Kommentar

… ein Apropos zur Diskussion um den Waffenbesitz

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Abseits von Weihnachten. Oder gerade wegen Weihnachten? Oder trotz Weihnachten? Ein paar Gedanken zum Thema.

Die Welt ist schockiert: Ein Schüler erschiesst seine Mutter, seine Lehrer, seine Schulkameraden. Das Radio unterbricht seine Sendung, das Fernsehen zeigt weinende Angehörige, die Zeitungen füllen Sonderseiten. Und überall zum gleichen Thema: zum Thema Waffenbesitz.

Die Forderung nach einem Verbot von Waffenbesitz ist verständlich. Nur: Diese Forderung geht am Kern des Problems vorbei.

Keiner erschiesst einen Anderen, weil er eine Waffe hat. Sondern weil er in seiner Seele verletzt ist. Weil er ausgestossen ist, einsam. Weil er nicht mithalten kann. Weil er nicht geliebt wird und sich in den Hass flüchtet. Oder weil er der Grösste sein will, so, wie ihm das die Grossen jeden Tag vormachen. Oder beides.

Wir hören es jeden Tag: Wir müssen wettbewerbsfähig sein! Noch mehr arbeiten, noch länger arbeiten, noch mehr leisten! Leisten! Leisten! Leisten! Wer nichts leistet, ist nichts wert. Wir sind eine Leistungsgesellschaft!

Es genügt nicht mehr, ein Musikinstrument zu spielen oder zu singen, man muss in die Hitparade kommen. Es genügt nicht mehr, Sport zu treiben, man muss gewinnen, man muss aufs Podest. Es genügt nicht mehr, eine Lebenserfahrung kunstvoll in eine Geschichte zu packen, ein Buch zu schreiben, man muss in die Top Ten des Verkaufs. Man muss vorwärtskommen, aufwärtskommen, gewinnen. Das Ziel ist der Sieg. Denn nur die Siege zählen.

«Von den zwölf tödlichsten Massenschiessereien in der Geschichte der USA haben sich die Hälfte seit 2007 ereignet», schrieb Karin Bauer vom Schweizer Fernsehen. Sprich: Es wird immer öfter geschossen. Weil es seit 2007 doppelt so viele Waffen hat wie vor 2007? Nein. In den USA hatten immer schon alle eine Waffe. Wie in der Schweiz auch. Wenn es die Waffen wären, die schuld wären, dann gäbe es jeden Tag ein Schul-Shooting.

Keiner erschiesst einen Anderen, weil er eine Waffe hat. Sondern weil er im Wettbewerb nicht mehr mithalten kann. Weil er dem Leistungsdruck nicht mehr standhält. Weil er lernt, dass nur der zählt, der leistet, der gewinnt, der Erfolg hat, der ein Sieger ist. Weil er spürt, dass er so, wie er ist, nichts wert ist. Andere werden bewundert, haben die besten Noten, werden ausgezeichnet, sind Strahlemänner und Strahlefrauen, sind Siegertypen, sind Stars. Da gibt es oft nur zwei Auswege. Die viel öfter gewählte, aber nicht minder traurige: sich dem Wettbewerb zu entziehen, sich selbst umzubringen. Oder eben diese andere: in Hass zu verfallen und noch einmal zu zeigen, dass man auch etwas kann – und wenn es das Töten ist.

Wir hören es jeden Tag: Wir müssen wettbewerbsfähig sein! Wir müssen gewinnen! Wir müssen siegen! Wir müssen unter die Top Ten! Wir müssen ins oberste Rating: AAA!

Nur: Da, wo es Sieger gibt, da gibt es auch Verlierer. Ein Verlierer aber zu sein, in unserer Gesellschaft, in einer Welt des Wettbewerbs, wo nur der Fitteste zählt und überlebt?

Wir sind eine kranke Gesellschaft. Und wir müssen endlich umdenken. Wir brauchen nicht mehr Wettbewerb. Wir brauchen mehr Gemeinsinn. Denn da, wo auch der Schwächere ein Mensch ist, als Mensch mit einem eigenen Charakter wahrgenommen wird, wo auch derjenige, der in keinem Ranking zuoberst steht, ein geschätzter, ein gerngesehener, ein geliebter Mitmensch ist, da gibt es auch keine Schul-Shootings.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Dossier_Pistole_Hinterg

Die Waffenlobby in den USA

Eine übermächtige Waffenlobby sorgt für Aufrüstung der Bevölkerung und baut Feindbilder im Ausland auf.

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Justiz, Polizei, Rechtsstaat

Wehret den Anfängen, denn funktionierende Rechtssysteme geraten immer wieder in Gefahr.

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8 Meinungen

  • am 25.12.2012 um 12:01 Uhr
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    Herr Ch. Müller hat Recht. Es wird ein Riesentheater bezügl. Waffen gemacht, doch ist das nicht der Grund warum bereits ZUVIELE Menschen wegen so einer Gräueltat wie es in Newtown geschah, sterben mussten. Der 20-jährige Mörder war unter enormen Druck was sicher nicht rechtfertigt was er getan hat. Aber wer steckte dahinter? Die Psychiatrie! ! Der Mörder war schon rund 10 Jahre in psychiatrischer Behandlung und bekam diverse psychiatrische Drogen! Und was war in der Schule? Wer sitzt auf den Linien im Schulsystem? Die Psychiatrie!

    Bitte nehmen Sie sich einige Minuten Zeit und erfahren Sie auf dem folgenden Link den Wahrheit:

    http://www.youtube.com/watch?v=AHlQlWhHg2c

    Heidi Altorfer

  • am 25.12.2012 um 12:26 Uhr
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    Ja, bei der Diskussion um Waffenbesitz wird das wirkliche Problem nicht konfrontiert. Denn es geht darum, welche Personen solche irrationalen Taten ausüben und bei all diese Amokläufern waren die Wirkung von psychiatrische Drogen der Auslöser. Dies ist den Produzenten (Pharmaindustrie) bekannt, aber mit der Warnung auf der Packungsbeilage, dass aggressives Verhalten ausgelöst werden kann, ist es nicht getan. Psychopharmaka mit solchen Wirkungen müssen verboten werden. Denn es geht auch ohnr Psychopharmaka.

  • am 25.12.2012 um 15:04 Uhr
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    Christian Müller sei herzlich gedankt für seine klugen, analythischen Worte.

    Dort, wo die Menschen ihre emotionalen Bedürfnisse ausleben können, wo sie sich geliebt und anerkannt fühlen, werden sie sich auch nicht mehr veranlasst fühlen, Waffen als Ersatz an sich zu nehmen, oder diese gar gegen andere Lebewesen zu richten. Und was tun wir dafür, dass es uns allen gegenseitig emotional besser geht?

    Dazu ein Beispiel. Vor vierzig Jahren, im Jahre 1972 hatten wir ein ca. drei mal geringeres Verkehrsaufkommen und jährich gegen 1500 Verkehrstote. Und Selbstmorde gab es jährlich ebenfalls ca. 1500. Heute im Jahre 2012 haben wir ca 300 Verkehrstote und noch immer Jahr für Jahr ca. 1500 Selbstmorde. Was ist geschehen? Im Strassenverkehr punkto Vorschriften und Sicherheit sehr viel. Aber was wurde eingeleitet, um das psychosoziale Wohlbefdinen der Menschen zu verbessern? Um der unterschwellig wuchernden, und kaum je thematisierten Einsamkeit (wer bezeichnet sich schon als einsam?) zu entgegen? Was wird unternommen und eingeleitet, um ein Gefühl des Verbundenseins, des ‹Mitenand› , der gelebten Solidarität zu entwickeln? Eben. Da hätten wir zu tun.

    Weihnachten könnte ein Beginn sein. Es sei das Fest der Liebe, wird uns gesagt.

    sonne7@gmx.ch

  • am 26.12.2012 um 16:06 Uhr
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    Fest der Liebe hin oder her.
    Wäre Adam nur mit einem Sparschäler bewaffnet gewesen,er wäre höchstens als Witzfigur in die Geschichte eingegangen.
    Wir leben in einer Welt, in der praktisch jede Ausbildung in einer Sackgasse endet.
    Als Beweis reichen wohl die täglichen Entlassungen im Medienbereich.
    Gerade in den USA erhoffe ich mir eine Wechselwirkung aus Abrüstung im privaten Bereich und Umdenken was wir im Leben erwarten dürfen.
    ( für mich ist es jedenfalls Heuchelei,auszublenden,das Eltern ihrem Nachwuchs im Schiessstand Erfolgserlebnisse ermöglichten )

  • am 6.01.2013 um 10:35 Uhr
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    Die Festtage sind zwar vorbei, das Jahr hat gewechselt, trotzdem darf man es noch sagen: Die Gedanken, die Christian Müller da über die Schattenseiten unserer Leistungsgesellschaft ausbreitet, sind sehr bedenkenswert, recht eigentlich weihnächtlich. – Hoffentlich vergessen wir sie nicht, wenn uns nun das eben angefangene Jahr mitnimmt auf seinen Lauf!

  • am 6.01.2013 um 11:36 Uhr
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    Wie gesagt, ich schätze die Beiträge von Herrn Müller sehr. Aber er beleuchtet in seinem klugen Beitrag nur die eine , wesentliche Seite, aber: Hätte der betrunkene Mann im Wallis keine Waffen gehabt, wären diese Morde verhindert worden. Es braucht eben beides: die Grundursachen angehen, eine Bewegung gegen die weit verbreitete Einsamkeit auslösen, das ‹Mitenand› leben und realisieren, und die Waffen vernichten, am liebstgen auch dienjenigen der irgendwie kranken Jäger, die frei lebende Tiere morden. Und die Wirtin, die dem angetrunkenen Mann noch mehr Alkohol – entgegen dem Gesetz – weiterhin verkaufte, die müsste auch ins Recht gefasst werden.

  • am 6.01.2013 um 12:09 Uhr
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    Alkohol ist ein Droge und jeder weiss es, der schon mal davon getrunken hat. Einer betrunkenen Person überhaupt noch mehr Alkohol zu geben, hat weder mit Moral noch Ethik zu tun. Es ist einfach absolute UNVERNUNFT und diese Person (ob Wirt oder Wirtin o.ä.) MUSS zur Rechenschaft gezogen werden und ist soweit auch am ganzen Disaster in Daillon VS beteiligt.
    ABER ich erwähne hier wiederum einen ausserordentlichen WICHTIGEN PUNKT!
    Der Mörder in Daillon VS war schon in der Vergangenheit in psychiatrischer Behandlung. Das elende Gemetzel in Newtown US wurde von einem Mann angerichtet, der schon LANGE IN PSYCHIATRISCHER BEHANDLUNG WAR.
    WER PRODUZIERT JETZT DIESE «MORDMASCHINEN"?
    Ich weiss, es ist hart Böses zu konfrontieren aber nur so können wir etwas dagegen tun und Frieden kreieren.
    Herzlichen Dank an alle, die hier Ihre Meinungen äussern. Sie kommunizieren und das ist wohl das Erste was Leben fördert.

    Heidi Altorfer

  • am 6.01.2013 um 14:40 Uhr
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    Abschliess-end – oder beginn-end?

    Zusammenkommen ist ein Beginn.
    Zusammen sprechen ein Fort-Schritt.
    Zusammenarbeiten ein Erfolg.

    nach Henry Ford

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