, und es tut ihm nicht weh. Er fällt auf den Hintern und steht wieder auf. Er ist wunderbar unverwundbar (…) Der Clown-Komödiant erscheint uns auf einer Insel von Sicherheit und Wohlbefinden in einer Welt, von der wir sehr wohl wissen, dass sie nicht sicher und unserem Wohlergehen nicht förderlich ist. Diese Erfahrung des Komischen hat eine seltsame Ähnlichkeit mit der religiösen Erfahrung.» Denn auch Religion sei ein Versprechen auf eine sichere Welt, ein Versprechen auf eine Insel der Erlösung. (1)

«Symptomfreie Patienten» und das kreative Schreiben.

«Das derzeitige Corona-Theater kommt mir vor wie eifriges Staubsaugen auf der Titanic», schreibt ein humorvoller Blogger. Wenn man sehe, in welchem Mass die Erde durch Pestizide und toxischen Abfall zerstört werde und wieviel Krankheit und Tod damit unter Menschen, Pflanzen und Tieren verursacht werde, dann könne man über die Corona-Panik nur den Kopf schütteln.

Erlösung ist nicht in Sicht, aber ein Gespenst geht durch Europa. Es heisst Corona-Müdigkeit. Viele Leute haben keine Lust mehr auf Corona. Und es ist oft auch verwirrend: Dem türkischen Gesundheitsminister wurde vorgeworfen, er schummele bei der Corona-Statistik. Was er denn genau falsch gemacht habe, wird in den SRF-Radionachrichten gefragt. Er habe «die symptomfreien Patienten» nicht mitgezählt, belehrt uns der Korrespondent in Istanbul. Also simulierende Kranke? Frei nach Molière? Manche Sprachverrenkungen würden auf jeder Kleinkunstbühne Applaus garantieren.
Wie der Volkshumor darauf reagieren würde, war vorauszusehen:
«Vergiss Covid-19, im Frühjahr kommt schon die neue Version: Covid-20».

Erich Honecker, ehemaliger Generalsekretär der SED in der damaligen DDR, gratuliert Deutschland …

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1) Redeeming Laughter: The Comic Dimension of Human Experience (1997)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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