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Nach der Goldsuche versauen giftige Kloaken die Umwelt: Auch Schweizer Firmen kaufen dieses Gold © Miguel Bellido

Schmutziges Amazonas-Gold landet in der Schweiz

Sandra Weiss, Chile /  Die Sonntags-Zeitung bestätigt, was Infosperber im August veröffentlicht hatte: Genfer Firma kauft illegales Gold. Bern schaut zu.

Red. Infosperber hatte berichtet, dass illegale Goldschürfer aus dem Gebiet des Amazonas letztes Jahr 25 Tonnen Gold in die Schweiz verkauft haben. In Peru werde wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung ermittelt. Die neuste Sonntags-Zeitung titelt «Die Schweiz profitiert von blutigem Gold aus Peru». Sie stützt sich auf Zollprotokolle, wonach seit 2003 insgesamt 56 Kilo Gold aus Peru an die Genfer Goldschmelze MKS geliefert wurden, und zitiert die Oberzolldirektion in Bern: «Es ist nicht an uns zu kontrollieren, woher das Gold kommt.» SP-Nationalrat Cédric Wermuth hat eine Interpellation eingereicht, damit der Bundesrat zu diesem «legalen Skandal» Stellung nehmen muss.
Im Folgenden nochmals die Reportage von Sandra Weiss, die am 13. August auf Infosperber zu lesen war.


REPORTAGE VON SANDRA WEISS

Verheissung und Verdammnis liegen nahe beieinander in Madre de Dios im peruanischen Amazonas: Der Millionärsstrand grenzt ans «Labyrinth», das Paradies an die «kleine Hölle». Namen, die das Gold schrieb.
Tragödie von Madre de Dios
Seit Jahrhunderten hat sich der feine, glitzernde Staub im Sand der Amazonasflüsse angesammelt. Aus den Eingeweiden der Anden heraus gewaschen von kristallklaren Flüssen, über halsbrecherische Wasserfälle und durch tiefe Schluchten hinab gerissen bis ins tropische Tiefland, wo sich die wilden, eisigen Fluten in träge, schlammige Tropenflüsse verwandeln. Die das Gold irgendwo ablegen im schweren, dunklen Sand, zermahlen zu feinem Pulver. Nirgendwo sonst gibt es so feines und reines Gold wie hier. Niemals war der Goldpreis so hoch wie jetzt. Und das ist die Tragödie von Madre de Dios.

Nomadensiedlungen auf Abruf
Stellenweise hat sich der artenreiche Regenwald in eine Sandwüste verwandelt, eine Mondlandschaft, durchlöchert von Kratern und flankiert von Baumskeletten. Und mittendrin Ansammlungen von ärmlichen Holzhütten, abgedichtet gegen den Regen mit blauen Plastikplanen: Goldgräbercamps. Nomadensiedlungen auf Abruf. Es gibt kein Trinkwasser, keinen Strom, keine Schulen, keine Strassen – aber improvisierte Supermärkte, Apotheken, Tankstellen, Bars und Bordelle. Und wer mag, kann sich das überteuerte Angebot gegen Gold aufwiegen lassen.

Knietief steht Adán Quispe* in einem Krater aus Sand, 10 Meter tief, 80 Meter Durchmesser. Schweissperlen rinnen seinen athletischen, nackten Oberkörper herunter. Er ist von Moskitos zerstochen, einige Wunden sind entzündet. An die klirrende Kälte des Andenhochlands ist er gewöhnt, die brütende Hitze des Dschungels zehrt.
Doch das zählt jetzt nicht. Konzentriert saugt der Goldsucher mit einem Schlauch unter dem ohrenbetäubenden Lärm des Dieselgenerators feuchten Sand in einen Trichter. Dort wird der Sand mit Wasser versetzt und rieselt ein paar Meter dahinter auf eine Art Rutsche, belegt mit faserigem Teppich. «Chupadera», der Schlucker, heisst die hier erfundene Maschine unter den Goldschürfern. Was im Teppich hängen bleibt ist «Arenilla», der schwere, dunkle Sand, in dem sich der Goldstaub versteckt. Mit blossem Auge kaum zu erkennen. Nur manchmal zaubert die Sonne ein verführerisches, flüchtiges Glitzern.

Mal so klein wie eine Kaffeebohne, mal wie ein Wachtelei
Der Sand wird mit Besen aus dem Teppich herausgelöst und in Eimern mit Quecksilber versetzt, um das Gold zu binden. Ungeduldig rührt Adán mit blosser Hand in dem kleinen Sieb aus Naturfasern, um den Prozess zu beschleunigen. Die Klumpen erhitzt er anschliessend mit einer Art Bunsenbrenner, um das Quecksilber wieder zu verdampfen. Das ist der magische Moment in dem alle innehalten. So viele Hoffnungen ruhen auf dem unförmigen gelben Etwas, mal so klein wie eine Kaffeebohne, mal wie ein Wachtelei! Der Traum vom eigenen Haus, von einem Auto, vom Studium für die Kinder.
Aber mancher Traum dauerte nur wenige Stunden, so mancher Reichtum wurde ebenso schnell verspielt, versoffen und verhurt oder gewaltsam entrissen. So manche Leiche wurde namenlos in einem der vielen Krater verscharrt. Ein Tribut an die Götter, glauben die Goldsucher. Damit Mutter Erde sich weiterhin grosszügig zeigt.
Illegales Gold auch an Grosskonzerne
Das Edelmetall zieht alle in seinen Bann: Arme Schlucker aus dem Hochland genauso wie entlaufene Schwerverbrecher, die Drogenmafia, asiatische Triaden-Bosse und sogar die Ureinwohner des Amazonas, die auf ihrem Stammesgebiet schürfen. Auch multinationale Bergbaukonzerne sollen das illegale Gold aufkaufen – und dann legal exportieren, denunzieren Umweltschützer. Bis zu 600 Soles, rund 180 Euro, kann Adán mit seiner Schufterei an einem guten Tag verdienen. Mehr als ein Richter oder ein Minister. Und in Peru liegt viel Gold: 2,5 Milliarden Dollar haben die Eporte 2011 eingebracht; das Andenland ist der sechsgrösste Goldproduzent weltweit.
50’000 Bauern und Tagelöhner
Im Zuge des Goldrauschs ist die Provinzstadt Puerto Maldonado in nur fünf Jahren um 40 Prozent gewachsen. Importeure von Baggern und Lastwagen wie Yamaha und Caterpillar machen in dem Urwaldnest, in das bis vor einem Jahr noch keine geteerte Strasse führte, Millionenumsätze. Mehr als 50’000 Bauern und Tagelöhner kamen aus dem Hochland in die grüne Hölle des Amazonas. Verzweifelte Familienväter und skrupellose Abenteurer, die nichts zu verlieren haben. So wie Adán.
Die Fische sind ausgerottet oder ungeniessbar
Für ihn ist Zeit Gold. Der 25jährige rackert auf Kommission in 24-Stunden-Schichten. Findet er etwas, bekommt er 25 Prozent, der Rest geht an den Besitzer der Konzession, der davon die Maschinen wartet, den Treibstoff und das Essen bereitstellt. Acht Gramm findet Adán an guten Tagen. Manchmal ein halbes Kilo – oder auch gar nichts. Die Flussbetten sind tückisch und ändern von Jahr zu Jahr ihren Lauf. Wo heute Urwald ist, war vor 50 Jahren vielleicht ein Fluss. Um das herauszufinden, muss man die Bäume fällen und die Erde aufwühlen. 32’000 Hektar Urwald wurden in der Region bereits abgeholzt, «Fische gibt es kaum noch, und die wenigen sind wegen der Schwermetallbelastung ungeniessbar», warnt César Ipenza von der Umweltschutzorganisation SPDA: «Das Gold aus dem Amazonas trägt Ausbeutung, Prostitution und Umweltzerstörung in sich.»
Das Militär griff ein
Mittlerweile stehen die Goldsucher vor den Toren des grössten Naturparks in Madre de Dios, und die Regierung hat endlich die Alarmrufe erhört. «Er packe jetzt den Stier bei den Hörnern», verkündete Präsident Ollanta Humala. In den vergangenen Monaten zerstörte das Militär dutzendweise Maschinen, rationierte die Treibstoffversorgung, verbot den Ankauf von Gold und räumte Goldgräbercamps. Es gab Proteste, drei Tote – und einige Erkenntnisse über die illegalen Geschäfte und ihre Verzweigungen bis nach Europa.

Zwischenhändler wie Oro Fino und UMT kamen ins Visier. UMT habe 2011 mehr als 19 Tonnen Gold im Gegenwert von 900 Millionen US-Dollar illegal und am Fiskus vorbei über die Fluglinie KLM in die Schweiz geflogen und der Firma MKS Finance in Genf übergeben, berichtete die Zeitung «El Comercio» unter Berufung auf Dokumente der Staatsanwaltschaft.
Oro fino habe unter dem Namen AS Peru&Cia 2011 vier Tonnen illegales Gold in die Schweiz geliefert, Empfänger sei die Firma PAMP in Genf gewesen, eine Tochter von MKS Finance. Den Exporteuren drohen nun acht Jahre Haft wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Zu den Schweizer Importeuren äusserte sich die Staatsanwaltschaft zunächst nicht.

Die MKS Finance hat auf unsere Bitte um Stellungnahme vom 7. August am 14. August wie folgt geantwortet:
Please note that as a matter of policy and in full respect of Swiss legislation we do not comment on client transactions.
However, following different press articles associating MKS with the purchase of gold originating from illegal mining in Peru, MKS (Switzerland) SA would like to state the following.

Applying highest standards for anti-money laundering and combating terrorist financing has always been and is a major concern of its management. MKS (Switzerland) SA takes pride in applying state of the art procedures with regards to Know Your Customer rules, including the clarification of the identity of its counterparts and their respective beneficial owner(s), the clarification that neither are named on any government and sanction lists, a thorough understanding of the customer’s activities, financial positions, sources of funds, origin of precious metal and mining practice assessment to name but a few of the criteria under consideration.

As part of its on going monitoring of each customer’s activity, should any new information, that might change the circumstances of a customer’s transactions, come to its attention, MKS (Switzerland) SA’s standard practice is to suspend all transactions with that particular customer and investigate the matter for clarification immediately.
MKS (Switzerland) SA has consistently applied the same level of standards to all gold it has acquired, including for shipments with Peruvian mining origin. MKS (Switzerland) SA has further ensured that such shipments were compliant with Peruvian regulations governing the traceability of gold to duly registered mines.
MKS (Switzerland) SA has not been aware of any matters as alleged in the articles referred to above. Notwithstanding its ordinary procedures, Management has immediately ordered the conduct of an in-depth audit to establish all relevant facts.

Any conclusion on this matter is therefore pending the results of this audit.
Best Regards

MKS (Switzerland) SA
Frederic Panizzutti
Senior Vice President

Diese Reportage erschien zuerst im österreichischen Standard (Österreich) und im Schwäbischen Tagblatt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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