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Die Klimaexperten Matthew Hayek (li.) und Paul Behrens fühlen sich und ihre Arbeit von der FAO missbraucht und fordern die UN-Organisation auf, eine Klimastudie wegen grober Fehler zurückzuziehen. © New York University/Leiden University

Kritik an Schönfärberei in FAO-Klima-Bericht

Daniela Gschweng /  Zwei Wissenschaftler bemängeln methodische Fehler in einer Studie, die das Potenzial von Ernährungsumstellungen grob unterschätze.

Zwei Klimaforschende beschuldigen die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organisation, FAO) der Schönfärberei von Fleischkonsum nebst grober Fehler beim Berechnen einer Studie.

Emissionen aus der Viehhaltung seien in einem zur Weltklimakonferenz COP28 erschienenen FAO-Bericht systematisch zu niedrig angegeben, kritisieren die Klimaexperten Paul Behrens und Matthew Hayek in einem offenen Brief an die FAO. Und zwar gar um das «6- bis 40-Fache zu niedrig». Weniger Fleisch zu konsumieren, habe grosses Potenzial, die Klimabelastung zu verringern. Die FAO missbrauche ihre Forschung, um dieses als viel zu niedrig darzustellen. Sie fordern die FAO auf, die Studie zurückzuziehen.

Wissenschaftler bemängeln Missbrauch ihrer Arbeit

Der FAO-Bericht «Pathways towards lower emissions» beschäftigt sich mit den Auswirkungen, die die Lebensmittelproduktion auf das Klima hat. Er untersucht verschiedene Mittel, die den Klimagasausstoss verringern könnten.

Darin enthaltene Daten aus Arbeiten, an denen Behrens und Hayek beteiligt waren, würden «ernsthaft verzerrt», schreiben die beiden Experten. Paul Behrens von der Universität Leiden und Matthew Hayek von der New York University werfen der FAO systematische Fehler und unangemessene Verwendung von Quellendaten vor.

Die beiden Experten führen ausserdem an, dass die FAO für ihre Studie überholte nationale Ernährungsempfehlungen verwende. Neuere Ernährungsrichtlinien von Ländern wie China, Dänemark oder Deutschland gingen von einem deutlich geringeren Fleischkonsum aus. Umfangreiche Quellen wie die Planetary Health Diet (Infosperber: «So sieht die Ernährung zur Rettung der Welt aus») habe die FAO ignoriert.

«Vielfältige, ungeheuerliche Fehler»

Die Fehler seien «vielfältig, ungeheuerlich und konzeptionell», so Hayek gegenüber dem «Guardian». Die Fehler hätten sämtlich zur Folge, dass die Möglichkeiten, Emissionen durch Ernährungsumstellung zu reduzieren, weit geringer eingeschätzt würden, als sie sollten. Keiner der Fehler habe den gegenteiligen Effekt.

Geschätzt ein Viertel der Klimagas-Emissionen weltweit (23 Prozent) stammen aus der Landwirtschaft (IPCC 2020), der grösste Teil davon aus der Tierhaltung. Entweder direkt, etwa durch Methanemissionen, oder indirekt durch das Abholzen von Wäldern.

«Um das 6-Fache bis 40-Fache zu niedrig»

Die FAO unterschätze systematisch das Potenzial, Emissionen zu verringern, indem man die Ernährung umstelle. Und zwar aufgrund einer Reihe von methodischen Fehlern, sagen Behrens und Hayek, deren Arbeiten im Report zitiert werden.

Diese Fehler umfassten Emissionen aus der Fleischproduktion, die die FAO bis 2050 doppelt gezählt habe, die Vermischung von Daten aus verschiedenen Basisjahren und die Verwendung von Daten, die eine Ernährungsweise mit hohem Fleischanteil förderten. Darüber hinaus habe die FAO ignoriert, dass nicht bewirtschaftete Flächen Kohlenstoff binden. An einigen Stellen sei schlicht oberflächlich gerechnet worden, schreiben die beiden Wissenschaftler in der detaillierten Liste. Der FAO-Report gebe die mögliche Einsparung von Klimagasen durch Ernährungsumstellung um das 6- bis 40-Fache zu niedrig an.

FAO soll die Studie zurückziehen

Die FAO geht in ihrem Bericht von einem Einsparpotenzial von 13 bis 17 Prozent der Emissionen in den wohlhabenden Ländern und 2 bis 5 Prozent insgesamt aus. Eine 2022 publizierte Studie, in der Behrens Co-Autor ist, kommt beispielsweise auf 61 Prozent Ersparnis in reichen Ländern – ein drastischer Unterschied.

Der wissenschaftliche Konsens sei derzeit, dass eine andere Ernährungsweise der grösste Hebel sei, um Emissionen und andere Schäden zu reduzieren, die durch das Ernährungssystem verursacht würden, sagte Behrens dem «Guardian». Behrens und Hayek sehen sich und ihre Arbeit missbraucht und fordern die FAO auf, den Report zurückzuziehen.

Die Doppelrolle der FAO

Das sind happige Vorwürfe. Sie wiegen auch deshalb schwer, weil die FAO eine wichtige Rolle bei politischen Entscheiden spielt. Die Berichte der UN-Welternährungsorganisation sind eine der wichtigsten Quellen für landwirtschaftliche Daten und fliessen in viele andere Studien ein, wie die des Weltklimarats IPCC.

Die FAO habe jedoch auch den Auftrag, die Produktivität der Viehzucht zu steigern, um die Ernährung und die Lebensmittelsicherheit zu verbessern, was zu einem Interessenkonflikt führen könne, ordnet der «Guardian» ein. Die FAO versichert, nach allen wissenschaftlichen Standards gearbeitet zu haben. Sie hat zugesagt, die von den Wissenschaftlern aufgeworfenen Probleme zu prüfen und sich mit ihnen auszutauschen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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