Kommentar

Bankgarantie ade: Vertrauensbruch in Zypern

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine. René Zeyer ist Autor des Bestsellers «Bank, Banker, Bankrott». Als langjähriger Kommunikationsberater in der Finanzbranche ©

René Zeyer /  Geldverluste kann man allenfalls verschmerzen. Verlorenes Vertrauen aber ist nur schwer wieder zu gewinnen.

Es gibt Begriffe, die haben einen verlässlichen Klang. Bankgarantie ist so einer. Doch jetzt ist dieser Begriff verspielt, verloren, verzockt. Während der Finanzkrise 1 zeigten auch Schweizer Banken ihren ausländischen Kunden, dass das Wort «100 Prozent Bankgarantie» nicht das Hochglanzpapier wert ist, auf das es gedruckt wurde. Gibt es dazu noch eine Steigerung? Natürlich: staatliche «Einlagegarantie». Dieser Ausdruck ist das letzte Bollwerk, das einem Kleinsparer Sicherheit und Vertrauen geben soll.
Kein Spielraum
Für den Kleinsparer gibt es bei Vertrauen keinen Verhandlungsspielraum. Er versteht den Begriff «staatliche Einlagesicherung bis 100’000 Euro» so, wie er gemeint sein sollte: Der Staat, notfalls vielleicht sogar der europäische, steht für Bankguthaben bis 100’000 Euro gerade. Unbedingt, zweifellos, komme da, was wolle. Allein das gibt dem Kleinsparer in turbulenten Zeiten Sicherheit, ist der letzte Schutzwall gegen Unsicherheit, Angst, Panik, Bank Run, also Stampede und rette sein Geld, wer kann. Wer sich daran vergreift, mit oder ohne formaljuristische Spitzfindigkeiten wie der, dass das ja weiterhin so sei, Ehrenwort, aber es gebe da eine kleine Sonderabgabe, eine Art Zusatzsteuer, nur ein Mal, ausnahmsweise, nur in Zypern, handelt verantwortungslos.
Der Vasella-Faktor
Gab es noch etwas Schlimmeres als den einstimmig gefällten Beschluss, Herrn Vasella 72 Millionen Franken für ein Konkurrenzverbot zuzusprechen? Ja: Diesen Beschluss sofort, nach öffentlichem Gegenwind, wieder zurückzunehmen. Wäre er richtig gewesen, hätte man ihn doch wohl verteidigen und begründen können. Das gilt noch verschärfter für den einstimmigen Beschluss – wohlgemerkt auch mit der Stimme Zyperns –, alle zypriotischen Bankeinlagen um 6,75 bis 9 Prozent zu enteignen. Was ist vom Sachverstand der Euro-Spitzenpolitiker, aller beteiligten Experten von EZB, IMF und Finanzbehörden zu halten, wenn dieser Beschluss bereits wieder neu verhandelt wird, kaum ist die Tinte trocken? Und nun munter zurückgekrebst wird. Nachdem das Vertrauen verspielt wurde, sollen neu Sparguthaben bis zu einer bestimmten Summe doch nicht teilenteignet werden. Schön, aber war das nicht ein einstimmiger Beschluss vorher, der Weisheit letzter Schluss?
Der Vertrauensbruch
Was hätte von Anfang an dagegen gesprochen, Einlagen erst ab 100’000 Euro prozentual zu enteignen, beginnend mit zum Beispiel 15 Prozent und progressiv steigend auf 25 oder 30 Prozent? Eigentlich nichts, ausser dem grossen Geschrei der Betroffenen. Aber immerhin hätte man gleichzeitig dem Kleinsparer gezeigt, dass die EU sogar in einem selbstverschuldeten Schlamassel wenigstens in fundamentalen Fragen zu ihrem Wort steht. Man kann zwar berechtigte Zweifel an der Fähigkeit der EU-Regierung haben kann, selbst ein winziges Problem wie Zypern zu lösen. Aber wenigstens wäre der breiten Masse der Bevölkerung nicht nochmals vorgeführt worden, dass sie auf nichts vertrauen kann. Ausser auf die Kraft des Protests, des zivilen Ungehorsams gegen die Obrigkeit.
Und die Folgen
Was hält den Kleinsparer in Griechenland, Portugal, Spanien und Italien davon ab, in Massen sein Sparkonto zu räumen? Eine Bankgarantie? Eine Staatsgarantie? Vertrauen? Nein, einzig die Tatsache, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, träge, mit begrenzter Fantasie. Selbst wenn durch die anhaltende Wirtschaftskrise Vertrauen immer mehr durch Misstrauen ersetzt wird, reicht das alleine nicht aus, damit es eine Stampede auf Banken gibt. Je instabiler aber dieser nicht auf Rationalität, sondern letztlich auf Gefühlen beruhende Zustand wird, umso grösser wird die Gefahr, dass es plötzlich, ansatzlos zu einer Stampede kommt. Das sind Phänomene, die nicht zweckrational analysiert werden können, sondern höchstens mit Massenpsychologie. («Stampede» = eine unvermittelte Fluchtbewegung innerhalb einer Tierherde, die die gesamte Herde erfasst und diese unkontrollierbar macht. Auf den Menschen übertragen eine Massenpanik. Die Red.)
Zwei Seiten der Medaille
Mit Vertrauen verhält es sich wie mit der Reputation einer Firma, einer Regierung. Es braucht ziemlich lange, es aufzubauen. Ein kleiner Wortbruch, das sind alle von der Politik gewöhnt, ist nicht gut, aber noch kein gravierendes Problem. Man kann das auf vielen Gebieten durchexerzieren und bis zum völligen Verlust der Glaubwürdigkeit wiederholen: «Das Schlimmste ist vorbei.». Aber wenn es um den Spargroschen des Kleinanlegers geht, dann müsste eigentlich jeder Politiker mit einem Rest von Vernunft wissen, dass damit nicht zu spassen ist. Unter keinen Umständen. Wird das getan, sind die Folgen unumkehrbar, ist mit reiner Zahlenmassage, Freibeträgen oder gar der Rücknahme dieses Beschlusses nichts mehr zu reparieren.
Alternativlos
Um diesen unsinnigen und zudem zwecklosen Vertrauensbruch wieder zu heilen, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder wird per sofort die Bankenunion europaweit eingeführt – oder Zypern erklärt Staatsbankrott. Ach, natürlich gibt es noch eine dritte Alternative. Weiterwursteln, nachverhandeln, rumeiern, verantwortungslos und nur auf den nächsten nationalen Wahltermin starrend. Man sollte dabei nicht vergessen, dass Zypern im Juni 2012 auf Probleme hinwies und Hilfe verlangte. Und schon längst vor 2008, vor der Einführung des Euro auf der Insel, war bekannt, dass das zypriotische Bankensystem dank Schwarzgelddepots und lächerlich niedrig besteuerten Holdings zum grossen Problem anschwillt. Was die Eurokraten diesmal angestellt haben, ohne Sinn und Verstand zuerst eine Enteignung auch des Kleinsparers zu verkünden und die dann innerhalb von 24 Stunden zurückzunehmen, spottet jeder Beschreibung. Der Betrachter stellt sich fassungslos die Frage: Wenn Griechenland nicht repariert werden kann, nicht mal Zypern, scheitert dann Europa am Schluss an einer Krise in Andorra?

Dieser Beitrag erschien im Journal21.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. René Zeyer ist Autor des Bestsellers «Bank, Banker, Bankrott». Als langjähriger Kommunikationsberater in der Finanzbranche gehört er zu den Insidern. Zeyer lebt in Zürich.

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2 Meinungen

  • am 19.03.2013 um 22:41 Uhr
    Permalink

    Herr Zeyer, Wenn Regierungen in einer Nacht und Nebel-Aktion 7 oder 10 Prozent der Vorsorgeersparnisse ihrer Bürger an einem Freitagabend nach Geschäftsschluss enteignen können, dann müssen sie inzwischen bereits darin geübt sein sozial unerträgliche Aktivitäten zu dirigieren und auszulösen. Fast jede Woche fällen Regierungen Entscheidungen welche den Menschen ihr Erspartes vernichtet. Ich als Behinderter weiss da ein Lied davon zu singen, nun trifft es eben auch die Sparer. Die Wähler haben bis jetzt alles toleriert, Hauptsache es trifft nur die Anderen.

  • am 20.03.2013 um 20:30 Uhr
    Permalink

    Danke, Herr Zeyer für diese wie immer klareund scharf durchdachte Analyse. Vermutlich ist die EU weder zur Alternative 1 noch 2 fähig und die 3 zeichnet sich ab. Vielleicht nach folgendem Szenario:
    Erst mal ein Njet der Russen
    dann ein Vielleicht der Russen
    dann die Bedingungen der Russen (Gaskonzessionen und ein Mittelmeerhafen)
    dann bekommt die Eu kalte Füsse
    dann findet die EU eine gesichtswahrende Form, doch die ganzen zyprischen Schulden zu sanieren,
    dann ist auch den anderen Schuldnerstaaten rings ums Mittelmeer klar, wie man Brüssel erpressen kann
    dann ..? Affaire à suivre.
    U. Ganz

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