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Priesterseminar Herz Jesu in Zaitzkofen: Die Piusbrüder kennen keine Nachwuchsprobleme © pb

Die Piusbrüder blasen dem Papst den Marsch

Kurt Marti /  Papst Benedikt kommt den Traditionalisten sehr weit entgegen. Die Feinde der offenen Gesellschaft gewinnen immer mehr an Einfluss.

Mit der Wahl von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2005 witterten die exkommunizierten Traditionalisten Morgenluft. Tatsächlich wurden ihre Forderungen nach und nach von Rom erfüllt: Die tridentinische Liturgie und die Aufhebung der Exkommunikation, insbesondere jene gegen den Holocaust-Leugner Richard Williamson. Im letzten Herbst mündeten die Gespräche zwischen Ecône und Rom in eine entscheidende Phase. Anfang Februar kursierten Gerüchte, dass die Gespräche gescheitert seien. Aber die Piusbrüder dementierten, nicht ohne ihre bisherigen Standpunkte erneut zu bekräftigen.

Mit dem Protest gegen das 2. Vatikanische Konzil fing es an

Der französische Erzbischof Marcel Lefebvre hatte 1970 aus Protest gegen das 2. Vatikanische Konzil die Priesterbruderschaft St. Pius X. und das Priesterseminar in Ecône im Unterwallis gegründet. 1976 weihte er Ecône-Seminaristen zu Priestern und wurde von Papst Paul VI. suspendiert. 1988 erteilte er vier Gefolgsmännern die Bischofs-Weihe, darunter dem heutigen Generaloberen Bernard Fellay und dem Holocaust-Leugner Richard Williamson. Darauf wurde er von Papst Johannes Paul II. exkommuniziert.

Lefebvre sympathisierte mit den katholischen Diktatoren

Der Name der Priesterbruderschaft ist Programm, denn schon Papst Piux X. stemmte sich mit aller Kraft gegen die modernistischen Strömungen und führte 1910 den Anti-Modernisten-Eid für Priester und Ordensobere ein. Die Demokratie als Staatsform lehnte er ab, weil sie die Kirchenhierarchie gefährdete. Erzbischof Lefebvre führte diese anti-modernistische Haltung konsequent weiter.

Die Lefebvre-Anhänger lehnen die Konzil-Entscheide zur Ökumene, zur Religionsfreiheit und zur Kollegialität der Bischöfe als Teufelsfrüchte der französischen Revolution und der Aufklärung ab. Lefebvre erklärte 1985 in einem Schreiben an Papst Johannes Paul II. die Juden, Kommunisten und Freimauer zu Feinden der katholischen Kirche (siehe Link unten) und zeigte Sympathien gegenüber den katholischen Diktatoren Franco und Pinochet. In der Erklärung der Menschenrechte sah er den Hauptgrund zum Atheismus.

«Religionsfreiheit öffnet den Weg zu allen Zügellosigkeiten»

Im letzten Dezember schrieb Fellay einen Rundbrief an die «lieben Freunde und Wohltäter». Darin machte er klar, dass die Ecônisten immer noch felsenfest hinter den Forderungen ihres Gründers Lefebvre stehen, insbesondere umriss er die drei wesentlichen Differenzpunkte in den Verhandlungen mit dem Vatikan: Die Religionsfreiheit, die Ökumene und die Kollegialität der Bischöfe.

Für Fellay öffnet die Religionsfreiheit «den Weg zu allen Zügellosigkeiten». Dabei attackiert er die «Sophisten des Liberalismus», welche verkünden, «der Staat…müsse die einzig wahre Religion mit allen falschen in der gleichen Weise behandeln. Man müsse jeder das Recht zugestehen zu existieren, sich ohne Behinderung zu entwickeln und ihren Kult auszuüben.» Mit den Sophisten des Liberalismus ist offenbar auch der Papst gemeint: «Das Recht auf die Religionsfreiheit, so wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil verkündet wurde, ist etwas anderes. Das ist einer der Punkte, wo wir mit dem Heiligen Stuhl nicht einer Meinung sind.»

Mit «Feuer und Blut» gegen das gotteslästerliche Theater?

Auch im Ökumenismus sieht Fellay einen Auswuchs der Religionsfreiheit: «Der Ökumenismus WILL NICHT MEHR BEKEHREN!» Und fragend klagt er an: «Wo ist denn jetzt die Kirche unseres Herrn Jesus Christus? Wohin hat sich der Stolz der Katholiken verflüchtigt?» Diesen Stolz vermisst Fellay bezüglich der gotteslästerlichen Theaterstücke, welche kürzlich in Frankreich aufgeführt wurden. «Wenn solche Beleidigungen gegen die Moslems vorgebracht worden wären, dann hätte es Feuer und Blut im Land gegeben! Die Christen sind heute so schlapp geworden, dass sie alles geschehen lassen!», ruft Fellay aus. Ein unheimlicher Satz, wenn man bedenkt, dass die Traditionalisten nicht nur gegen die Juden, sondern auch gegen die Moslem wettern.

Fellays Brandrede gegen «die importierte Form der Demokratie»

Schliesslich kommt Fellay auf den «dritten Stein des Anstoßes» zu sprechen, nämlich «der überall festzustellenden Schwächung der Autorität» und die Demokratie. Der Grundstein seiner demokratiefeindlichen Überlegungen ist der Satz: «Er muss herrschen». (1 Kor. 15,25) Gott ist das Haupt der Kirche und der Papst ist sein Stellvertreter auf Erden. «Er allein hat die volle, souveräne und unmittelbare Jurisdiktionsgewalt über alle und jedes einzelne Glied der Kirche. Darum hat sich die Kirche immer zur Monarchie erklärt», erklärt Fellay. In diesem Sinne kritisiert er die sogenannte Kollegialität der Bischöfe scharf: «Die in die Kirche importierte Form der Demokratie – durch die Kollegialität und die parlamentarische Parodie der Bischofskonferenzen – ermöglicht alle Arten von Missbrauch».

Der Papst erhofft sich Hilfe in der Krise der katholischen Kirche

Der nächste Schritt in der Auseinandersetzung zwischen Ecône und Rom liegt beim Papst. Mit einer Antwort wird bis im Sommer gerechnet. Eine Lösung des Kirchenstreits liegt im Interesse des Papstes, der sich von den Traditionalisten eine Hilfe in der Bewältigung der Krise erwartet. Während sich die Kirchen und Priesterseminare leeren, haben die Piusbrüder regen Zulauf. Auf ihren Websites zeigen sie stolz Photos mit Dutzenden von Seminaristen und Priestern. Auf der ganzen Welt unterhalten sie Priesterseminare, Schulen, Distrikte und Kirchen.

Die Melodien in Ecône und Rom ähneln sich

Die Haltung des Papstes deckt sich in weiten Teilen mit jener der Piusbrüder, insbesondere bezüglich der Homosexualität, der Abtreibung, der Stellung der Frau in der Kirche und der Bekehrung der Juden. Aber auch was die Stellung des Christentums unter den Religionen betrifft, sind die Unterschiede nicht allzu gross. Dies zeigen Schriften, welche der Papst als damaliger Kardinal Josef Ratzinger verfasst hat. In seinem Buch «Werte in Zeiten des Umbruchs» postuliert er eine globale Vorrangstellung des Christentums: «Als am meisten universale und rationale religiöse Kultur hat sich der christliche Glaube erwiesen, der auch heute der Vernunft jenes Grundgefüge an moralischer Einsicht darbietet».

Auch in Bezug auf die Mehrheitsentscheidungen in einer Demokratie ist der damalige Kardinal Ratzinger skeptisch. Besonders wenn es um Wahrheiten der katholischen Kirche geht, beispielsweise das Verbot der Abtreibung. Der Papst ist den Piusbrüdern schon sehr weit entgegen gekommen. Die erklärten Feinde der offenen Gesellschaft haben ihm den Marsch geblasen und er wird wohl weiterhin nach ihrer Pfeife tanzen. Zumal sich die Melodien in Ecône und Rom erstaunlich ähneln.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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