Kommentar

Im deutschen Grundgesetz steht: «Eigentum verpflichtet.»

Heribert Prantl © Sven Simon

Heribert Prantl /  Ende November kommt die Juso-Initiative für eine Erbschaftssteuer vors Volk. Auch in Deutschland macht man sich Gedanken zum Thema.

Im kommenden Jahr wird die bayerische Verfassung 80 Jahre alt. Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, hat also, bevor er jubelnde Jubiläumsreden hält, noch ausgiebig Zeit, diese Verfassung auch zu lesen. Das hat er offenbar bisher nicht gründlich genug getan. Seine aktuellen Reden zur Steuerpolitik haben nämlich mit den Artikeln dieser bayerischen Verfassung nichts, gar nichts zu tun.

Unbenannt
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder: Die Verfassung seines Bundeslandes scheint ihn nicht sonderlich zu kümmern.

Söder redet wie ein Lobbyist milliardenschwerer Unternehmer: Er plädiert dafür, grosse Vermögen mehr zu schonen als kleine, er lehnt die Wiedereinführung der Vermögensteuer ab und er will die Erbschaftssteuern nicht nur nicht anheben, er will sie sogar senken – auch und vor allem für die Allerreichsten der Reichen.

Die Erbschaftssteuer ist derzeit eine Bagatellsteuer

Derzeit werden jährlich 300 bis 400 Milliarden Euro verschenkt und vererbt, doch der Beitrag dieser Vermögen zum Steueraufkommen ist im Vergleich zu Arbeitseinkommen äusserst gering: Die Erbschaftssteuer ist eine Bagatellsteuer. Selbst Raucher leisten über die Tabaksteuer einen höheren Beitrag zum Staatshaushalt als Erben – die Raucher zahlen 15 Milliarden, die Erben 9 Milliarden. Ausgerechnet die Grosserben werden am geringsten besteuert. Die Erben von Unternehmensvermögen profitieren von weitreichenden Steuerbefreiungen und allerlei Gestaltungsmöglichkeiten, die der Steuergesetzgeber einräumt.

Mit der Verfassungslage hat diese Reichtumspflegerei nichts zu tun. Mit dem Grundgesetz nicht – und mit der bayerischen Verfassung schon gleich gar nicht. Im Grundgesetz steht: «Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.» In welchem Geist die Mütter und Väter des Grundgesetzes diese Grundpflicht des Eigentümers formuliert haben, wird deutlich, wenn man die Landesverfassungen liest, zum Beispiel die bayerische Verfassung.

«Arbeitsloses Einkommen wird mit Sondersteuern belegt»

Da heisst es in Artikel 168, Absatz 2: «Arbeitsloses Einkommen arbeitsfähiger Personen wird nach Massgabe der Gesetze mit Sondersteuern belegt.» Oder in Artikel 123, Absatz 3: «Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.» Oder in Artikel 161, Absatz 2: «Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.» Und in Artikel 151 ist der ganz grosse politische Wegweiser aufgestellt, den ein Markus Söder nicht zur Kenntnis nehmen will: «Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl» und «die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten».

Diese bayerische Verfassung ist wunderbar konkret und kraftvoll, sie ist grundrechtsmächtig, poetisch und nahrhaft. Ein bayerischer Ministerpräsident könnte unbändig stolz auf sie sein. Stattdessen nimmt er sie nicht zur Kenntnis. Das ist nicht christlich-sozial, das ist verfassungswidrig.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Dieser Kommentar des Kolumnisten und Autors Heribert Prantl erschien zuerst als «Prantls Blick» in der Süddeutschen Zeitung.
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4 Meinungen

  • am 13.10.2025 um 08:55 Uhr
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    Die Erbschaftssteuer trifft vor allem jene, die ihr Vermögen nicht rechtzeitig und dank global agierender spezialisierter Kanzleien steuerbefreit in Sicherheit bringen konnten. Sie trifft z.Bsp. Wohnungserben, die sich freuen dank Tante Hilde endlich eine alterssicherne Eigentumswohnung in bester Lage geerbt zu haben und nun diese Wohnung verkaufen müssen, um die Erbschaftssteuer zu bezahlen. Jede neue, jede erhöhte Steuer dient heute dem Staat nurmehr dazu, mehr für Rüstung und Apparat auszugeben – unsere jetzige Regierung, die teuerste aller Zeiten – es ist ein Trugschluss zu glauben, dass zusätzliche Einnahmen aus der Erbschaftssteuer einen Einfluss auf Vermögensverteilung hätten. Der deutsche Staat erlebt seit einigen Jahren Rekordsteuereinnahmen und bekommt seine budgetären Probleme dennoch nicht in den Griff. Haushaltssanierung geht vor Steuererhöhung – Erbschaftssteuer hin oder her.

    • am 14.10.2025 um 10:25 Uhr
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      Vielem was sie schreiben stimme ich zu. Sehe auch den Staat in der Verantwortung, das Geld sinnvoll auszugeben und da hapert es gewaltig. Gleichzeitig ist es aber doch so, dass die Erbschaftssteuer, über die wir abstimmen, erst ab 50 Millionen greift. Selber besitze ich kein Haus oder Wohnung, trotzdem denke ich, dass ihr Beispiel völlig realitätsfern ist. Eine Wohnung erben die 50Mill kostet, come on….tönt nach unbegründeter Angstmache. Eine Erbschaftssteuer ist ein gutes Werkzeug, Oligarchien zu minimieren. Übergrosse Unterschiede beim Reichtum helfen niemanden und sind gefährlich für Demokratien,denn es schafft Abhängigkeiten. Da bin ich einmal mit der Juso einig

      • am 15.10.2025 um 09:24 Uhr
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        Ich bezog mich auf die deutschen Erbschaftssteuersätze. Für einen Neffen beträgt die Freibetragsgrenze nur € 20.000. Es gibt allerdings weitere Auflagen um die geerbte Wohnung doch steuerfrei zu bekommen, wie fairerweise gesagt werden muss. Generell: wir haben Rekordsteuereinnahmen und trotzdem eine Rekordverschuldung. Sozialleistungen werden abgebaut, Rüstung und Klientelismus ausgebaut – so einem System schmeißt man keinen weiteren Steuercent in den Rachen. Wenn – wie im Roten Wien der 20iger Jahre mit der Steuerpolitik Hugo Breitners, weltweit bis heute einzigartig – eine solche Steuer wirklich mehr soziale Gerechtigkeit schafft, bin ich jederzeit dafür zu haben.

  • am 13.10.2025 um 17:10 Uhr
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    Exzessiv Reiche sollten stärker besteuert werden. Eine Erbschaftssteuer ist sicher eine Möglichkeit. Die Initiative der Juso in der Schweiz ist leider zu stark auf PR ausgerichtet. Sie wird kaum angenommen werden, und wenn doch, wird sie umgangen werden.
    Sinnvoller scheint mir die Vermögenssteuer. Da sie nicht bei einem einmaligen Ereignis angewendet wird, ist sie schwieriger zu umgehen. Deutschland sollte sie einführen. Die Schweiz sollte oben (bei extrem hochen Vermögen) noch ein, zwei Progressionsstufen anbauen.

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