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Satellitenbild eines stark gesicherten Lagers bei Kashgar im Januar 2020 © ASPI, Maxar via Google Earth

China baut weiter Lager in Xinjiang

D. Gschweng /  Die Repression von Minderheiten in der autonomen Provinz Xinjiang geht weiter. In Tibet und der Mongolei nimmt sie zu.

Trotz internationaler Kritik verfolgt China die Repression von Minderheiten weiter. In den letzten drei Jahren wurden in Xinjiang mindestens 380 neue Gefangenenlager gebaut, die die chinesische Regierung weiter als «Umschulungszentren» bezeichnet.

Obwohl die chinesische Führung angekündigt hat, die «Umschulungsmassnahmen» zurückzufahren, sind mindestens 14 Lager noch im Bau, berichtete der australische Think-Tank «Australian Strategic Policy Institute» (ASPI) im September. Das geht aus der Auswertung von Satellitendaten hervor, die auch zeigen, dass Tausende Moscheen zerstört wurden. In den autonomen Gebieten Tibet und Mongolei versucht die chinesische Regierung verstärkt, ethnische Gruppen zu assimilieren.

Von einem Zurückfahren der Internierung kann keine Rede sein

Nathan Ruser, der Autor des ASPI-Reports, wurde bekannt, als er 2018 die Bewegungen von US-Soldaten in Syrien mit Hilfe einer Fitness-App trackte, was beachtliches Aufsehen erregte. Der 23-jährige Spezialist für Geodaten ist sich sicher, dass er und sein Team etwa 380 neue Lager geortet haben, nicht lediglich Fabriken oder Checkpoints. Die Analyse wird durch Augenzeugenberichte und offizielle Dokumente gestützt.

Durch geleakte Dokumente und Berichte von ehemaligen Gefangenen wurde vor einem Jahr öffentlich, dass mindestens eine Million Chinesen uigurischer, kirgisischer und kasachischer Abstammung in Lagern im Nordwesten Chinas festgehalten werden (Infosperber berichtete: «Chinas Umgang mit den Uiguren nähert sich dem Genozid»).

Die Massnahmen richten sich gegen die gesamte Ethnie

Ruser geht davon aus, dass man im ASPI wahrscheinlich noch mehrere Dutzend Einrichtungen übersehen habe. «Mehr als 60 davon wurden auch noch nach dem Juli 2019 ausgebaut und verstärkt. Die Politik der Internierungen hat also mitnichten ein Ende gefunden», sagt er in einem Interview mit dem «Spiegel». Bei der Auswertung wurde deutlich, dass China in den vergangenen zwei Jahren verstärkt Einrichtungen mit höheren Sicherheitsvorkehrungen baute. Insofern seien die angekündigten Entlassungen von Gefangenen aus weniger gut gesicherten Lagern irreführend, sagt Ruser.

Andere Massnahmen richten sich offenbar gegen die gesamte Ethnie der Uiguren. Im Sommer 2020 gelangten Berichte über Zwangsabtreibungen, erzwungene Geburtenkontrolle und Zwangssterilisationen bei muslimischen Frauen in Xinjiang an die Öffentlichkeit. Die Geburtenraten in der muslimischen Bevölkerung Xinjiangs sind in den letzten Jahren drastisch gesunken. Eine offizielle Erklärung dafür gibt es nicht.

Tausende Moscheen zerstört

Auf kulturellem Gebiet sieht es nicht anders aus: Seit 2017 wurden von den einst 24’000 Moscheen in Xinjiang Tausende von der chinesischen Regierung zerstört. Von den 15’000, die übriggeblieben sind, ist etwa die Hälfte beschädigt, stellte ASPI in einem zweiten Projekt fest.


Eine Moschee im Bezirk Bayingol’s Lopnur vor und nach 2017 (ASPI).

Moscheen und Schreine wurden überbaut oder buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht. Ein Teil der intakten Moscheen, berichten Beobachter vor Ort, sei zudem verschlossen oder umgenutzt worden.

Tibet: Entwicklung zum «Xinjiang light»

In Xinjiang werden Gefangenenlager oft in der Nähe von Fabriken gebaut, berichtet das ASPI. Es gibt Berichte über die Zuweisung von uigurischen Arbeitern aus Gefangenenlagern an Fabriken in anderen Teilen Chinas, manche beliefern grosse globale Marken. Auch in der Autonomen Region Tibet, in der zu 90 Prozent Tibeter leben, mehren sich Berichte über Zwangsarbeit.

Seit 2019 hat sich die Zahl der «Fortbildungs-Camps», in denen die grösstenteils von Subsistenzwirtschaft lebenden Tibeter fit für den chinesischen Arbeitsmarkt gemacht werden sollen, drastisch erhöht. Eine kleine Anzahl solcher Einrichtungen gab es auch vorher schon, die Zahl der Absolventen hat sich jedoch vervielfacht, stellt ein Report der «Jamestown Foundation» fest.

Drill, Disziplin und Mandarin für «faule» Tibeter

In den ersten sieben Monaten 2020 bildete China eine halbe Million Menschen dort aus, das sind 15 Prozent der tibetischen Bevölkerung. Beobachter bezweifeln, dass die Teilnahme an den Massnahmen in allen Fällen freiwillig war. Dagegen spricht, dass Peking für die Zahl der Ausbildungswilligen Quoten festgesetzt hat, die die lokale Regierung erfüllen muss, wie die «BBC» berichtet. «Reuters» weiss von Dokumenten, die Anforderungen für Arbeiter für bestimmte Unternehmen oder Projekte enthalten.

So repressiv wie in Xinjiang seien die «Camps» jedoch nicht, urteilt der Report. Nach Vorstellung vieler (Han-)Chinesen fehlt es Mitgliedern der tibetischen Ethnie lediglich an Ehrgeiz und Disziplin, um wertvolle Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Wer zur Fortbildung einrückt, den erwarten militärischer Drill, Staatsbürgerkunde, Chinesischunterricht und Arbeit. Fotos dokumentieren, wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Uniform für eher niedrigbezahlte Tätigkeiten in Gastronomie, Textilverarbeitung, Baugewerbe und Landwirtschaft geschult werden.


Tibetische Frauen in militärischer Kleidung lernen Tische zu decken (Chinanews via Jamestown Foundation)

Private Agenten vermitteln die frisch Ausgebildeten anschliessend an Arbeitsstellen in Tibet oder in anderen Regionen Chinas. Menschenrechtsorganisationen und andere Beobachter bezweifeln, dass die so Platzierten sich weigern können, die zugewiesene Arbeit anzunehmen.

Um die Durchmischung der chinesischen Bevölkerung scheint es dabei nicht zu gehen. Nach Berichten des tibetischen Ministeriums für Personal und soziale Sicherheit werden die tibetischen Arbeitskräfte in Gruppen von 10 bis 30 Personen eingesetzt. Sie wohnen in Gemeinschaftsunterkünften und werden von einer Agentur betreut.

Mongolei: Schulunterricht wird chinesischer

Vergleichsweise zaghaft erscheinen die Bemühungen Chinas, die autonome chinesische Provinz Mongolei (nicht zu verwechseln mit dem benachbarten Staat) han-chinesischer zu machen. Seit Anfang September 2020 werden im dritten Randgebiet Chinas drei Schulfächer auf Mandarin statt Mongolisch unterrichtet, was Massenproteste auslöste.

Eltern drohten, ihre Kinder zuhause zu behalten. Ein Schüler starb, nachdem er bei Protesten aus dem Fenster sprang, berichtet der «Guardian». Mongolische Organisationen befürchten eine Entwicklung, wie sie in Xinjiang und Tibet im Gange ist. Dort wurde der chinesische Schulunterricht 2017 und 2018 eingeführt.

China verkauft die Massnahmen in Tibet und der Mongolei als Mittel gegen Aufstände, Terrorismus und als Teil einer grossen nationalen Kampagne gegen Armut. Das Land investiert dabei viel Geld, um Menschen durch Bildung und Verbesserung der Infrastruktur aus extremer Armut zu befreien. Dabei gehen die Regierungsbehörden auch in anderen Landesteilen teilweise recht hemdsärmelig vor, wie eine Reportage von Xifan Yang in der «Zeit» beschreibt.

Ausserhalb Chinas: «Mitsprache» bei Dschingis-Khan-Ausstellung

Die mongolische Ethnie kämpft derzeit mit noch anderen Problemen, die manchen Tibetern nicht neu sein dürften: China dehnt seine nationalen Einigkeitsbestrebungen auch ins Ausland aus.

Ein Museum in Nantes verschob im Oktober 2020 eine Ausstellung über den mongolischen Eroberer Dschingis Khan, die in Zusammenarbeit mit dem Mongolischen Museum in Hohhot, China, entstanden war. Bertrand Guillet, Direktor des Historischen Museums «Château des ducs de Bretagne», begründete die Verschiebung auf unbestimmte Zeit mit «wissenschaftlichen und ethischen Werten», die er nicht gewahrt sehe.

Das chinesische Amt für die Förderung des Kulturerbes hatte verlangt, dass der Kriegsherr weder mit den Worten «Dschingis Khan» noch «Imperium» oder «Mongole» beschrieben werden dürfe. Die chinesischen Beamten forderten zudem ein Mitgestaltungsrecht bei Broschüren, Karten und anderen Begleitmaterialien. Eine Anpassung der Geschichte an ein nationales chinesisches Narrativ hält das Museum für Zensur.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_China

Chinas Innenpolitik

Hohe Wachstumszahlen; riesige Devisenreserven; sozialer Konfliktstoff; Umweltzerstörung; Herrschaft einer Partei

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Menschenrechte

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10 Meinungen

  • am 6.12.2020 um 12:20 Uhr
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    Sponsoren von ASPI:
    "Defence-related private sector organisations, funding, 2019–20:
    Lockheed Martin
    Naval Group Australia
    Northrop Grumman
    Rafael Bersheeba Dialogue
    Raytheon
    Saab Australia
    Thales Australia"

    Weitere 35% des Fundings stammt vom Department of Defense, weitere 32% von Federal Government Agencies.

    Eine überraschendes Bouquet von Sponsoren, dem es um Menschenrechte in China gehen soll!

    Daten stammen alle von der Website von ASPI.

  • am 6.12.2020 um 13:32 Uhr
    Permalink

    Die Nachfrage auf dem Markt für billige Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen steigt.
    Waren zu höheren Preisen können sich immer weniger Menschen bei stagnierenden Einkommen und steigenden Kosten für z.B. Wohnen immer weniger Menschen leisten.
    China macht den westlichen Grosshändleren doch nur ein unmoralisches Angebot auf diesem Markt. Und der Markt hat doch immer recht und wie die Libertären immer predigen, Moralinsaures ist schlecht. So what u. die chin. Machthaber befreien sich auch nur von den Zwängereien u Regularien, im Namen der Menschenwürde u. den verbundenen Menschenrechten.
    Frohe zerstörerische massenkonsums Weihnachten und Friede den immer wenigeren Menschen ‹guten› Willens.

  • am 6.12.2020 um 14:38 Uhr
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    Nichts neues, trotzdem bedauerlich, dass auch der infosperber sinophobe Narrative verbreitet.

  • am 6.12.2020 um 21:30 Uhr
    Permalink

    Vorurteile und Stereotypen dominieren die Berichterstattung zu China. Westliche, imperialistische Staaten setzen alles dran, diesem seit Jahrtausenden sich selbst genügenden Staat, seinem beeindruckenden wirtschaftlichen Erfolg der letzten Jahrzehnte oder auch Chinas überraschend schnelle und effektive Bekämpfung des neuartigen Virus herunterzuspielen, um mit wohlfeilen Klischees eigenes Versagen zu verschleiern. Mal schießt man sich auf Chinas autoritär gesteuerte Gleichförmigkeit ein, mal wird im Widerspruch dazu seine kulturelle Vielfalt ins Bewusstsein geholt, um die Spaltung der Gesellschaft des Milliardenstaates zu bewirken, indem man sich nicht scheut, Chinas Minderheitenpolitik mit Reizbegriffen wie „Konzentrationslager“ oder „Genozid“ zu verzerren und zu diffamieren. Solche leicht durchschaubaren medialen Kampagnen sollen dazu beitragen, die Rechtfertigung für lange gewünschte und geplante Einmischung in innere Angelegenheiten Chinas aufzubauen, entsprechend der imperialistischen Tradition, wie sie in Stichworten wie „Open door policy“, „Opiumkrieg“, „Boxeraufstand“ oder „Invasion Japans“ jedem aufgeklärten Menschen bekannt sein dürften.

  • am 6.12.2020 um 22:39 Uhr
    Permalink

    Die Meldungen über Verfolgungen von Minderheiten in China wie den Uiguren, erscheinen mir eher wie Falschmeldungen im Rahmen einer Kampagne der USA. Zu berücksichtigen ist, dass ich nur ein dummer schafhirte bin.

  • am 8.12.2020 um 09:52 Uhr
    Permalink

    Aha, die «Freunde von China» haben sich in Stellung gebracht…
    @Alexa Konstell: Das Sponsoring der Defence Industries macht gerade einmal 3% aus.
    @Christoph Meier: Wenn über die offensichtlichen Schattenseiten der chinesischen Parteidiktatur berichtet wird sind das gleich «sinophobe Narrative». Mit einer solchen Bemerkung outen Sie sich als Anhänger eines totalitären Systems, das keine freie Presse kennt.
    @Brigitta Küster-Sartori. Sie haben die marxistisch-leninistische Philosophie und die chinesische Parteipropaganda gut auswendig gelernt. Berechtigte Kritik an einem totalitären Staat mit seiner lausigen Menschenrechtsbilanz gleich mit den zugegebenermassen unrühmlichen imperialistischen Machenschaften verschiedener Staaten gegenüber China gleichzusetzen ist propagandistische Taktik. Der wirtschaftliche Erfolg der letzten Jahrzehnte war nur mit Unterstützung des Westens möglich (Stichworte: Knowhow-Transfer, Outsourcing) und wurde/wird nicht immer mit fairen Mitteln erreicht (Stichwort: Diebstahl von geistigem Eigentum). Dass das Wachstum der letzten Jahrzehnte so gross war, hat auch mit dem grossen Aufholbedarf des Jahrzehnte unter dem Missmanagement von Mao & Co. leidenden Volkes zu tun (Stichworte: Der Grosse Sprung, Kulturrevolution).
    @Alfred Schmid. Woher wissen Sie das so genau?

  • am 8.12.2020 um 19:34 Uhr
    Permalink

    @Charles Sarasin: Ja, das ist richtig. Die in meinem Kommentar aufgelisteten Rüstungsfirmen steuern insgesamt 3% zum ASPI Funding bei. Wie in meinem Kommentar ebenfalls aufgelistet, stammen daneben 35% aus dem Department of Defense und weitere 32% von Federal Government Agencies. Weitere 17% aus «Overseas Government Agencies».
    ASPI ist damit beinahe vollständig durch Regierungsbehörden finanziert, wobei der militärische Verteidigungssektor einen ganzen Drittel ausmacht. Sie sehen darin kein Problem?

  • am 8.12.2020 um 23:18 Uhr
    Permalink

    Wenn ich schreibe: – Die Meldungen über Verfolgungen von Minderheiten in China wie den Uiguren, erscheinen mir eher wie Falschmeldungen im Rahmen einer Kampagne der USA. – Bedeutet das Zweifel. Es nicht so genau wissen. Wenn nicht die Möglichkeit besteht vor Ort den Wahrheitsgehalt zu überprüfen, verbucht man Meldungen besser nicht als richtig oder falsch. Schon im eigenen Kulturkreis ist es schwierig Lügen von Tatsachen zu unterscheiden. Vielen scheint es Mühe zu bereiten, Meldungen die sie nicht überprüfen können in einem neutralen Bereich zu belassen.

  • am 9.12.2020 um 07:56 Uhr
    Permalink

    @Alexa Konstell. So gesehen besteht theoretisch ein gewisses Risiko für einen Bias, das ist korrekt. Die Frage ist, wie hoch dieses ist bzw. wie glaubwürdig die Berichte des ASPI insgesamt sind. Ich weiss es nicht, gehe aber davon aus, dass an den Berichten über die Lager in Xinjiang etwas dran ist. Es gibt ja verschiedene Quellen, die über diese Lager berichten (z.B. Sayragul Sauybat und andere). Wie glaubwürdig alle diese Berichte sind, lässt sich schwer beurteilen. Zweifel sind auf jeden Fall auch gegenüber der Berichterstattung bzw. Propaganda der staatlichen Medien in China angebracht. Nur schon die Tatsache, dass unabhängige Untersuchungen oder eine freie Berichterstattung sowohl über Xinjiang als auch über Tibet nicht möglich sind, lässt Zweifel an der offiziellen chinesischen Position aufkommen.

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