Sperberauge

Ablass mit ökologischem Handabdruck

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Wer ökologisch auf grossem Fuss lebt, kann diesen Fussabdruck jetzt mit einem "Handabdruck" ausgleichen.

Der Begriff «ökologischer Fussabdruck» tauchte vor 30 Jahren erstmals auf und wurde durch den Schweizer Mathis Wackernagel und sein «footprint network» weltweit verbreitet. Dieser Fussabdruck gab dem Naturverbrauch ein individuelles Gesicht. Seither kann jeder Mensch mit verschiedenen Methoden und Fussabdruck-Rechnern ermitteln, wie stark er mit seiner Lebensweise Naturgüter plündert, die Umwelt belastet oder das Klima aufheizt.

Dieses Konzept sei wichtig, aber auch «etwas deprimierend», schreibt jetzt der grüne Nationalrat und Umweltwissenschaftler Bastien Girod in der jüngsten Ausgabe der Zürcher Wochenzeitung P.S.; dies in einem Artikel, in dem er «4 Strategien zur Umsetzung» der Forderung «Netto Null (CO2-Emissionen)» der Klimastreik-Bewegung präsentiert.

Als Ergänzung zum deprimierenden Fussabdruck propagiert Girod einen ökologischen «Handabdruck», um im konkreten Fall die Stadt Zürich zum Ziel «Netto Null» zu führen. Dabei handle es sich um alles, «was wir aktiv mit unseren Händen (und Köpfen) bewirken». Bastien Girod liefert dazu folgende Beispiele: «Wenn das EWZ (Städtisches Elektrizitätswerk, d. V.) einen Windpark erstellt, hat es einen positiven Handabdruck. Ebenso, wenn das Zürcher Unternehmen Susi & Partners effiziente und erneuerbare Energieprojekte finanziert, und wenn ‹South Pole› oder ‹My Climate› helfen, Wälder aufzuforsten.»

Girods Vorschlag ist nicht neu; das erfährt, wer auf Suchmaschinen den Begriff «ökologischer Handabdruck» eintippt und dabei auf zahlreiche Publikationen stösst. Die Universität Lüneburg zum Beispiel publizierte unter dem Titel «Handabdruck – positive Nachhaltigkeitseffekte» schon 2017 ein Arbeitspapier. Darin findet man folgende Definition: «Eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsanalyse von Produkten betrachtet die positiven wie negativen ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen entlang des gesamten Produktlebensweges. In Ergänzung zum bereits existierenden Fußabdruck, der die negativen Effekte fokussiert, erfasst der Handabdruck als komplementäres Maß die positiven Effekte.»

Nun können Leute, die viel energieintensiven Wohnraum beanspruchen, panzerähnliche Autos fahren oder in der Welt herumjetten, endlich aufatmen. Der neue Begriff erlaubt ihnen, ihren überdurchschnittlich grossen ökologischen Fussabdruck mit einem entsprechenden Handabdruck ausgleichen. Das Ziel «Netto Null» werden sie damit locker erreichen.

Der US-Umweltprediger Al Gore zum Beispiel wird uns vorrechnen, die Wirkung seiner Vorträge zum Klimawandel kompensiere die Treibhausgase mehrfach, die seine Villa und seine Weltreisen verursachen. Autoproduzenten werden die Umrüstung ihrer SUV-Flotte von Benzin- auf Strombetrieb als ökologischen «Handabdruck» anpreisen. Bastien Girod kann seinen persönlichen Fussabdruck mit einem Postulat zur stärkeren Subventionierung von Windkraftwerken oder Elektrotankstellen kompensieren. Und Organisationen wie «My Climate» oder «Klimastiftung», die unter dem negativ besetzten Begriff «ökologischer Ablasshandel» leiden, dürfen ihr Image mit dem positiv besetzten Wort «ökologischer Handabdruck» grün waschen.


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Eine Meinung zu

  • am 14.04.2019 um 15:14 Uhr
    Permalink

    Frage an die Grüne Partei:
    Ist diese Aussage richtig?
    Belastung der Natur ist «Pro-Kopf-Verbrauch» mal «Menschen-Zahl"

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