Jahrzehntelang diskriminierte der Fussballverband die Frauen
Frauen im Sport waren vor hundert Jahren vielen ein Graus. Sporthistorikerin Marianne Meier an der Universität Bern sagt es so: «Beteiligung von Frauen an Sportaktivitäten wurden oft als unsittlich, unästhetisch und unanständig eingestuft.»
Dieses Rollenverständnis hatte offensichtlich auch der berühmte Pierre de Coubertin, der 1894 das Internationale Olympische Komitee gründete: «Die Teilnahme von Frauen an öffentlichen Wettkämpfen gehört sich nicht. Ihre Rolle besteht vor allem darin, die Gewinner zu krönen.»

Die erste Pionierin
Zum Glück liessen sich nicht alle Frauen von solchen Altherren-Parolen entmutigen. In den frühen Zwanziger-Jahren des letzten Jahrhunderts machte zum Beispiel die Speerwerferin Francesca Florida Pianzola als Frau im Sport sogar internationale Schlagzeilen. Sie gewann im Sommer 1922 in Paris an den Olympischen Spielen Gold im Speerwerfen.
Ein Jahr später war sie Mitgründerin der ersten dokumentierten Frauenfussballgruppe, die sich «Les Sportives» nannte. Der SRF-Journalist Oliver Kerisson widmet den Pionierinnen des Schweizer Frauenfussballs einen dreiteiligen «Geschichte»-Podcast mit dem Titel: «Spielmacherinnen».
Das Ausland ist weit voraus
Im Ausland, Paris, London, war der Frauenfussball bereits populär. Dort spielen die besten Teams in grossen Stadien vor vielen Tausend Zuschauern. Das historisch erste organisierte Frauenfussballspiel fand am 9. Mai 1881in Edinburgh zwischen Schottland und England statt. Die Schottinnen besiegten die Engländerinnen mit 3:0.
Aber schon bald wehrten sich die die männerdominierten Fussballverbände gegen die neue Konkurrenz. Wie heute waren die Fussballplätze ein rares Gut, und so setzten die Verbände ein Verbot des Frauenfussballs durch – in Deutschland, Brasilien und Grossbritannien.
Ärztliche Warnungen
Dann meldeten sich auch noch ärztliche Stimmen, die vor gesundheitlichen Schäden warnten. Die britische Sporthistorikerin Jean Williams, mit Spezialgebiet Frauen im Sport, fasst die Argumente der Ärzte mit den Worten zusammen: «Wenn Frauen selbst entscheiden, was sie mit ihrem eigenen Körper machen – «Ich spiele Fussball» –, dann könnte das Unfruchtbarkeit verursachen. Und das wiederum könnte die nationale Geburtsrate tangieren.»
Neuer Anlauf
In der Schweiz brauchte es kein Verbot. Die erste Frauengruppe «Les Sportives» hielt nicht lange durch. Der Frauenfussball war dann für Jahrzehnte unsichtbar. Erst 1960 wagten sich wieder Frauenteams aufs Feld. Sie nahmen an Grümpelturnieren teil. Eine der ersten Gruppe nannte sich 1965 «FC Goitschel» – nach zwei französischen Skifahrerinnen, die in der freien Zeit gerne kickten. Das Team war kein Club, kein eingetragener Verein. Und weil der Schweizer Fussballverband (SFV) sich weigerte, Frauen-Teams zu lizenzieren, kreieren die Frauen eigene Spielerpässe und lizensieren sich auf diese Weise spasseshalber selbst.
Verband mauert weiter
Die «FC Goitschel»-Frauen liessen nicht locker. Sie wollten Meisterschaften spielen – wie die Männer eben. Der SFV winkte ab. Es gab keine Lizenz für die Frauen, aber er tröstete sie mit einem Zückerchen: Frauen durften sich als Schiedsrichterinnen ausbilden lassen. Hintergrund dieses «Entgegenkommens»: Den Verband plagte ein Schiri-Mangel. Und so wurden die ersten Frauen, die der Verband überhaupt akzeptierte, Schiedsrichterinnen.

Erst 1968 gründeten in Zürich Fussballspielerinnen den ersten Schweizer Frauenfussballclub – den «Damenfussballclub Zürich», kurz den «DFC Zürich», der sich als Verein eintragen liess. Am 24. April 1970 war es endlich soweit: Im Berner Restaurant Bürgerhaus gründeten die Frauen die Schweizeriche Damenfussball-Liga (SDFL), die heutige Nationalliga A.
Die Frauen-EM 2025
Am 2. Juli beginnt die Fussball-Europameisterschaft der Frauen 2025. Die Schweiz ist Gastland. Das Schweizer Nationalteam spielt in der Gruppe A jeweils 21 Uhr gegen Norwegen (2. Juli), Island (6. Juli) und Finnland (10. Juli). Die Schweiz ist im FIFA-Ranking auf Platz 23, Norwegen auf 15, Island auf 13 und Finnland auf 25. Diese Rangierung hat nicht zuletzt etwas mit dem verspäteten Start des Schweizer Frauenfussballs zu tun und damit etwas mit der jahrzehntelangen Ausgrenzung der Frauen durch den Verband. Vor diesem Hintergrund darf die Schweiz schon jedes Unentschieden ihres Nationalteams, wie einen Sieg feiern.
SRF: «Geschichte»-Podcast mit dem Titel: «Spielmacherinnen» erste Episode.

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