Cartoon Bénédicte Happy Meal quadratisch

Einmal «angefixt», kommen Kinder (und auch Erwachsene) nur schwer wieder von den süssen, fettigen oder salzigen Ess- und Trinkgewohnheiten los. Das McDonalds-Cheeseburger-Brötchen zum Beispiel enthält 4,8 Gramm Zucker, ein Big Mac-Brötchen 4,4 Gramm Zucker – ein normales Weggli dagegen nur 2 und ein Butterweggli 3,4 Gramm. © Bénédicte in «24heures»

Britische Ärzte wollen Abgabe auf Zucker und Salz

Martina Frei /  In 25 Jahren liessen sich damit 650'000 bis zwei Millionen Erkrankungen infolge von Übergewicht oder Bluthochdruck verhindern.

Im Jahr 2018 führte Grossbritannien eine «Limonaden-Steuer» ein, die dem Staat bisher rund 1,5 Milliarden britische Pfund einbrachte. Dieses Geld wurde in Kampagnen gesteckt, damit sich Kinder mehr bewegen und gesünder essen. Nach Einführung der Steuer senkten die Hersteller den durchschnittlichen Zuckergehalt in Soft Drinks um fast die Hälfte.

Doch die Knirpse in Grossbritannien legten weiter an Gewicht zu. Gegenwärtig seien fast 38 Prozent der Kinder im Land übergewichtig oder fett, berichtet die britische Ärztezeitung «BMJ». Dabei wollte die britische Regierung das Übergewicht bei Kindern doch bis 2030 halbieren. Bei den Erwachsenen wiegt in England jeder Vierte zu viel. 

Deshalb schlagen nun 36 britische Organisationen, darunter die britische Ärztevereinigung, vor, künftig auch auf Zucker und Salz eine Abgabe zu erheben: Umgerechnet etwa drei Franken pro Kilo Zucker in Fertignahrungsmitteln und 6,5 Franken pro Kilo Salz – das ergäbe in 25 Jahren fast zwei Millionen verhinderte Erkrankungen, schreibt das «BMJ». Allerdings unterschlägt es dabei, dass diese Schätzung das «best case»-Szenario ist.

Freiwillige Reduktion durch die Hersteller klappte nicht

Im allerbesten Fall würde die Zucker-Salz-Steuer im Lauf eines Vierteljahrhunderts demnach rund einer Million Menschen eine Herz-Kreislauferkrankung ersparen, circa 570’000 Personen vor Diabetes bewahren, etwa 11’000 Krebserkrankungen verhindern und weiteres, gesundheitliches Unheil vermeiden. Alles in allem könnte diese Massnahme den Britinnen und Briten im Durchschnitt bis zu 4,9 Monate zusätzliche Lebenszeit bringen – so die Annahme, die auf Modellrechnungen der «London School of Hygiene and Tropical Medicine» basiert.

Je nachdem, wie gut Konsumenten und Konsumentinnen sowie die Lebensmittelindustrie mitziehen würden, liesse sich dank der Zucker-Salz-Abgabe der tägliche Zuckerkonsum um 4,5 bis 15 Gramm senken. Beim Salz wären es 0,2 bis 0,9 Gramm weniger pro Tag. Zudem würde die Steuer circa drei Milliarden britische Pfund pro Jahr in die Staatskasse spülen. Dieses Geld könnte eingesetzt werden, um die Bevölkerung zu gesünderem Essen zu bewegen.

Ausserdem könnte die Zucker- und Salzsteuer die Hersteller dazu animieren, endlich vorwärts zu machen und weniger ungesunde Produkte herzustellen. Denn bei der freiwilligen Reduktion sei die Industrie bisher gescheitert: Der Rückgang bei Zucker und Salz in Lebensmitteln betrage laut dem «BMJ» nur 3,5 Prozent – anstelle der avisierten 20 Prozent.

Im «schlechtesten» Fall erkrankten 250’000 Menschen nicht

Sollte die Aktion nur wenig Anklang bei KonsumentInnen und Industrie finden – das wäre der schlechteste Fall –, liessen sich im Lauf eines Vierteljahrhunderts immerhin 650’000 der genannten Erkrankungen verhindern. Das schätzt die Initiative «Rezept für Veränderung», die den Vorschlag der Zucker-Salz-Abgabe lancierte.

Erwachsene Britinnen verzehren pro Tag etwa 44 Gramm Zucker, Briten rund 55 Gramm. Etwa 40 bis 50 Prozent des Zuckers stammen aus Guetzli, Kuchen, Desserts, Schokolade und Süsswaren, beim Salz sind rund 85 Prozent in Fertiglebensmitteln enthalten. Ein Alternativvorschlag von «Rezept für Veränderung» ist, gezielt süsse Produkte und Pommes Chips zu besteuern.

Schweiz: In der Oberstufe ist jedes vierte Kind zu dick

In der Schweiz ergaben schulärztliche Untersuchungen in Basel, Bern und Zürich, dass in der Primarschule 2021/2022 jedes achte Kind übergewichtig war, in der Mittelstufe fast jedes fünfte und in der Oberstufe jedes vierte. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen maximal 50 Gramm Zucker pro Tag, für Kinder maximal 30 Gramm. Die WHO rät sogar zu nur 25 Gramm Zucker pro Tag. Konsumiert wird in der Schweiz laut konsumentenschutz.ch jedoch mehr als das Vierfache. Gemäss einer Untersuchung des Konsumentenschutzes von 2022 sind 94 Prozent der Lebensmittel, die hierzulande für Kinder angeboten werden, zu süss. In einem «Zuckermanifest» forderten zahlreiche Organisationen unter anderem eine Steuer auf Süssgetränke. 85 Prozent des Zuckers würden in der Schweiz über Süssgetränke aufgenommen. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Schadstoffe in Lebensmitteln

Essen und trinken können krank machen, wenn Nahrungsmittel zu stark belastet sind.

Dicke_Jugendliche_EdYourdon

Zu wenig Bewegung, zu viel Zucker

Übergewicht ist eine Zivilisationskrankheit. Heimtückisch ist versteckter Zucker in Fertig-Nahrungsmitteln.

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3 Meinungen

  • am 4.10.2023 um 11:53 Uhr
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    Zucker ist nicht Zucker. Schokoladen mit Rohrohrzucker und der Sonntagskuchen sind nicht das Problem, sondern die billige Süße Glukose-Fruktose-Sirup, die mittlerweile oft den teureren Zucker ersetzt. Das nächste Problem ist der überbordende Konsum billiger Kohlenhydrate in Form von Weißgebäck, Pizza, Pasta usw. in der hungrig machenden Kombination mit Fett. Zuviel Kohlenhydrate, zuwenig gesunde Fette, zuwenig gesunde Eiweiße, zuwenig Bewegung – damit kommt auf eine probate Formel. Sinnvoll wäre ein frühest möglicher Ernährungsunterricht, der sich z.Bsp. die Ausgewogenheit der traditionellen japanischen Küche zum Vorbild nimmt und bereits Kindern vermittelt, aus was eine reichhaltige, gesunde und leckere Mahlzeit bestehen sollte. Mehr und mehr Steuern freuen unsere tendenziell verschwendungssüchtigen Regierungen, ändern aber keine Ernährungsgewohnheiten. Das ist der falsche Weg, siehe Alkohol und Zigaretten.

  • am 4.10.2023 um 18:40 Uhr
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    Der Titel suggeriert eine verbreitete Irrmeinung, nämlich, dass Zucker und Salz ähnlich schädlich seien. Der Kasten zu den übergewichtigen Kindern und die Links sind da besser. Viel Salz wird von den Lebensmittelmultis verwendet, weil dies Durst erzeugt und hilft, die Süssgetränke zu verkaufen, mit üblicherweise 10% Zuckergehalt, also ca. 100g pro Liter, soviel wie in zwei Tafeln Schokolade.
    Dieser Zucker wird verstoffwechselt, was, gut dokumentiert, zu einer ganzen Reihe von bekannten Krankheiten führt: Karies, Diabetes, Adipositas etc. Hier könnte man ja statt einer Abgabe damit beginnen, die massiven Subventionen zu streichen.
    Soweit ich richtig informiert bin, gibt es hingegen keine wirklich Stand haltenden Studien, dass zuviel Salz schädlich ist. Es wird vom Körper einfach ausgeschieden, daher das Durstgefühl. Das mit dem Bluthochdruck wäre dann eine andere Geschichte, wo es eher um die Vermarktung von Medikamenten geht.

    • am 5.10.2023 um 10:09 Uhr
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      …anzufügen, weil sehr wichtig: ein Zuckerverzicht schadet der Gesundheit nicht, übertriebener Salzverzicht kann aber zu, teilweise schwerwiegenden, Mangelerkrankungen führen.

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