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Cori Bush (li.) mit den Kongressabgeordneten Ilhan Omar und Ayanna Pressley vor dem US-Capitol. © Cori Bush auf Twitter

So ersparte eine US-Abgeordnete Millionen Menschen den Rauswurf

Daniela Gschweng /  Cori Bush legte sich mit dem Schlafsack vor das US-Capitol und verhinderte so in letzter Minute die Zwangsräumung vieler.

Allzu bequem dürfte Cori Bush auf den Stufen des Capitols nicht geschlafen haben. Am 31. Juli liess sich die Abgeordnete des US-Bundesstaats Missouri mit einem Schlafsack vor dem US-Parlament nieder, um gegen die bevorstehende Zwangsräumung von Millionen US-Haushalten zu protestieren.

Damit gelang es der Demokratischen Abgeordneten in letzter Minute abzuwenden, was eigentlich schon beschlossen war: das Auslaufen eines Räumungsmoratoriums für säumige Mieter am 1. August. Alle Versuche, es zu verlängern, waren gescheitert.

Millionen Haushalte in den USA sind mit der Miete im Rückstand

Viele andere Abgeordnete waren an diesem Freitag bereits abgereist. Cori Bush wollte das nicht hinnehmen. «Wie kann man Urlaub machen, wenn wir Millionen von Menschen haben, die heute Abend vertrieben werden könnten?», sagte sie am darauffolgenden Tag gegenüber mehreren Medien wie der «CNN» oder der Nachrichtenagentur «AP».

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Cori Bush im orangen Schlafsack am 31. Juli um 03 Uhr auf den Stufen des Capitols.

Das Moratorium hatte vor allem Geringverdiener vor der Zwangsräumung geschützt, von denen viele schon zu Beginn der Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren hatten. Das erste Räumungsmoratorium der US-Seuchenschutzbehörde (CDC) lief bis Ende 2020 und wurde mehrmals verlängert.

Der Arbeitsmarkt zog zwar wieder an, die USA verlängerten die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und es gab Unterstützungsleistungen. Noch aber sind Millionen in Not. Gleichzeitig sind die Mieten gestiegen. Mehr als elf Millionen Haushalte sind mit der Miete im Rückstand.

Eine Erfahrung, die sich nicht wiederholen soll

Eine Situation, die Cori Bush aus eigener Erfahrung kennt. Die Abgeordnete wurde selbst dreimal zwangsgeräumt und lebte mit ihren zwei Kindern monatelang im Auto. Ihre Geschichte gab im Wahlkampf zu reden, trotzdem schaffte sie es, ins Parlament gewählt zu werden. «Ich weigere mich, aufzugeben, wenn Millionen das gleiche Trauma droht», sagte sie.

Die jüngste Verlängerung der CDC bis Ende Juli sollte die allerletzte sein, danach brauche es einen parlamentarischen Entscheid, hatte der oberste Gerichtshof der USA entschieden. Im Parlament liess sich jedoch keine Mehrheit finden. Ein Appell des US-Präsidenten am Donnerstag, 29. Juli, scheiterte am Widerstand der Republikaner. Ein letzter Versuch der Demokraten am Freitagnachmittag blieb ebenfalls erfolglos. Erste Haushalte bekamen bereits Räumungsbescheide.

Noch am selben Abend fand sich Cori Bush mit einem Schlafsack auf den Stufen des Capitols ein. Spontan und völlig unvorbereitet, wie sie sagt. Wenn es mit parlamentarischen Mitteln nicht gehe, helfe nur noch Aktivismus, fand sie. Bekanntere Abgeordnete wie Ilhan Omar schlossen sich an.

«Unangemessenes Verhalten» zahlt sich aus

Cori Bushs ungewöhnliche Aktion rief schnell ein grosses Medienecho hervor. Im Laufe des Samstags gaben mehrere Politiker Statements vor dem Capitol ab. Bushs Verhalten sei für eine Kongressabgeordnete nicht angemessen, dumm oder unrealistisch, kritisierten konservative Medien.

Eine erschöpfte Abgeordnete in Jogginhosen, die sich in einen durchweichten Schlafsack hüllt, ist sicher nicht das, was US-Bürger normalerweise von ihren Parlamentariern zu sehen bekommen. Nach vier laut Bush eher ungemütlichen Nächten zahlte sich ihre Hartnäckigkeit jedoch aus. Am Dienstag, 3. August, kündigte US-Präsident Joe Biden eine Verlängerung des Moratoriums durch das CDC bis zum 3. Oktober an.


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Eine Meinung zu

  • am 23.08.2021 um 07:55 Uhr
    Permalink

    ‹Eine erschöpfte Abgeordnete in Jogginhosen, die sich in einen durchweichten Schlafsack hüllt, ist sicher nicht das, was US-Bürger normalerweise von ihren Parlamentariern zu sehen bekommen.›
    Das erwartet kein Bürger, egal welchen Staates, von keinem Politiker, egal welchen Staates. Politischer Kitsch ist ein Zeichen politischer Vulgarität. Auch in der Politik gilt:
    Das Ziel rechtfertigt nicht die Mittel. Wer private Mittel im öffentlichen Raum einsetzt, gar Emotionen zeigt und benutzt, ist politisch nicht satisfaktionsfähig. Solche Nichtpolitiker sind typisch für den Neoliberalismus, da schüttelt es mich.

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