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Typhuserreger sind eine der Bakterienarten, die bisher am meisten Resistenzen entwickelt haben. © pixabay

1,3 Millionen Tote im Jahr durch Antibiotikaresistenzen

Daniela Gschweng /  An Infektionen mit resistenten Bakterien sterben mehr Menschen als an AIDS oder Malaria, stellt eine umfassende Analyse fest.

Jeden Tag sterben 3500 Menschen weltweit an Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien, im ganzen Jahr 2019 waren es 1,27 Millionen. Fast fünf Millionen Todesfälle standen mit resistenten Erregern in Verbindung. Gegen Antibiotika unempfindliche Bakterienstämme stellen damit eine erhebliche Bedrohung für die Menschheit dar.

Das geht aus der bisher umfassendsten Studie über Antibiotikaresistenzen hervor, die im Januar in der Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlicht wurde. Die erste globale Auswertung über Resistenzen deckt mehr als 200 Länder und/oder Gebiete ab. Forschende der Universität Washington untersuchten Daten aus 471 einzelnen Quellen auf 23 resistente Erreger und 83 Erreger-Wirkstoff-Kombinationen.

Mehr Tote als durch Aids oder Malaria

Antibiotikaresistenzen fordern mehr Menschenleben als HIV/Aids oder Malaria, woran 2019 zusammen 1,5 Millionen Menschen gestorben sind. Das macht sie zu einer der häufigsten Todesursachen weltweit.

Am meisten Menschen sterben im westlichen Afrika südlich der Sahara und in Südasien. Häufigste Ursache ist eine Infektion der unteren Atemwege, gefolgt von Blutvergiftungen. Am stärksten bedroht sind Kinder unter fünf Jahren, die ein Fünftel der Verstorbenen ausmachen. Die grosse Mehrheit der Todesfälle geht auf nur sechs Bakterienarten zurück.

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Anteil der Todesfälle, die 2019 auf eine bakterielle Resistenz gegen antimikrobielle Mittel zurückzuführen (dunkle Balken) und damit verbunden sind, nach GBD-Region (GBD=Global Burden of Diseases).

Forschende fordern grössere Anstrengungen

Die Menschheit müsse die erhobenen Daten nutzen, wenn sie im Wettlauf um Resistenzen die Nase vorn haben wolle, sagt Chris Murray, Professor am Institut für Gesundheitsmetriken und Evaluierung der Universität Washington und Co-Autor der Studie. Die Ergebnisse seien «ein klares Signal, dass wir jetzt handeln müssen».

Ramanan Laxminarayan, ebenfalls Gesundheitsexperte an der Universität Washington, bezeichnet Antibiotikaresistenzen als «übersehene Pandemie».

Grundsätzlich wird es Resistenzen immer geben, egal, welche Mittel die Menschheit dagegen findet. Die Natur ist im Kampf gegen Medikamente auf längere Sicht einfach besser. Umso wichtiger ist es, die Zeit, während der Antibiotika wirken, möglichst zu verlängern. Auch die Datenerfassung sei noch immer lückenhaft, kritisieren die Forschenden.

Was helfen kann: Hygiene, Kontrolle, Regulierung

Zu den Gegenmitteln gehören beispielsweise verbesserte Hygienemassnahmen gegen die berüchtigten «Krankenhauskeime», die Entwicklung neuer Antibiotika und eine bessere Regulierung und Kontrolle ihrer Nutzung.

Noch immer werden Antibiotika beispielsweise vorsorglich bei viralen Infekten verordnet, obwohl sie gegen Viren nichts bewirken. In der Massentierhaltung werden sogenannte Reserveantibiotika noch immer in grossen Mengen eingesetzt – das heisst, Medikamente, die der Verwendung bei Menschen vorbehalten sein sollten, weil sie das letzte Mittel gegen sonst womöglich tödliche Infektionen sind. Je mehr wir Fleisch aus der Massentierhaltung essen, wo gegen Krankheiten Antibiotika sogar präventiv eingesetzt werden, umso weniger sind Antibiotika wirksam, wenn wir sie selber brauchen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Antibiotika

Wenn Antibiotika nicht mehr wirken

Eine tödliche Gefahr im Spital: Keime, die gegen Antibiotika resistent sind, verbreiten sich seit langem.

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4 Meinungen

  • am 12.02.2022 um 11:28 Uhr
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    Die Absurditäten im weltweiten Gesundheitssystem werden hier einmal mehr ersichtlich – danke für den interessanten Beitrag. Ich frage mal (eigentlich nur rhetorisch), inwiefern es die Hersteller wohl kümmert und berührt, wenn sich ihre Antibiotika nicht als wirksam erweisen. Um festzustellen, dass die Wirkung ausbleibt, muss eine Arznei überhaupt erst verabreicht werden. Ergo – der Absatz stimmt, die Bilanz Ende Jahr sieht gut aus.
    Man möge mir die negative Betrachtungsweise verzeihen. Die Ereignisse der letzten zwei Jahre haben mein Vertrauen in die Pharmaindustrie von einem noch vorhandenen Minimum auf Null sinken lassen.

  • am 12.02.2022 um 15:45 Uhr
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    Wieder mal hat der Infosperber ein wichtiges Thema aufgegriffen, Danke. Es gibt viele Alternativen zu den Antibiotikas, welche immer mehr ihre Wirkungen verlieren. Doch der gewinnorientierte Pharmamarkt und die damit verknüpften Zulassungsstellen lassen oft altbewährte Mittel nicht mehr zu. Es wird sogar eine einseitige Propaganda gegen solche Mittel betrieben, indem man derren Nachteile oder Nebenwirkungen in den Mittelpunkt stellt, und die positiven Effekte ausblendet. Ich werde hier die Namen dieser, in anderen Ländern zum Teil zugelassenen Medizinalien nicht aufzählen, weil ich keine verbalen Gewalttäter mehr ertragen kann. Solange der Radikal-Gewinnorientierte Markt die Zulassungen mitbestimmt, und günstige, patentabgelaufene Biozide und andere antibiotische Medizinalien vom Markt entfernt, muss es bis zur Einsicht wieder mal viele Tote geben. Der Radikal-Kapitalismus, enthumanisiert, lässt grüssen. (Literaturhinweis: Alexander Ziegler) Viele gute Aerzte mit Fronterfahrung erleben diesen Nachteil ebenfalls, wer es sich leisten kann, geht ins Ausland, zum Naturheilpraktiker, oder in eine nicht registrierte schwarze Praxis. Ein trauriges Kapitel der Medizingeschichte.

  • am 12.02.2022 um 18:26 Uhr
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    Ich habe schon vor Jahren TV-Sendungen zu diesem Thema gesehen und erinnere mich, dass das Problem in Deutschland besonders stark ist wegen der Tierfabriken, deren Abluft mit solchen Keimen geladen ist. Und Landwirte sind in Spitälern offenbar ein besonderes Risiko deswegen und werden teilweise isoliert.
    Ich frage mich, weshalb das Thema so wenig beachtet wird, im Gegensatz zum Covid-19 Thema, das eher zu viel Beachtung erhält. Ich kenne jedenfalls mehrere Leute, welche im Spital schlimme Infekte in Gliedmassen mit bleibenden Schäden bekamen, aber niemanden, der einen schlimmen Verlauf von Covid-19 hatte.

  • am 12.02.2022 um 19:23 Uhr
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    Ich würde gerne erheblich spezifizieren.

    Das größte Problem der Resistenzentwicklung besteht im Verhalten der Pharmafirmen. Wenn sie eine neue Substanz mit überlegenen Eigenschaften haben, so wäre es sachlich geboten, diese Substanz in Reserve und nur für ausgesuchte Fälle vorzuhalten, in denen die Standardantibiotika nicht mehr wirken. Das aber steht in 180° Gegensatz zum Firmenziel, den in der Regel noch 12 Jahre laufenden Patentschutz für ein maximales Pay back der Investitionskosten zu nutzen, sprich, die Substanz mit aller Macht in den Markt zu drücken und zu amortisieren. Da sich jedes Antibiotikum durch den Gebrauch abnutzt, also seine Wirksamkeit durch Resisitenz nach und nach verliert, ist eine Breitenanwendung der schnellste Weg zum Wirkverlust.

    Ein klassisches Beispiel dafür ist das Antibiotikum Ciprofloxacin. Als es auf den Markt kam, fegte es auch schwere bakterielle Infekte mit Problemkeimen (gegen die mehrere Antibiotika wirkungslos geworden / waren) in einer beispiellosen Souveränität weg. Es war in manchem Belang ein antibiotisches Wundermittel. Das hätte ein klassisches Reserveantibiotikum bleiben müssen. Aber die Herstellerfirma drückte es mit riesigem Aufwand in den Markt, die Ärzte waren angetan und es kam aus meiner Sicht sogar dahin, dass z.B. urologische Hygienemängel mit Ciprofloxacin angegangen wurden.

    Heute gibt es zahlreiche Resistenzen gegen die ehemals wertvollste Substanz und das ist weitestgehend die Schuld von «Pharma» und Ärzteschaft.

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