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Lage der Leber im menschlichen Körper © Depositphotos

Kranke Leber durch Umweltchemikalien

Daniela Gschweng /  Vor allem Ältere können eine durch PFAS geschädigte Leber haben, fand eine Metastudie aus den USA. Viele wissen gar nichts davon.

Bisher waren PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen), die sich in Lebensmitteln, Trinkwasser und vielen Gebrauchsgegenständen befinden können, eher bekannt für ihren Einfluss auf die menschliche Fruchtbarkeit und Störungen des Immunsystems. Darauf, dass sie den Leberstoffwechsel stören, gab es aber schon länger Hinweise.

Forschende aus den USA fragten sich, warum die Leberverfettung bei Menschen immer häufiger vorkommt. Dabei stiessen sie auf Schadstoffe, speziell solche, die sich im Körper anreichern und sich lange Zeit nicht abbauen. Für einige PFAS trifft beides zu. Sie bleiben im Körper und werden nur sehr langsam abgebaut, weshalb PFAS auch «ewige Chemikalien» heissen.

«PFAS sollten als leberschädigend bezeichnet werden»

Alan Ducatman, emeritierter Professor der Universität West Virginia

Die Studie aus den USA, die im Fachmagazin «Environmental Health Perspectives» publiziert wurde, fasst andere Arbeiten zum Thema zusammen und bestätigt den Einfluss von PFAS auf die Leber. PFAS sollten getrost als leberschädigend oder hepatotoxisch bezeichnet werden, sagt Alan Ducatman, emeritierter Professor an der School of Public Health der Universität West Virginia, der an der Arbeit nicht beteiligt war, aber einen Kommentar dazu mitverfasst hat.

Eine der häufigsten Ursachen für eine Lebererkrankung ist Alkoholmissbrauch. Aber auch ohne Alkohol kann die Leber verfetten. Jeder vierte Erwachsene weltweit hat eine nicht durch Alkohol bedingte Fettleber (nonalcoholic fatty liver disease, NAFLD). Tendenz: steigend. NAFLD ist mittlerweile eine der häufigsten chronischen Krankheiten weltweit. Bis 2030 wird voraussichtlich ein Drittel der Erwachsenen in den USA daran leiden.

Fettleber entsteht durch eine Stoffwechselstörung

NAFLD entsteht durch eine Störung im Leberstoffwechsel. Die Leber ist nicht mehr in der Lage, Fett abzutransportieren, und lagert es ein. Diabetes, Übergewicht, Mangelernährung und bestimmte Medikamente erhöhen das Risiko, an NAFDL zu erkranken – bei Übergewichtigen und Zuckerkranken ist die Erkrankung deutlich häufiger als im Durchschnitt. Das grösste Risiko haben über 60-Jährige.

Für ihre Studie suchten die Forschenden in zwei wissenschaftlichen Datenbanken nach Arbeiten, die den Zusammenhang zwischen PFAS und Lebererkrankungen bei Menschen und Tieren untersucht hatten.

Bei der Analyse beschränkten sie sich dann auf 24 epidemiologische Studien an Menschen und 85 Studien an Nagetieren sowie vier bekannte Stoffe aus der mehrere tausend Substanzen umfassenden Klasse der PFAS: PFOA (Perfluoroctansäure), PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), PFNA (Perfluornonansäure) und Perfluorhexansulfonsäure.

Kein ursächlicher Nachweis, aber das Risiko steigt

Vor allem PFOS und PFNA standen dabei mit einem höheren Spiegel des Enzyms Alanin-Aminotransferase (auch GPT abgekürzt) im Blut von Menschen in Verbindung, der ein Zeichen für eine Lebererkrankung ist. PFOA wurde zudem mit erhöhten Werten anderer Leberenzyme in Verbindung gebracht. Alle PFAS verursachten Leberverfettung bei Nagern.

Ein direkter, ursächlicher Zusammenhang zwischen PFAS und NAFLD bei Menschen ist damit noch nicht nachgewiesen. Es ist wahrscheinlich, dass die Umweltschadstoffe die Anfälligkeit für eine Leberverfettung erhöhen, welche durch andere Faktoren wie zu üppige Ernährung und Bewegungsmangel bereits hoch ist. 

Viele Betroffene wissen von nichts, in der Schweiz ist die Lage aber besser als in den USA

NAFLD ist keine gravierende Krankheit, kann aber die Vorstufe zu einer Leberentzündung sein. Bei einem kleinen Teil der Betroffenen entwickelt sich ein schwerer Leberschaden bis hin zur Zirrhose. Statistisch erhöht NAFLD die Wahrscheinlichkeit, an einer anderen Stoffwechselkrankheit zu sterben.

Die meisten Betroffenen wissen von der Verfettung ihrer Leber nichts. Die Symptome einer Lebererkrankung sind meistens unspezifisch wie Müdigkeit oder Blähungen. Die Leber ist zwar sowohl ein grosses wie auch wichtiges Organ, sie schmerzt aber nicht. Eine unerkannte Leberverfettung haben vor allem ältere Menschen.

Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, Leberprobleme festzustellen, in der Schweiz höher als in den USA, wo die Studie erstellt wurde. Das Enzym ALT, das auf Laboranalysen hierzulande auch als GPT auftaucht, wird bei Routine-Check-ups meist erfasst.

Auch in der Schweiz nimmt die Fettleber-Erkrankung zu

Die schlechte Nachricht: Giftige PFAS-Chemikalien kann man teilweise vermeiden, völlig entgehen kann ihnen aber fast niemand. Sie stecken in Alltagsprodukten wie Verpackungen, Reinigungsmitteln, Skiwachs, Kleidern und Lebensmitteln. Einge PFAS sind inzwischen verboten, sie finden sich wegen ihrer schlechten Abbaubarkeit aber noch immer in der Umwelt.

Und die gute Nachricht zum Schluss: Wenn die Leberschädigung noch nicht fortgeschritten ist, kann man gegen Leberverfettung einiges tun, egal, wodurch sie verursacht wurde. Durch – Sie ahnen es – mehr Bewegung, gesündere Ernährung und Mässigung beim Alkoholkonsum.



Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 3.06.2022 um 11:40 Uhr
    Permalink

    Kein Mensch ist in der Lage, sich gegen alle Giftstoffe, die in Nahrung, Trinkwasser und in der Luft enthalten sind, zu schützen. Hervorgerufen durch Profitgier der Hersteller und durch Werbung erzeugte Konsumsucht der Verbraucher haben wir uns von einer «natürlichen» Lebensweise weit entfernt. Die chemischen Zusätze in Lebensmitteln und die Schadstoffe im Trinkwasser sind nichts weiter als ein Beleg für die Gier der Menschen. Obwohl wir um die Schädlichkeit vieler Produkte und Zusatzstoffe wissen, die negativen Auswirkungen unserer komfortbetonten Lebensweise kennen, sind wir nicht mehr zu einem Wandel in der Lage. Der wäre auch gar nicht mehr möglich, weil wir die Natur dauerhaft und irreversibel geschädigt haben und munter weitermachen. Auf die menschliche Vernunft können wir nicht hoffen, auf die Poltik schon gar nicht, denn die wird sich nicht gegen die großen Konzerne stellen. Also weg mit der Leber, auf die Tonsillen können wir ja auch verzichten.

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