8200 Quadratmeter Naturrasen: Wohin damit?
Was für die Schweizer Fussball-Meisterschaft gut genug ist, reicht für die anstehende Frauen-Europameisterschaft nicht: Kunstrasen.
Der Europäische Fussball-Verband (Uefa) verlangt von den Schweizer Organisatoren, dass in allen Stadien Naturrasen liege. Deshalb musste in Bern für vier und in Thun sogar nur für drei Spiele über dem Kunstrasen ein Naturrasen ausgelegt werden.
Das Verfahren ist aufwendig: Auf dem Kunstrasen mussten zuerst 80 Tonnen Gummigranulat ausgebracht werden – und zwar bis zum oberen Ende der Kunstrasenhalme, damit diese geschützt sind und unter dem Gewicht der oberen Schichten nicht knicken. Darüber kamen zwei Schutzvliese zu liegen. Dann eine dicke Schicht Sand und Erde. Und zuoberst der Rollrasen.
Aus Holland
Der Rollrasen stammt nicht aus der Schweiz, sondern aus Holland. Denn in der Schweiz sei kein Rollrasen in der nötigen Qualität erhältlich, heisst es von Seiten der zuständigen Gartenbaufirma. Transportiert wurden die über 8000 Quadratmeter Rollrasen in Kühl-Lastwagen.
Über ökologische Aspekte sprechen die Verantwortlichen nicht sehr gerne. Der BSC Young Boys teilt bloss mit, dass der Rasen fürs Stadion in Bern «mit über zehn Lastwagen» aus Holland angeliefert worden sei.
Auch die finanziellen Aspekte bleiben teilweise im Dunkeln. In Bern kostet der temporäre Einbau des Kunstrasens «einen mittleren sechsstelligen Betrag». Bezahlt hat den Rasen der BSC Young Boys aus der Miete, welche die Uefa entrichtet.
Da die Besitzverhältnisse anders sind als in Bern, haben im Stadion in Thun der Kanton Bern und die Stadt Thun den Rasen bezahlt. Und zwar mit «einem hohen sechsstelligen Betrag». Anders gesagt: Fast eine Million Franken kostet in Thun der Rasen für gerade einmal drei Europameisterschafts-Spiele.
Ungeschoren kommen die Steuerzahler allerdings auch in Bern nicht davon. Zwar zahlt YB den Naturrasen im Stadion. Doch der Klub darf während der Frauen-Europameisterschaft nicht im Stadion trainieren. Deshalb muss er auf die benachbarte Grosse Allmend ausweichen. Dort wurden zwei temporäre Rasenfelder gebaut. Kostenpunkt: 2,8 Millionen Franken – finanziert von Stadt und Kanton Bern.
Bis im September
Der BSC Young Boys wird seine ersten Meisterschafts-Heimspiele noch auf dem Naturrasen austragen. Denn zwischen dem letzten Spiel der Frauen-Europameisterschaft und dem ersten Spiel der Schweizer Meisterschaft liegt bloss eine Woche. Zu wenig Zeit für die Entfernung des Naturrasens. Deshalb bleibt dieser bis zur Länderspielpause im September im Wankdorf.
Und danach? Erst letzten Mittwoch beschloss die Stadtberner Regierung, den Rasen zu übernehmen. Er kommt auf den Sportplatz Brünnen zu liegen, wo der jetzige Rasen in einem schlechten Zustand ist. Die Stadt Bern zahlt für Transport und Einbau 212’000 Franken. Das sei «eine Einsparung von rund einem Viertel gegenüber den marktüblichen Kosten für einen Naturrasen», teilt die Stadt Bern mit.
Ungewissheit in Thun
In Thun ist die Situation anders. Dort findet das letzte Spiel der Frauen-Europameisterschaft schon gut eine Woche früher statt als in Bern. Deshalb wird der Naturrasen noch vor Beginn der Schweizer Meisterschaft entfernt. Doch die Zukunft dieses Rasens ist ungewiss.
Infosperber fragte bei der Stadt Thun: «Was passiert damit?» Die Stadt Thun antwortete ausweichend: «Der Rasen soll anderswo verwendet werden. Darf ich Sie bitten, sich für diese Frage an den FC Thun zu wenden?»
Deshalb die Frage an den FC Thun: «Was passiert mit dem Naturrasen, wenn er nach dem 10. Juli nicht mehr gebraucht wird?» Der FC Thun teilt mit: «Den Rasen kann man nach dem Turnier noch weiterverwenden.» Aber: «Ob und wo sich eine Folgelösung ergibt, ist noch in Klärung.»
Die Zeit eilt jedoch. Denn bereits in zwei Wochen beginnt in Thun nach dem letzten Europameisterschaftsspiel der Ausbau des Rasens. Und Rollrasen muss rasch wieder verlegt werden. Lagern lässt er sich nicht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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