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«WikiLeaks» publiziert ein geheimes Urteil und zeigt die Korruption hinter Frankreichs Leclerc-Deal © wikipedia

Seltener Blick hinter die Kulissen des Waffenhandels

Tobias Tscherrig /  Die Enthüllungsplattform «WikiLeaks» liefert Dokumente zur Korruption im internationalen Waffengeschäft. Die Schweiz muss hinsehen.

Während der Bundesrat dem Jammern der einheimischen Waffen-Industrie nachgeben möchte und die Export-Bestimmungen für Waffenlieferungen in Bürgerkriegsländer noch immer lockern will, liefert die Enthüllungsplattform «WikiLeaks» ein geheimes Urteil eines Schiedsgerichts, das einen seltenen Blick hinter die Kulissen des internationalen Waffenhandels ermöglicht. Involviert sind Frankreich, Deutschland, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ein dubioser Geschäftsmann, verschiedene Briefkastenfirmen in Steueroasen, jede Menge Schwarzgeld und Bankkonten in der Schweiz.

Es geht um französische Leclerc-Panzer, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten im Jemen eingesetzt werden. In einem grausamen Krieg, der vor allem die Zivilbevölkerung trifft und laut UNO die schwerste humanitäre Krise der Gegenwart verursacht hat. Gemäss der Nicht-Regierungsorganisation «Save The Children» sind fünf Millionen jemenitische Kinder vom Hungertod bedroht. All das dürfte einen Geschäftsmann aus den Emiraten nicht kümmern – für seine «Vermittler-Rolle» beim fraglichen Waffendeal wurden insgesamt 235 Millionen US-Dollar «Provision» vereinbart. Am Schluss erhielt er immerhin noch 195 Millionen Dollar.

Der «Vertrag des Jahrhunderts»
«WikiLeaks» spielte seine Enthüllungen dem deutschen «Spiegel», der italienischen «La Repubblica» und dem französischen Online-Portal «mediapart» zu. Sie zeigen die Geheimnisse hinter einem der grössten Rüstungsverträge, die Frankreich – heute der drittgrösste Waffenexporteur der Welt – je unterzeichnet hat. Sie zeigen aber auch, wie Korruption und Waffenlieferungen in Krisengebiete zu zehntausenden Opfern führen können.

Der Vertrag zwischen Frankreich und den Emiraten wurde am 6. April 1993 unterzeichnet. Er beinhaltete die Lieferung von 388 Leclerc-Panzern, 46 bewaffneten Flugzeugen und einer Menge Munition. Kostenpunkt für die Emirate: 3,2 Milliarden Dollar. Wegen des grossen Umfangs bezeichnete die französische Presse den Abschluss des Geschäfts schon bald als «Vertrag des Jahrhunderts».

Die Leclerc-Panzer wurden von der französischen Waffenschmiede «Groupement industriel des armements terrestres» (GIAT) hergestellt. Ein Rüstungsbetrieb, an dem der französische Staat gemäss «mediapart» zu 100 Prozent beteiligt war und der heute «Nexter SA» heisst. Laut «Spiegel» stammen die Motoren der Panzer aus Deutschland, von der «Motoren und Turbinen Union» (MTU) in Friedrichshafen am Bodensee. Die Panzer-Getriebe kamen von der «Renk AG» aus Augsburg.

«GIAT» lieferte die Panzer Anfang 2000, sie kamen aber erst fünfzehn Jahre später zum Einsatz.

Altes Staatsgeheimnis
Die Dokumente von «WikiLeaks» belegen, dass die geheimen Verhandlungen zum Vertragsabschluss zwischen Frankreich und den VAE bereits 1991 begonnen hatten. Um den Deal zu vermitteln, beauftragte das staatliche Unternehmen «GIAT» einen Abgesandten, der den Behörden Abu Dhabis sehr gut bekannt war: Abbas Ibrahim Yousef al-Yousef. Einer der reichsten Männer der Emirate, der auch schon in der Schweiz investiert hat.

Wie viele Waffenhändler, tritt Yousef selten öffentlich in Erscheinung. Gemäss Informationen, die «mediapart» vorliegen, stammt der Geschäftsmann aus dem gleichen Dorf wie Zayid bin Sultan Al Nahyan, dem ersten Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate. Mit dessen mächtiger Familie ist Yousef eng verbunden.

Yousef begann eine militärische Karriere als Jagdflieger in der VAE-Armee, heute hat er den Rang eines Oberst. In der Armee ist er unter anderem Ausbilder von Mohamed al-Zayed, einem der Söhne des ehemaligen Präsidenten – und Bruder sowie erster Nachfolger des amtierenden Herrschers Chalifa bin Zayid Al Nahyan.

«Provisionszahlungen» an undurchsichtigen Geschäftsmann
Neben seinen militärischen Aktivitäten hat Abbas al-Yousef, der gemäss «Spiegel» auch in die deutsche Bio-Supermarktkette «Basic AG» investiert, eine Geschäftstätigkeit im Rüstungsbereich entwickelt. Wie eine anonyme Führungspersönlichkeit der französischen Waffenindustrie gegenüber «mediapart» erklärte, wurde Yousef zum bevorzugten Vermittler vieler französischen Rüstungsunternehmen in den Emiraten. Die Hersteller «Thales», «Dassault» und «Airbus» griffen auf seine Dienste zurück – ebenso «GIAT». Yousef soll mit einem «GIAT»-Vertriebsleiter eng befreundet sein.

Eine der Offshore-Gesellschaften von Yousef, «Kenoza Industrial Consultuing & Management Inc.» mit Sitz in der Steueroase British Virgin Islands, erhielt ab dem Jahr 1991 von «GIAT» versteckte «Provisionen» in der Höhe von insgesamt 195 Millionen Dollar für den zukünftigen Verkauf französischer Panzer in die Emirate. Der Geschäftsmann leitete das Geld von den versteckten Konten an seine Unternehmens-Holding weiter, so sollte die Herkunft der Millionen verschleiert werden.

Eigentlich hätte diese Schwarzgeld-Zahlung nie auffliegen sollen. Aber Yousef und «GIAT» zerstritten sich. Nachdem Yousef bis März 2000 nur 195 Millionen von den versprochenen 235 Millionen Dollar erhalten hatte, reichte er beim Pariser «Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer» – wo die Prozesse unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden – Klage gegen «GIAT» ein. «GIAT» weigerte sich, die ausstehenden 40 Millionen Dollar zu bezahlen.

Was dank «WikiLeaks» ans Tageslicht kam, ist beispiellos. Vor dem Schiedsgericht, das «Konflikte zwischen Handelspartnern auf der ganzen Welt schnell, vertraulich und mit einem Minimum an bürokratischem Aufwand» lösen will, fielen «GIAT» und sein Vermittler einander in den Rücken. Plötzlich erkannte das französische Unternehmen ein «Missverhältnis» zwischen der Höhe der Provisionen und der erbrachten Dienstleistungen von Yousef. Der Vermittler gab im Gegenzug pikante Details des Deals preis.

Schmiergelder auch auf Schweizer Konten
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit räumte «GIAT» ein, dass sein Vermittler «Korruptionsvergehen begangen hat», wie es im Urteil vom 30. September 2010 heisst. «GIAT» wird noch deutlicher und behauptet, dass «Kenoza», die Offshore-Gesellschaft des Waffen-Vermittlers, «gegründet wurde, um ein geeignetes Instrument für die Bestechung von Beamten der Vereinigten Arabischen Emirate bereitzustellen».

Zwar wurden keine Namen von bestimmten Beamten genannt, trotzdem kann der Kreislauf der Korruption nachgezeichnet werden. Frankreich liess Yousef über den staatlichen Waffenkonzern «GIAT» Schwarzgeld zukommen. Das Geld wurde auf Bankkonten in den Steueroasen Liechtenstein und Gibraltar einbezahlt. Im Gegenzug vermittelte Yousef die französischen Waffen an Abnehmer in die Emirate. Einiges deutet darauf hin, dass Yousef Teile der Provision an arabische Amtsträger weiterreichte. Wie der «Spiegel» schreibt, werfen die «WikiLeaks»-Unterlagen auch die Frage auf, «ob Deutsche geschmiert wurden, die den Export der Motoren und Getriebe zu genehmigen hatten». So zitiert der «Spiegel» eine Aussage von Yousef von 2009, wonach er bei den deutschen Behörden lobbyiert und dafür gesorgt habe, dass die nötige Genehmigung erteilt worden sei.

Auch bei der Vergabe des Auftrags für die Leclerc-Getriebe an die deutsche «Renk AG» ist nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Gemäss dem «Spiegel» hat die «Renk AG» dafür 2,6 Millionen Euro «Beratungshonorare» auf die Schweizer Konten von zwei Franzosen überwiesen. Diese seien 2005 von einem Pariser Gericht wegen Korruption zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Zwei deutsche Renk-Mitarbeiter erhielten 18 Monate Haft auf Bewährung und jeweils 100’000 Euro Geldstrafe.

Mit dem Einsatz von Schmiergeldern kam der «Vertrag des Jahrhunderts» zu Stande. Damit stach Frankreichs Waffenindustrie die Konkurrenz aus: Deutschland, Brasilien und die Vereinigten Staaten waren im Rennen um den Panzermarkt der Emirate.

Zuerst das Fressen, dann die Moral
Im Wettkampf um die lukrativen Waffen-Aufträge von den Vereinigten Arabischen Emiraten, werden die zivilen Opfer nirgends verbucht. In den letzten drei Jahren gab es im Jemen heftige Kämpfe zwischen einer vom Iran unterstützten Houthi-Rebellion und einer von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführten Koalition, die von den USA logistisch geführt wird. Nach Angaben der UNO hat vor allem die von Frankreich bewaffnete Koalition zivile Opfer verursacht. Die Vereinten Nationen verweisen auf mögliche Kriegsverbrechen, weil Wohngebiete, Märkte und sogar medizinische Einrichtungen angegriffen wurden.

«Nexter» (ex-«GIAT») versichert gegenüber «mediapart», dass «die Nutzung der erworbenen Geräte in der Verantwortung souveräner Nutzerstaaten» liegt und lobt ihr Engagement für «Exportkontroll-Regeln» und die Einhaltung der «Geschäftsethik».

Korruption war jahrelang legal
Der französische Rüstungskonzern «GIAT» rechtfertigte seine Weigerung, die «Provision» von Yousef nicht vollständig auszubezahlen, mit dem Gesetz: Im Juni 2000 wandelte Frankreich ein ratifiziertes OECD-Übereinkommen zur Bekämpfung von Korruption in französisches Strafrecht um. Seitdem sind versteckte «Provisionen» – also Bestechungsgelder – auf den Rüstungsmärkten illegal. Davor waren sie strafrechtlich nicht relevant. Wie «mediapart» berichtet, konnten sie vor Juni 2000 mit einem Steuerformular, das durch den militärisch-industriellen Apparat methodisch ausgefüllt worden sei, sogar von den Steuern abgesetzt werden.

«GIAT» argumentierte deshalb vor den Richtern des Schiedsgerichts, dass der Vertrag mit Yousef ab Juni 2000 wegen seiner «illegalen Herkunft» nicht anwendbar sei. Während der Verhandlung bestritt Yousef jegliche Korruption.

Yousef ist kein unbeschriebenes Blatt. Erst vor einem Jahr wurde bekannt, dass er in einen möglichen Korruptionsfall bei «Airbus» verwickelt sein könnte, bei dem 19 Millionen Euro verschwanden.

Klage abgewiesen – Frankreich schweigt
Die drei Richter des Schiedsgerichts kamen dem Antrag von Abbas al-Yousef, wonach die restlichen 40 Millionen Dollar noch zu bezahlen seien, nicht nach. Er konnte den Verwendungszweck der Gelder nicht nachweisen, ausserdem hielt er Informationen zu weiteren Beteiligten des Korruptions-Netzwerkes zurück.

Im März 2016 sagte Stéphane Mayer, Präsident von «Nexter» (ex-«GIAT») und ein Schwergewicht der französischen Rüstungsindustrie vor der französischen Nationalversammlung: «Was die Leclerc-Panzer betrifft, so kann ich bestätigen, dass ihr Engagement im Jemen das Militär in der Region stark beeindruckt hat.» Die andere Art der Betrachtung: Neben dem Militär von Saudi-Arabien wird die Armee der Vereinigten Arabischen Emirate von der UNO und von NGOs am häufigsten für mögliche Kriegsverbrechen und Verletzungen internationaler Gesetze auf jemenitischem Boden genannt. Das offizielle Frankreich schweigt dazu.

Eine mögliche Erklärung für das Schweigen liefern die Verkaufszahlen der französischen Waffenindustrie. Seit einigen Jahren gehören die Emirate zu den wichtigsten Abnehmern von französischen Waffen. Allein im 2014 lieferte Frankreich Waffen im Wert von rund 937 Millionen Euro.

Forderung nach mehr Kontrollen
Während der Bundesrat in der Schweiz die Export-Regeln für Waffenlieferungen in Krisenregionen lockern will, stellt sich Frankreich aktuell die Frage, wie Waffenverkäufe in Länder kontrolliert werden können, bei denen der Verdacht besteht, dass sie die internationalen Regeln nicht einhalten. Anfang April reichten über sechzig Parlamentarier einen Antrag zur Einsetzung einer Untersuchungskommission zum Thema ein. Andere Politiker plädieren für eine ständige parlamentarische Delegation, die sich dieser Thematik widmen soll.
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2 Meinungen

  • am 12.10.2018 um 18:48 Uhr
    Permalink

    Die meisten Waffengeschäfte der Kriegsgewinnler werden «legal» abgewickelt, mit dem Segen der Regierungen, ohne das geschmiert werden «muss».

    In seinem Buch „Das Globale Geschäft mit dem Tod“ dokumentierte auch Andrew Feinstein wie «WikiLeaks» ausführlich korrupte Geschäftspraktiken der Rüstungsbranche, die als sie ans Tageslicht kamen von der Justiz nicht sanktioniert werden durften. Zum Beispiel von Saab, eine Firma die uns 22 Gripen-Kampfjet für 3,126 Milliarden Franken verkaufen wollte (Stückpreis 142 Millionen Fr). Saab war mit der britischen Firma BAE Systems in kriminelle Schmiergeldaffären verwickelt, die Feinstein in seinem Buch dokumentierte. Die schwedische Regierung deckte dabei Saab, wie die britische Regierung unter Margaret Thatcher, John Major und Tony Blair die kriminellen Machenschaften von BAE Systems deckte und Strafuntersuchungen stoppte.

    Andrew Feinstein war Abgeordneter im Südafrikanischen Parlament. Als Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses deckte er die Korruption bei Waffengeschäften in Südafrika auf, mit BAE Systems und Saab. Aus Protest legte Feinstein sein Mandat nieder und verliess das Land.

    Südafrika war 2016 dessen ungeachtet der zweitbeste Kunde der Rüstungsindustrie in der Schweiz, «legal». Südafrika kaufte für 51,3 Mio. Franken Feuerleitgeräte und Ersatzteile für die Fliegerabwehr. Südafrika wird von keinem Staat militärisch bedroht und hätte alles andere nötig, als Kriegsmaterial von Rheinmetall in der Schweiz zu kaufen.

  • am 12.10.2018 um 21:41 Uhr
    Permalink

    56 Prozent der Israeli glauben, dass die Juden ein von Gott auserwähltes Volk seien. Wenn man die Waffenverkäufe pro Kopf der Bevölkerung in der Periode 2008 -2015 berechnet steht Israel, dieses von Gott auserwählte Volk, an erster Stelle. (Waffenexporte Israel, 2008 -2015 1214 US Dollar pro Kopf) An zweiter Stelle steht Schweden (Waffenexporte Schweden, 2008 -2015 930 US Dollar pro Kopf) Auf dem dritten Platz der Kriegsgewinnler, steht die Schweiz, (Waffenexporte Schweiz, 2008 -2015 518 US Dollar pro Kopf)

    Die Schweizer würden wohl nicht sagen sie seien ein Volk das von Gott auserwählt sei. Viele denken aber vielleicht wir hätten die perfekteste und vorbildhafteste Demokratie der Welt. Deshalb würden Leute die viel gearbeitet haben ihr Vermögen in unser Land bringen.

    Schweizer Bank verwalten Vermögen im Werte von 6651 Milliarden Schweizer Franken 48,2 Prozent des in Schweiz verwalteten Vermögens stammt aus dem Ausland. Die Schweiz ist damit mit 24 Prozent des weltweit grenzüberschreitenden Vermögens der größte Vermögensverwalter dieser Erde, (Tages Anzeiger 01.09.17)

    Wir legen das Geld dann auch gut an: Die Nationalbank, Versicherungen und Pensionskassen in der Schweiz investieren Milliarden in Konzerne die Kriegsmaterialien herstellen, die sogar verbotene Waffen produzieren, wie Atombomben, Streubomben und Anti-Personenminen.

    Siehe auch: http://ifor-mir.ch/finanziere-keine-atombomben-streubomben-anti-personenminen-und-ueberhaupt-kein-kriegsmaterial/

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