Kommentar

Schweizer Wirtschaft zahlt jährlich 15 Mrd zu viel

Das Kartellgesetz muss verschärft werden, damit unsere KMUs sowie die Konsumentinnen und Konsumenten vom hohen Franken profitieren. ©

Rudolf Strahm /  Das Kartellgesetz muss verschärft werden, damit unsere KMUs sowie die Konsumentinnen und Konsumenten vom hohen Franken profitieren.

Red. Als ehemaliger Preisüberwacher hat sich der SP-Politiker Rudolf Strahm intensiv mit der Preispolitik von Unternehmen und Konzernen befasst. In diesem Beitrag ruft er die Gewerbe-Lobby auf, sich in ihrem eigenen Interesse zusammen mit Konsumentenorganisationen für eine Verschärfung des Kartellgesetzes einzusetzen.

Ich schreibe für einmal zu einem Thema, das in der Zentrale des Schweizerischen Gewerbeverbands nicht alle freut. Aber es handelt sich um ein Problem, das unzählige KMU-Betriebe ärgert und bei dem ich weiss, dass die meisten KMU-Chefs mit mir einig sind. Es ist auch ein Bereich, von dem ich als ehemaliger Preisüberwacher etwas verstehe: Es geht um die überhöhten Importpreise und die kartellgesetzliche Massnahme gegen den Preiszuschlag Schweiz ausländischer Lieferanten.
Kein Zweifel, nach dem Währungsschock-Entscheid des dreiköpfigen SNB-Direktoriums vom 15. Januar 2015, hat sich die Überhöhung von Importpreisen noch verschärft. Der Schweiz-Zuschlag, den in der Regel ausländische Lieferanten bei Lieferungen in die Schweiz erzwingen, hat sich nochmals erhöht. Ausgerechnet jetzt, da die exportierenden Firmen eine Kompensation für ihre wechselkursbedingten Einbussen suchen, hätten sie eine Kostenanpassung auf der Einkaufsseite nötig.
Die Preisüberhöhung trifft nicht nur die Konsumenten, die einfach mit den Füssen, respektive den Rädern abstimmen und im Ausland einkaufen. Letztes Jahr stieg der Einkaufstourismus auf zehn Milliarden Franken. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres nahm dieser Tourismus um weitere 15 Prozent zu. Das zeigen Anträge zur Rückerstattung der Mehrwertsteuer. Die überhöhten Importpreise treffen auch die KMU-Wirtschaft. Die grossen Konzerne kaufen ihre Zulieferungen längst über ihre ausländischen Filialen und beziehen sie dann als konzerninterne Transaktion ohne Preiszuschlag.
Konzerne organisieren Einkäufe im Ausland
Zum Beispiel die UBS hat speziell eine Tochter errichtet, die darauf spezialisiert ist, für die Beschaffung von Hardware, Software und Arbeitsplatzeinrichtungen direkt im Ausland einzukaufen und diese dann konzernintern in die Schweiz weiter zu reichen. Mit andern Worten, sie betreibt durchs Band einen (legalen) Parallelimport unter Umgehung der Generalimporteure im Inland. Die KMU können solches nicht. Sie sind auf hiesige Lieferanten angewiesen, aus Gründen der Praktikabilität, des Service, der Ersatzteile.
Ich habe vor mir Preislisten von typischen Betriebs- und Lagerausstattungsgegenständen: Paletthubwagen, Raumschränke, Alu-Klappgerüste, Datensicherungsschränke, Mehrwegpaletten. Der Schweizer Preis der je identischen Produkte mit gleicher Typennummer liegt durchwegs 70 Prozent über dem umgerechneten Preis in Deutschland! Und diese Preisüberhöhung kommt nicht vom Schweizer Lieferanten, sondern vom ausländischen Produzenten, der nur mit dem Zuschlag an Schweizer Abnehmer liefert. Der ausländische Produzent beziffert seine Grossistenpreislisten in Frankenwährung und sackt seit dem SNB-Entscheid noch den Aufwertungsgewinn ein.
Gastroküchengeräte, Gastroeinrichtungen, Druckmaschinen, Fahrzeugkomponenten wie Achsen, Räder, Reifen, Bremsanlagen, Verdecke, aber auch Bormaschinen, Werkstatteinrichtungen – jeder Gewerbetreibende könnte Beispiele von ungerechfertigten Importpreiszuschlägen nennen. «Unsere Firma», schrieb ein betroffener Thurgauer Verarbeiter von Spenglereiprodukten dem SGV-Präsidenten, «wird von den genannten Firmen (in Deutschland) unter dem Vorwand der Generalvertretung nicht direkt beliefert und muss die Maschinen zu wesentlich höheren Preisen als in Deutschland von der Firma S. (in der Schweiz) kaufen.» Solche Praktiken sind ganz eindeutig und klar eine Wettbewerbsbehinderung. Sie verhindern den Parallelimport und ermöglichen den Zuschlag Schweiz.
Fünfzehn verschenkte Milliarden
Die Währungsgewinne sind schon bisher zur zum kleinen Teil an Schweizer Importeure weiter gegeben worden: von Dezember 2010 bis Dezember 2014 hätten die Importpreise um rund 20 Prozent sinken müssen, laut (gewichtetem) Importpreisindex des Bundesamts für Statistik BFS sanken sie in diesem Zeitraum nur um 6,3 Prozent! Die Schweizer Importeure zahlen jährlich sicher rund 15 Milliarden Franken mehr auf den ausländischen Fabrikaten und Halbfabriken, verglichen mit den Lieferpreisen identischer Produkte im Ausland. Dieser Zuschlag Schweiz ist ein Geschenk ans Ausland. Es gäbe keine kostenwirksamere Wirtschaftsmassnahme, jetzt, wo alle nach Abbau von Bürokratiekosten rufen, die monopolistischen Alleinimporteur-Strukturen zu beseitigen!
Nun kommt nach dem Absturz der Kartellgesetzrevision eine parlamentarische Initiative des freisinnigen Trogener Unternehmers, Ständerat Hans Altherr, (Arcolor AG, Arcolor-Holding), die einzig und allein den kartellrechtlichen Kampf gegen diesen volkswirtschaftlich schädigenden Lieferpreiszuschlag anvisiert. Das Kartellgesetz hat nämlich heute eine Lücke, und solange diese nicht gesetzlich geschlossen wird, kann man die schädigenden Schweiz-Zuschläge nicht knacken. DIESER Revisionspunkt nützt dem Gewerbe und der KMU-Wirtschaft, die auf günstige Einkäufe angewiesen sind. Ich kenne die Märkte, es kann mir kein Funktionär behaupten, die Parlamentarische Initiative Altherr sei nicht gewerbe- und konsumentenfreundlich.
Im April hat sich nun ein Komitee aus Gewerbekreisen und Konsumentenorganisationen gebildet, das eine Volksinitiative gegen die Hochpreisinsel vorbereitet. Federführend sind an vorderster Front der Verband Gastrosuisse und die Schweizerische Stiftung für Konsumentenschutz SKS. Bei zahlreichen Verbänden läuft derzeit die Umfrage für eine Beteiligung an der Volksinitiative. Sie würde sowohl von bürgerlich-gewerblichen Kreisen als auch von Konsumentenorganisationen getragen – eine interessante politische Konstellation.

Dieser Beitrag ist die Nachführung eines Artikels des Autors, der zuerst in der Schweizerischen Gewerbezeitung Nr. 5 vom 20. März 2015 erschienen ist.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Rudolf Strahm ist Ökonom. Er war 1991–2004 für die SP im Nationalrat und wirkte von 2004–2008 als eidgenössischer Preisüberwacher. Rudolf Strahm ist seit 2008 Präsident des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung (SVEB).

Zum Infosperber-Dossier:

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Ein starker Franken macht alles aus dem Ausland billiger. Dafür werden Schweizer Produkte im Ausland teurer.

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4 Meinungen

  • am 15.04.2015 um 18:07 Uhr
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    Auf der Suche nach der Ursache „Hochpreisinseln“ könnten auch ausgegrabene Kenntnisse wie der Samuelson-Balassa Effekt Antworten liefern. Letztlich besagt dieser Effekt für die Schweiz, dass die hohen Löhne im hochproduktiven Exportsektor dazu führen, dass der Binnensektor ebenfalls höhere Löhne zahlen muss (sonst bekäme er keine Arbeitnehmer). Das heisst, dass Banken und Pharmaindustrie grundsätzlich dafür verantwortlich sind, dass die Lieferketten höhere Löhne und Fixkosten decken müssen.
    Preise muss man rechnen. Was stimmt muss man belegen.
    „Nachführen“ kann man fast alles aber in der Marktwirtschaft nicht, dass kleinere Abnahmemengen, zu gleichen Preisen führen müssen. Falsch im Kern ist aber komplett, dass generelle Belieferungsbevorteilungen, unabhängig der Grösse nicht von Freiheiten ausgenommen sind.

  • am 15.04.2015 um 21:57 Uhr
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    Nachdem dieser Zustand seit gefühlt 100 Jahren besteht, wird jetzt endlich etwas unternommen: Hr. Altherr macht eine parlamentarische Initiative und Gewerbekreise und Konsumentenorganisationen planen eine Volksinitiative. Beides wird geschätzt nochmal 100 Jahre dauern bis es zur Entscheidung bereit ist und weitere 100 Jahre bis eventuell etwas umgesetzt wird.
    Die Profiteure dieser Situation müssen sich gar keine Sorgen machen.

  • am 16.04.2015 um 00:02 Uhr
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    Ja, da sieht mans’s mal wieder – kurze Breitseite beidseits und aus ist der Spuk.
    Im Prinzip läge der Zugzwang bei den Lieferketten dann ginge es auch den Bürgern schneller besser. Die Profiteure müssen sich höchstens um ihre Jobs, steigende Preise, schlechtere Qualität, ihre Enkel und die Umwelt Sorgen machen.
    Oder meinte da wirklich einer, der Händler kann gegen Währungsgewinne die Kavallerie schicken.

  • am 16.04.2015 um 08:01 Uhr
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    Was da also als Wettbewerbsbehinderung bezeichnet wird, ist auf der anderen Seite die Vernichtung von – gerechtfertigten Arbeitsplätzen, – die generierung von echtem Steuersubstrat, – die Verhinderung von künstlichem Geld, – die Minderung von Missbrauch, – die gleichzeitige reduzierung von unnützen Beamtenstunden.
    Und wenn man schon an Löcher Stopfen ist, dann soll man auch die Löcher stopfen, welche man da gerne sieht oder an deren Entwicklung man eventuell selbst beteiligt war.

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