Afghaninnen

Diese Frauengruppe forderte kürzlich die Uno auf, sie zu unterstützen im Kampf gegen das «terroristische Regime der Taliban». © ARD

«Gender-Apartheid wie Rassen-Apartheid sanktionieren»

Barbara Marti /  Die Taliban verweigern Frauen Grundrechte und verbannen sie aus der Öffentlichkeit. Ein Uno-Experte fordert zum Handeln auf.

Kürzlich verboten die Taliban Frauen, einen Nationalpark in der Nähe von Kabul zu besuchen. Sightseeing sei für Frauen kein Muss. Es ist bisher das letzte Recht, das Frauen seit der Machtergreifung der Taliban verloren haben. Afghaninnen können verlorene Rechte nicht einklagen. Richard Bennett, Menschenrechtssonderberichterstatter der Uno zu Afghanistan, spricht von einer schweren und systematischen Menschenrechtsverletzung, welche gegen die Charta der Uno verstösst. Er empfiehlt der Staatengemeinschaft, die «systematische Diskriminierung, Demütigung und Ausgrenzung» von Frauen offiziell als «Gender-Apartheid» anzuerkennen, als Verbrechen im internationalen Recht zu verankern und Täter zur Verantwortung zu ziehen.

«Systematische Verletzungen der Grundrechte»
Im Auftrag des Uno-Menschenrechtsrates hat Bennett zusammen mit der Uno-Arbeitsgruppe gegen Frauendiskriminierung einen Bericht zur Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan verfasst. Darin heisst es: «Die gross angelegten systematischen Verletzungen der Grundrechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan und die diskriminierende und frauenfeindliche Politik der Taliban und ihre harten Durchsetzungsmethoden sind geschlechtsspezifische Verfolgung und offenbaren den institutionalisierten Rahmen der Geschlechterapartheid.» Die Liste der entzogenen Rechte ist lang: Frauen dürfen nicht allein reisen, keinen Sport treiben, keine Parks oder öffentliche Bäder besuchen. Höhere Bildung, politische Teilhabe und Erwerbstätigkeit sind ihnen untersagt. Viele sind bedroht von Zwangsehen und häuslicher Gewalt. Im Gesundheitswesen und der Rechtsprechung werden Frauen diskriminiert. 
Trotz aller Widrigkeiten gebe es immer noch einige mutige Frauen, die Widerstand leisten und für ihre Menschenwürde kämpfen, heisst es im Bericht: «Ihre Stärke und Entschlossenheit, ihre Menschenrechte durch kreative und friedliche Aktionen wahrzunehmen, verdienen es, gestärkt und unterstützt zu werden. Die internationale Gemeinschaft sollte sich mit der Lage in Afghanistan befassen und konkrete Schritte unternehmen, um die Rechenschaftspflicht für schwere Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen.»

«Gender-Apartheid» wie «Rassen-Apartheid»
Der Begriff «Gender-Apartheid» stammt aus der Zeit des ersten Taliban-Regimes Ende der 1990er Jahre. Die Uno hat «Gender-Apartheid» bisher nicht offiziell als Verbrechen anerkannt. Im Uno-Menschenrechtsrat forderte Südafrikas Vertreterin Bronwen Levy kürzlich, den Kampf gegen die Gender-Apartheid in Afghanistan so aktiv zu unterstützen «wie Südafrikas Kampf gegen Rassenapartheid», berichtete die «Tageszeitung». Wenn die Uno «Gender-Apartheid» als Verbrechen anerkennen würde, wären die Mitgliedstaaten verpflichtet, «effektive Massnahmen zu ergreifen, um diese Praxis zu beenden», sagte Bennett vor dem Menschenrechtsrat. 

Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Apartheid ist laut dem Völkerrecht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Anti-Apartheidskonvention aus dem Jahr 1973 definiert Apartheid als «unmenschliche Handlungen, die zu dem Zweck begangen werden, die Herrschaft einer rassischen Gruppe über eine andere rassische Gruppe zu errichten und aufrechtzuerhalten und diese systematisch zu unterdrücken». Anlass war die damals praktizierte Rassentrennung und -diskriminierung in Südafrika. Die Konvention deckt damit «Gender-Apartheid», wie sie die Taliban praktizieren, nicht ab. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin des Online-Magazins «FrauenSicht».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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6 Meinungen

  • am 6.10.2023 um 13:03 Uhr
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    Auf dem Weg von Deutschland nach Afghanistan kommt man durch etliche Länder, wo die Rechte und Bildungschancen von Frauen ebenfalls in einem beklagenswerten Zustand sind. Die Art und Weise wie sich die USA zusammen mit ihren Verbündeten um dieses Land «gekümmert» haben, war nur insofern nachhaltig, als nach dem Zusammenbruch des Besatzungsregimes die AfghanInnen, die im Kontakt mit den ausländischen Truppen waren, größtenteils ausreisen konnten. Umso weniger verständlich ist es, dass in Deutschland Frauen aus den oben erwähnten Ländern auch hier in Deutschland in der Öffentlichkeit verhüllt zu sehen sind.
    Die Frage ist zu stellen, wie die offizielle und inoffizielle «wirtschaftliche Zusammenarbeit» in Bezug auf Waffen und Drogen mit diesen Ländern aussieht; und wer in den «entwickelten» Ländern dabei das meiste Geld verdient und wer auch hier mit dem Konsum von Drogen und der Käuflichkeit von Frauen gestrigen Gewohnheit verhaftet ist. Gemeint ist die größte Triebfeder der Politik.

  • am 6.10.2023 um 13:20 Uhr
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    Leute, den Koran lesen, alles in Ordnung was die Taliban veranstalten….
    Islam ist keine Religion sondern ein Rechtsystem.
    Der Koran ist keine Bibel sondern das Gesetzbuch nach Scharia.

  • am 6.10.2023 um 13:49 Uhr
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    Die Amerikaner kamen, die Amerikaner gingen.
    Sie hinterliessen nichts als ideologisch «verbrannte Erde»!
    Das «Machtvakuum» wurde von den Taliban ausgefüllt. War ja vorauszusehen. Aber alle waren verwundert.
    Genau diese Verwunderung, man kann nicht so naiv sein, als dass man dies nicht hätte voraussehen können, endet in einem «Pontius Pilatus»-Syndrom.
    Man wusste, wie die Taliban ticken – aber es war der US-Mannschaft schlicht egal.
    Und jetzt sich ob der Ungleichbehandlung von Frauen zu echauffieren, ist, mit Verlaub gesagt, scheinheilig.
    Die Frauen hätten ihre Männer an ihrer Seite – und die tun nichts. Es scheint Ihnen also rechtens zu sein.
    Jetzt, sich im warmen Westen eine Gender-Apartheit zurecht legen zu wollen, ist schlicht scheinheilig! Meine Magennerven rebellieren ob dieser Doppelmoral!
    Solange die Potentaten in dieser Region nicht einsehen, dass es keine Frauen oder Männer gibt, sondern nur Menschen, wird gar nichts passieren. Wieder ein CIA-Mäntelchen!They lost their rules

  • am 6.10.2023 um 17:33 Uhr
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    Ich weiß nicht, ob dieses Bündnis mit dem Westen der richtige Weg ist, mehr Gleichberechtigung zu erreichen. Letztlich führt es zu Sanktionen, die wiederum innenpolitisch mehr Repressalien auslösen und mehr Armut erzeugen, die immer zuerst Frauen trifft. Seit 1979 sind im Iran radikale Schiiten an der Macht, eine ihrer ersten Maßnahmen war das Aufhängen der Bildungsministerin. Seit 1979 versucht der Westen, den Iran durch Sanktionen, durch Kriege zur Änderung seiner Politik zu zwingen – ohne Erfolg. Das Regime sitzt fester im Sattel als je zuvor. Ein anderer, erfolgreicher Weg war der Rüdiger Nehbergs zur Eindämmung der weiblichen Genitalbeschneidung im Afrika: gemeinsam mit religiösen Führern, mit mehreren Fatwen, mit Stammesführern, gemeinsam mit den gewachsenen islamischen und tribalistischen Strukturen – nicht gegen sie. Durch Druck von außen wird sich in Afghanistan nichts verbessern. Das geht nur durch Dialog und Verhandlungen.

  • am 7.10.2023 um 14:04 Uhr
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    Es gibt auch bei uns Kreise, welche die Segregation der Geschlechter befürworten.

    «Die Uno hat ‹Gender-Apartheid› bisher nicht offiziell als Verbrechen anerkannt.»
    Es ist noch nicht einmal klar, was mit Gender exakt gemeint ist, für viele ist es einfach eine Variable.

  • am 9.10.2023 um 09:31 Uhr
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    Es ist leider icht zu vergessen, dass die Taliban zur Schwächung der Sowietunion durch die USA aufgebaut wurden. Das Muster, dass man extreme Gruppierungen für westliche Interessen instrumentalisiert und anschließend sich selbst überlässt – mit allen den daraus folgenden Konsequenzen – entlarvt eher, dass es hier weder um Rechte der Frauen noch um demokratische Werte, sondern lediglich um hegemoniale Macht geht.

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