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Die grosse Anwaltskanzlei «Bratschi Wiederkehr & Buob» hat die Bundesgerichts-Beschwerde verfasst © © Homepage Bratschi

Pharmafirma zieht Experten-Fall vor Bundesgericht

Urs P. Gasche /  «Mundipharma» weigert sich, die Namen ihrer Experten zu veröffentlichen. Laut Bundesgericht ist Swissmedic «Verfahrensbeteiligte».

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in einem Urteil vom 22. Februar 2016 festgestellt, dass die Swissmedic trotz «klar überwiegendem öffentlichen Interesse» eine von mir als Infosperber-Redaktor aufgrund des Öffentlichkeitsgesetzes verlangte Auskunft verweigert. Deshalb sollte Swissmedic die Namen und beruflichen Lebensläufe von drei Firmenexperten offen legen. Unter dem Titel «Für Swissmedic haben Pharma-Interessen Vorrang» hatte Infosperber darüber berichtet, aber auch festgehalten, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig war.
Beschwerde ans Bundesgericht
Jetzt hat die Berner Anwaltskanzlei «Bratschi Wiederkehr & Buob» im Namen von «Mundipharma» beim Bundesgericht eine 29-seitige Beschwerde eingereicht. Der Kern ihrer Argumente:

  • Die Experten hätten ein persönliches Interesse, dass ihre Namen und beruflichen Lebensläufe nicht bekannt würden. Überdies habe das Bundesverwaltungsgericht den Experten das rechtliche Gehör verweigert, weshalb das Urteil schon wegen dieser Rechtsverletzung aufzuheben sei.
  • Es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse, die Namen und beruflichen Lebensläufe der von den Firmen beauftragten und bezahlten Experten der Öffentlichkeit preiszugeben.

Der konkrete Fall
Konkret geht es um den Swissmedic-Entscheid zur Zulassung des von «Mundipharma» vertriebenen Medikaments Folotyn. Dieses Medikament ist für eine sehr seltene Krebserkrankung Erwachsener meistens in den Lymphknoten (T-Zell-Lymphom) mit schlechter Überlebensprognose zugelassen, sofern Chemotherapie und/oder Bestrahlung keine Wirkung mehr zeigen. Pro Jahr sollen in der Schweiz rund hundert Personen daran erkranken. Der Krebs breitet sich rasch aus, weshalb in der Regel sofort eine Chemotherapie und eine Bestrahlung empfohlen wird. Oft kommt es noch zu einer Transplantation von Stammzellen.
Keinerlei Nutzen nachgewiesen

Swissmedic räumte im Zulassungsentscheid zwar selber ein, dass es keinen Nachweis dafür gibt, dass Folotyn das Fortschreiten des Tumors bremst, geschweige denn das Leben der PatientInnen verlängert. Trotzdem hat Swissmedic Folotyn bewilligt. Die europäische Zulassungsbehörde EMA hat die Zulassung von Folotyn verweigert.

Das Bundesamt für Gesundheit hat Folotyn zwar nicht auf die Liste der kassenpflichtigen Medikamente gesetzt, doch die Kassen müssen es trotzdem als Medikament für seltene Krankheiten vergüten. Für eine Kur von acht Infusionen für eine Person verlangt die Herstellerin 77’000 Franken.

  • Infosperber wird über die Beschwerde weiter berichten.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor als Redaktor von Infosperber hatte am 25. Januar 2014 das Einsichtsgesuch bei der Swissmedic selber eingereicht, nach teilweise abschlägigem Bescheid einen Schlichtungsantrag beim Eidgenössischen Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) gestellt und schliesslich Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Mit dem am 3. März 2016 veröffentlichten Entscheid vom 22. Februar 2016 gab das Gericht dem Begehren von Infosperber statt. Jetzt liegt der Fall beim Bundesgericht.

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 3.04.2016 um 10:46 Uhr
    Permalink

    Falsch ! »…Es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse, die Namen und beruflichen Lebensläufe der von den Firmen beauftragten und bezahlten Experten der Öffentlichkeit preiszugeben…."

    Richtig ! »… Es besteht immer ein öffentliches Interesse sofern Unter ehmen, Experten, Kommissionen, Verwaltungsräte… Entscheidungen treffen welche die Gesellschaft und alle anderen Stakeholder betreffen…» oder agiert das Kapital, Investoren völlig losgelöst von der Gesellschaft?

    Wann ist das nicht der Fall?

    Ich wünsche mir eine Stakeholdergesellschaft anstatt eine primär für Shareholder, den gerade bei der letzteren tragen die Gesellschaft und Individuen die Risiken. Risiken trägt auch jeder einzelne vollumfänglich selber… zum Beispiel die möglichst profitable Verwertung in den Arbeitsmärkten, die wertigkeit und verbindlichkeit von Diplomen, Arbeitserfahrung, Krankheit und Gesundheit, Migration, Soziales, Fürsorge und Vorsorge, Bildung des Nachwuchses (Marktfähig anstatt Gesellschaftsfähig)…

    Eine der vielen gewollten Nebenerscheinungen des Neoliberalen…

  • am 3.04.2016 um 18:05 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank, Herr Gasche!
    Bitte dran bleiben!
    Die Chemie-Pharma ist auch für Ärzte ungesund, mindestens für solche, die sich wirklich in den Dienst der Heilkunst stellen…
    Geschäft ist Geschäft, und was stört wird schlimmstenfalls eliminiert.
    14 Ärzte tot…
    https://www.youtube.com/watch?v=BfYFIjXQyuQ

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