USA Wahlen Oklahoma 2010

Wahlen in Woods County, Oklahoma 2010 © cc-by-nd Becky McCray, Flickr

Wählerunterdrückung in den USA: Zahlen aus Georgia

Daniela Gschweng /  Das Magazin «Mother Jones» hat nachgerechnet, wie viele Wähler in Georgia unter den neuen Wahlgesetzen nicht hätten wählen dürfen.

Es gibt keine Belege. Die Geschichte, dass bei US-Wahlen viele unberechtigte Stimmen abgegeben werden, hält sich dennoch hartnäckig. Die Republikanische Partei, die bekanntlich die letzten Präsidentschaftswahlen verlor, gibt die Schuld vor allem der Briefwahl. Nach ihren Aussagen bringt sie besonders viele Unregelmässigkeiten hervor.

In den US-Staaten, in denen die Republikaner Regierungseinfluss haben, wurden seither die Vorschriften verschärft. Die Zahl der Wahllokale wurde reduziert, oder es wurde etwa illegal, Wählern, die stundenlang Schlange stehen mussten, Essen und Trinken anzubieten.

Sprunghafter Anstieg von Ablehnungen

Das US-Magazin «Mother Jones» hat sich auf die Suche danach gemacht, welche Auswirkungen die Einschränkungen auf das Wahlergebnis haben könnten. Dazu analysierte das Magazin Briefwahldaten in Georgia, das zu den Swing States gehört. Bei der Präsidentschaftswahl 2020 wurde das Wahlergebnis dort sehr genau beobachtet.

Die Zahl der abgelehnten Briefwahlanträge stieg dort sprunghaft an, nachdem die Republikanische Partei im März 2021 Beschränkungen für die Briefwahl in Georgia erlassen hatte, zeigen die Daten.

Die neuen Regeln verkürzen den Zeitrahmen für die Beantragung und Rücksendung von Briefwahlunterlagen, verbieten Wahlbeamten, Anträge an alle Wähler zu senden, enthalten schärfere Vorschriften zum Nachweis der Identität und schränken den Zugang zu Wahlurnen ein.

18 Prozent der Briefwähler wurde die Stimme verweigert

Der Anteil der Wählerinnen und Wähler, die mindestens einmal Briefwahl beantragt und weder per Post noch persönlich gewählt hatten, stieg von sieben Prozent bei der Parlamentswahl 2020 auf 18 Prozent bei der Kommunalwahl 2021. Im Ganzen geht es dabei um etwas mehr als 1000 Wählende.

Das klingt nach wenig, ist aber viel. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Briefwahlantrag in Georgia abgelehnt wurde, war 2021 45mal höher als im Jahr davor. Hochgerechnet auf den Präsidentschaftswahlkampf 2020, wären in einer Abstimmung, die im Bundesstaat durch 11‘779 Stimmen entschieden wurde, 38‘000 Briefwahlstimmen nicht abgegeben worden.

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Von 2020 auf 2021 stieg der Anteil der Wähler in Georgia, die mindestens einmal Briefwahl beantragt hatten und dann gar nicht wählten, von sieben auf 18 Prozent.

Bei denen, deren Antrag stattgegeben wurde, gab es ebenfalls mehr Einschränkungen: ausgefüllte Briefwahlunterlagen wurden nach der Stimmabgabe doppelt so häufig abgelehnt. Das wären – hochgerechnet auf die Präsidentenwahl 2020 – nochmals 31‘000 nicht gezählte Stimmen, rechnet «Mother Jones» vor.

Bei der Bürgermeisterwahl in Atlanta, die 2021 zusammen mit Kommunalwahlen durchgeführt wurde, wurde die Hälfte der Briefwahlanträge abgelehnt, weil sie später als elf Tage vor dem Wahltermin eintrafen. Vorher hatte die Deadline bei vier Tagen gelegen.

«Kommunalwähler sind erfahrener»

Man kann an dieser Analyse kritisieren, dass dabei unterschiedliche Wahlen verglichen werden. Sara Tindall Ghazal, Demokratin und Mitglied des staatlichen Wahlausschusses von Georgia, findet das Ergebnis der Analyse deshalb erst recht beunruhigend. Kommunalwähler seien in der Regel erfahrener als solche, die nur in Präsidentschaftswahlen abstimmen. Formfehler, die zur Ablehnung führen können, unterliefen ihnen normalerweise seltener, sagt sie zu «Mother Jones».

Demokraten wählen generell eher brieflich als Republikaner, deshalb sind sie von den neuen restriktiven Gesetze stärker betroffen. Dafür gibt es viele Gründe. Die Präsidentschaftswahl findet beispielsweise an einem Werktag statt, und während der Corona-Pandemie gab es Quarantänevorschriften.

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Wählende, die die Demokraten wählen, beantragten in Georgia viermal so oft Briefwahlunterlagen wie solche, die die Republikaner wählten.

In Georgia beantragen Demokraten viermal so häufig Briefwahlunterlagen wie Republikaner. Die Hälfte der Ablehnungen betraf laut der Wahlrechtsgruppe «Fair Fight Action» Schwarze, die ein Drittel der Wählenden in Georgia ausmachen.

Nur ein Viertel der Abgelehnten ging trotzdem zur Urne

Wer sich nicht auf die Post verlassen möchte, wie es in Europa üblich ist, nutzt in den USA spezielle «Ballot Drop Boxes» und wirft seine ausgefüllten Briefwahlunterlagen dort ein. 2021 gab es die Boxen nur noch bis zum Freitag vor der Wahl, während der Geschäftszeiten und innerhalb von Wahllokalen. Ihre Anzahl wurde reduziert. In Atlanta gab es 2021 nur noch ein Viertel so viele wie vorher.

In Georgia ist es möglich, mehrere Briefwahlanträge zu stellen, ein abgelehnter Antrag kann also eventuell beim nächsten Anlauf erfolgreich sein. Es ist auch immer noch möglich, an der Urne zu wählen. Am Ende ging aber nur ein Viertel der Abgelehnten später in ein Wahllokal. Unter dem Strich wurden 45mal mehr Wählende daran gehindert, ihre Stimme abzugeben als im Jahr davor. Verglichen mit 2019 und 2017 vor der Corona-Pandemie waren es noch immer fünfmal so viele.

Stimmrechtslotto in Texas

Auch in anderen Staaten ergriff die Republikanische Partei teilweise absurde Massnahmen, um die Wahlbeteiligung zu drücken. In Texas, wo das Recht auf Briefwahl ohnehin nur für wenige Gruppen gilt wie beispielsweise Senioren, trat eine neue Identifikationsregel in Kraft: Wähler wurden gebeten, sich durch die Nummer ihrer ID oder die letzten vier Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer auszuweisen.

Dieses «oder» ist perfide. Denn die angegebene Zahl muss mit derjenigen übereinstimmen, die der Wählende bei seinem allerersten Wahlantrag angegeben hat. Die Chancen sind gut, dass die betreffende Person es nicht mehr weiss, denn das kann Jahre bis Jahrzehnte zurückliegen. Die Folge war eine Art Stimmrechtslotto: Wer die falsche Nummer angab, hatte Pech. Die Zahl der Ablehnungen versiebenfachte sich.

Warum den Republikanern alles daran liegt, Wählende abzuschrecken

Warum der Republikanischen Partei so sehr daran gelegen ist, dass die Wahlbeteiligung niedrig bleibt, erklärt James K. Galbraith, Professor für Staatsbürgerkunde an der University of Texas, dessen Gastkommentar der österreichische «Standard» veröffentlicht hat:

Durch das Wahlmänner-System, führt Galbraith aus, hätten bei der letzten Präsidentschaftswahl 43‘000 Stimmen in drei Staaten ausgereicht, um das Wahlergebnis zu Gunsten Trumps zu kippen. Dies, obwohl Biden in absoluten Zahlen deutlich mehr Stimmen bekam. Es geht also um wenige Orte und sehr wenige Wähler.

Als Folge der Covid-Pandemie waren zuvor die Öffnungszeiten der Wahllokale verlängert, das Fenster zur Stimmabgabe erweitert und die Briefwahl ausgeweitet worden. Die rekordhohe Wahlbeteiligung beweise, dass die sonst eher niedrige Beteiligung in den USA nicht der Trägheit der Wählenden, sondern den Hürden bei der Stimmabgabe geschuldet sei.

Die «Reps» kämpfen einen verlorenen Kampf gegen die Demografie

Insgesamt sei das Wahlgeschehen in den USA vorhersehbar, sagt Galbraith, der die Präsidentschaftswahlen 2020 ausführlich analysiert hat. In Staaten, in denen die Einkommensungleichheit zugenommen habe, lägen zuverlässig die Demokraten vorne, in stabileren Staaten die Republikaner.

Besonders viele Anhänger habe die Demokratische Partei unter den gut qualifizierten urbanen Fachkräften und bei einkommensschwachen Minderheiten. Beide Gruppen wachsen. In Texas hätten die Demokraten bei den Präsidentschaftswahlen bisher alle vier Jahre drei Prozentpunkte dazugewonnen, schreibt Galbraith. Diese Tendenz werde sich fortsetzen.

Versuche, Wählende wieder länger anstehen zu lassen, sie an der Briefwahl zu hindern, Wahlkreise neu zu definieren und ID-Restriktionen einzuführen, könnten diesen Prozess nur aufhalten. Trotzdem, sagt der Experte, könnte die Strategie eine Zeitlang funktionieren, insbesondere bei den im November 2022 bevorstehenden Zwischenwahlen, bei denen die Wahlbeteiligung normalerweise eher gering sei.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Wahlen in den USA

Wahlkreise werden willkürlich festgelegt. Lobbys greifen ein. Viel Lärm um Einfluss aus dem Ausland.

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2 Meinungen

  • am 9.03.2022 um 08:13 Uhr
    Permalink

    Die Probleme in den USA liegen schon bei der Registrierung von Wählern. Da wird auf unterschiedlichsten Wegen versucht, sozial benachteiligte Menschen oder Menschen nicht weißer Hautfarbe von den Wahlen fernzuhalten.
    Ein Mittel ist dabei das sogenannte Purging, ein Purgatorium, konkret die Reinigung der Wählerlisten von Unerwünschten. Dafür werden die Wahlregister durchforstet.
    That’s America !

  • am 9.03.2022 um 10:40 Uhr
    Permalink

    Wen man das so liest, dann sollte die UNO eigentlich Blauhelme und Wahlbeobachter zu den Wahlen in den USA entsenden. Ist ja schlimmer als in einer Bananenrepublik.

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