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Tamedia-Verleger Supino gibt seinen Zeitungen die Marschrichtung bekannt © rts/cc

Fernsehgebühren: VR-Präsident gab den Takt vor

upg /  Der oberste Tamedia-Chef machte sein dezidiertes Nein zur SRG-Gebührenvorlage klar und deutlich. Fast alle Chefredaktoren spuren.

Artikel 17 der Schweizerischen Bundesverfassung garantiert die Medienfreiheit wie folgt: «Die Freiheit von Presse, Radio und Fernsehen sowie anderer Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen ist gewährleistet
Im Klartext handelt es sich nicht um eine garantierte Freiheit von Redaktoren oder Journalisten, ohne Zensur Informationen und Meinungen zu verbreiten, sondern um die Freiheit für Besitzer von Presse, Radio und Fernsehen, zu verbreiten, was ihnen gefällt.
Noch vor fünfzig Jahren gab es in der Schweiz eine Vielzahl von kleinen und mittelgrossen Verlegern, die sich auch in ihren eigenen Regionen konkurrenzierten. Heute gibt es mit Ringier, Tamedia und dem NZZ-Verlag noch drei Medienkonzerne, die sich nicht nur praktisch sämtliche Zeitungen und Zeitschriften in der Schweiz unter den Nagel gerissen haben, sondern auch die Mehrzahl der privaten TV- und Radiostationen. Aus dem Rahmen fallen lediglich der AZ-Verlag von Peter Wanner und die Basler Zeitung und Weltwoche, beide von Christoph Blochers Gnaden.
Die öffentlichrechtliche SRG mit ihren Fernseh- und Radioprogrammen in allen Landesteilen ist besonderen Konzessionsbestimmungen unterworfen und einer sachgerechten und ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet.
Tamedia: Beispiel von Konzernjournalismus
Dass die Meinungspluralität innerhalb eines Konzerns seine Grenzen kennt, zeigt die Haltung des Tamedia-Konzerns zur Vorlage über die Neuordnung der Radio- und Fernsehgebühren.
Tamedia-Verwaltungsratspräsident Pietro Supino herrscht unter anderem über die Zeitungen «Tages-Anzeiger», «Der Bund», «Berner Zeitung», «Bernerbär», «SonntagsZeitung», «20Minuten», «20Minuten-online», «Landbote», «Zürcher Oberländer», «Zürcher Unterländer, «Zürichsee-Zeitung», «Le Matin», «Le Matin Dimanche», «24Heures», «Tribune de Lausanne», «Bilan», «Finanz und Wirtschaft».
Supino befahl oder empfahl den Chefredaktoren dieser Konzern-Zeitungen nicht direkt, sie sollten den Gegnern der Gebühren-Neurordnung besonders viel Platz einräumen und in ihren Editorials ein «Nein» oder eher ein «Nein» propagieren. Nein, der Verwaltungsratspräsident eines Medienkonzerns mischt sich höchstens in Vieraugengesprächen in die politische Ausrichtung seiner Blätter ein, oder dann mit der sorgfältigen Wahl von Chefredaktoren und ganz selten von Chefredaktorinnen.
Im konkreten Fall wählte Supino einen andern Weg. Er machte seine Meinung unmissverständlich klar in einem ganzseitigen Beitrag in der Konkurrenzzeitung NZZ.
Infosperber hatte darüber berichtet:
Das Schweizer Fernsehen und das Schweizer Radio SRF sollen sich in Zukunft auf «Beiträge von staatspolitischer Bedeutung beschränken, die auf dem freien Markt nicht in gewünschtem Ausmass oder in der gewünschten Qualität angeboten werden», gab Supino quasi als Parole durch. Einen solchen «Public Value Test» würden laut Supinos «grosszügiger» Schätzung nur ein Drittel aller Fernseh- und Radiosendungen der SRG erfüllen. Daraus schliesst der Tamedia-Verleger: «Dafür brauchte es höchstens zwei Drittel der heute zur Verfügung stehenden Mittel
Die entstehende Lücke auf dem «freien Markt» könnte der Tamedia-Konzern schliessen und weiter expandieren. Hinter der Forderung Supinos, die neue Gebührenordnung abzulehnen, stehen finanzielle Interessen des Tamedia-Konzerns.
Chefredaktoren sind Konzerninteressen verpflichtet
Chefredaktoren sind Angestellte des Konzerns und dürfen gemäss Arbeitsrecht nicht gegen unternehmerische Interessen ihrer Arbeitgeber verstossen.
Spätestens seit Supinos Rundumschlag gegen die SRG in der NZZ kann keinem der Chefredaktoren entgangen sein, dass der Tamedia-Verlag und damit ihr Arbeitgeber die SRG kräftig stutzen möchte und deshalb auch die neue Gebührenordnung ablehnt.
Und tatsächlich spuren die Chefredaktoren: Die einen schreiben Supino richtiggehend aus der Hand, andere tun es mit einem Hin- und Her von Argumenten, um dann doch eher ein «Nein» zur Vorlage nahe zu legen.
Von einer Schwächung der SRG wären zuallererst die Westschweizer und Tessiner Fernseh- und Radiosendungen betroffen, die nur dank einer massiven Querfinanzierung von der deutschen Schweiz ihr heutiges Angebot gewährleisten können. Trotzdem legen sich insbesondere die Chefredaktoren der Tamedia-Produkte «La Tribune de Genève», «Hebdo» und «Le Matin Dimanche» für Supinos Marschrichtung ins Zeug. Die Waadtländer Tamedia-Zeitung «24 Heures» zeigt sich moderater, wagt aber auch nicht, sich für die neue Gebührenordnung klar einzusetzen.
In der deutschen Schweiz hat der «Tages-Anzeiger» in den letzten 30 Tagen mehr ablehnende als befürwortende Beiträge veröffentlicht. Desgleichen die «SonntagsZeitung», «Der Bund», die «Berner Zeitung» und «20Minuten».
Es fällt zudem auf, dass alle diese Zeitungen seit Anfang Jahr bedeutend häufiger über die Änderung der Gebührenregelung im Radio- und Fernsehgesetz berichten als über die Vorlage zur Erbschaftssteuer, die gesellschaftspolitisch viel relevanter ist.
Befürwortende Stimmen
Wie vor Abstimmungen geboten, veröffentlichen sämtliche Zeitungen natürlich auch befürwortende Stimmen, wenn auch zuweilen nur als «Gastkommentar», wie am 10. Mai in der «Schweiz am Sonntag». Der BDP-Nationalrat und frühere Berner Regierungsrat Urs Gasche durfte über drei Spalten für die Vorlage plädieren. Hier einige seiner Argumente, die im gegenwärtigen Konzernjournalismus häufig untergehen:

  • Ein Schuss vor den Bug der SRG wäre faktisch auch ein Angriff auf die französische, italienische und rätoromanische Schweiz. Der nationale Zusammenhalt mag für Deutschschweizer ein folkloristisches Element sein. Aus Sicht der lateinischen Schweiz ist er überlebenswichtig.
  • Das revidierte RTVG steht für tiefere Gebühren, mehr Fairness, weniger Bürokratie und eine zukunftsgerichtete Finanzierung. Diese Finanzierung ist für einen föderalen Staat, bestehend aus 26 verschiedenen Kantonen mit vier Landessprachen, zentral. Die elektronischen Medien leisten einen wichtigen Beitrag an den Zusammenhalt der vier Sprachregionen, die politische Meinungsbildung und letztlich zur Schweizer Identität.
  • Es ist auch keine neue Belastung für die Unternehmen und schon gar nicht für die KMU, wie der Gewerbeverband suggeriert. Auch nach heutigem Recht sind die Unternehmen abgabepflichtig, und zwar für jede Betriebsstätte einzeln. Es ist auch fair, dass die Wirtschaft im neuen System 15 Prozent der Gebühren trägt, werden doch die Angebote von Radio und Fernsehen auch für die Unternehmen genutzt, und zwar nicht nur für die Unterhaltung. Informationen aus Wirtschaft und Politik, Börsenberichte, Wetterprognosen oder Verkehrsmeldungen sind für die Tätigkeit der Unternehmen essenziell.
  • Etwa 75 Prozent der Unternehmen werden zudem gänzlich von der Abgabe befreit, nämlich jene, deren mehrwertsteuerpflichtiger Umsatz 0,5 Mio. Franken nicht übersteigt.
  • Die tiefere Abgabe für Private wird möglich, weil es keine schwarz Konsumierenden mehr gibt. Auch das ist nichts als fair. Mit dem revidierten Gesetz verringert sich der administrative Aufwand. Der heutige Kontrollapparat der Billag kann abgebaut, die Gebührenschnüffler der Billag können abgeschafft werden. Die Gebühr für Zweitwohnungen entfällt. Wer im Altersheim, im Pflegeheim oder im Studentenhaus wohnt, zahlt nichts mehr.


Siehe auch


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

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8 Meinungen

  • am 15.05.2015 um 10:54 Uhr
    Permalink

    Eine Steuer, die jeder in gleicher Höhe bezahlen muss, erzeugt nicht nur einen unnötigen administrativen Aufwand, sondern ist auch noch asozial. Öffentliches Radio und TV ist ein Service Public und als solcher über Steuern zu finanzieren.

  • am 15.05.2015 um 11:06 Uhr
    Permalink

    Es geht bei der Abstimmung über das Ersetzen der bisherigen Gebührenordnung der Billag. Diese war und ist für alle gleich hoch, allerdings höher als die neu vorgeschlagene Gebühr, und sie war und ist mit ungleich höherem administrativem Aufwand verbunden – das wird nicht einmal vom Gewerbeverband bestritten.

  • am 15.05.2015 um 12:49 Uhr
    Permalink

    Das ist jetzt also sehr abenteuerlich: 17 Chefredaktionen werfen Sie vor, unbahängig von einander Konzernjournalismus zu betreiben. Dass Roger Schawinski in einem lächerlichen Interview mit Gebührengeldern finanziert seinen Chef Roger de Weck hofiert und ihn quasi das Argumentarium der RTVG-Befürworter aufsagen lässt, wird in diesem einseitigen Beitrag mit keinem Wort erwähnt. Oje. Dieser Beitrag ist ein weiterer Grund für ein Nein zur Revision des RTVG am 14. Juni.

  • am 15.05.2015 um 13:15 Uhr
    Permalink

    @Brusa: Natürlich wäre eine einkommensabhängige Steuer gerechter. Nur gibt es diese Alternative in der realen Schweizer Politik nicht. Wir können ja sagen zum gebührenfinanzierten Radio und Fernsehen mit öffentlichem Auftrag. Oder wir können nein sagen und damit die veröffentlichten Meinungen noch mehr den stärker werdenden Medienimperien überlassen.

  • am 15.05.2015 um 18:21 Uhr
    Permalink

    Wenn ich die Darstellung von infosperber lese und verarbeite wird aus meiner Sicht klar, dass es mit der Staatsaufgabe, für Ausgewogenheit zu sorgen, nicht weither sein kann.
    Gerne möchte ich von einem Volksvertreter, der für die Vormachtsstellung von Ringier,
    Tamedia, NZZ mitverantvortlich ist, konkret hören, wie er sich das Bestehen als neuer
    Konkurrenzanbieter vorstellt. Ich glaube schon jetzt zu wissen – entschuldigung für diese Ueberheblichkeit – dass ein solcher Anbieter kaum zu finden sein wird. Sollte es ihn trotzdem geben, möge er mir doch bitte belegen, dass keine politischen oder wirtschaftlichen Spender sondern rein altruistische Beweggründe dahinter stehen.
    P. Spätig

    P. Spätig

  • am 15.05.2015 um 19:47 Uhr
    Permalink

    Im Artikel steht, der «oberste Tamedia-Chef machte sein dezidiertes Nein zur SRG-Gebührenvorlage klar und deutlich.» Das ist falsch. Pietro Supino hat sich in keinem Artikel und auch in keiner anderen Stellungnahme zur Abstimmungsvorlage vom 14. Juni 2015 geäussert. In seinen Beiträgen zur Diskussion um die SRG geht es – unabhängig von der anstehenden Abstimmung zur RTVG-Revision – um die Frage, welchen Service Public die SRG in Zukunft erbringen soll und ob dafür kommerzielle Werbeeinnahmen notwendig sind. Christoph Zimmer, Tamedia AG

  • am 15.05.2015 um 22:01 Uhr
    Permalink

    Wann merken Journalisten und andere hohe Tiere endlich, dass die SRG nicht «öffentlichrechtlich» ist, sondern ein Verein wie die FIFA. Und das hat möglicherweise etwas mit dem heutigen Zustand zu tun, aber nicht mit der Abstimmungsvorlage, die man ohne Groll annehmen sollte.

  • am 17.05.2015 um 22:23 Uhr
    Permalink

    @ Peter Schellenberg
    NEIN! Eine Annahme der Vorlage würde die mittlerweile katastrophale Qualität von SRF, insbesondere TV und Co. nur auf Jahre hinaus zementieren und alimentieren. Die Dinge sind im Wandel. Terrestrische Transportmedien (Sender) sind im Rückzug – bald mal wird UKW abgeschaltet. Das Modell des Datenstreaming ist eindeutig im schnellen Vormarsch. Darin ist es nicht zukunftsweisend ein Giesskannenmodell langfristig festzuschreiben. Die Diskussion muss erhalten bleiben.
    Ich würde gerne meinen finanziellen Beitrag an eine seriöse und ausgewogene Berichterstattung leisten. Doch die Leistung fehlt! Werbesport und Daddelshows von Endemol (Berlusconi) gehören sicher nicht zum Service Public. Das «Wort zum Sonntag» ebensowenig. Was zählt ist das Datenvolumen in unterschiedlichen Preisklassen – Pay per View. Wer welchen Inhalt konsumiert ist sicher eine Herausforderung aus Sicht des Datenschutz, jedoch nicht unlösbar > anonymes Prepaid als Einstieg.
    Warum soll ich eine Verblödungsmaschine finanzieren wenn ich gelegentlich Sendungen von DRS2 höre.
    Der Vergleich mit FIFA, danke! Warum noch mehr Geld reinpumpen, damit die Gänseleber grösser wird – systemrelevant? Doch solang die Macher sich nicht dazu anstrengen müssen der Qualität zu folgen verdienen die keine Mehrbelohnung.
    Infosperber wäre nicht entstanden, hätten die öR- Staatsmedien bislang ihren Job gut gemacht.
    Gruss

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