Kommentar

Der «Sumpf in Washington» bleibt an der Macht

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsErnst Wolff ist freier Journalist und Autor des Buches «Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs», erschienen ©

Ernst Wolff /  Donald Trump setzt auf Leute der Finanzindustrie und der Grosskonzerne, deren Lobbys schon bisher eine grosse Macht ausübten.

Schon in der Wahlnacht dürften Donald Trumps Anhänger sich verwundert die Augen gerieben haben. Nach monatelangen Forderungen, Hillary Clinton ins Gefängnis zu werfen, zollte er ihr in seiner Siegesrede «den höchsten Respekt» und lobte sie in blumigen Worten.
Es war nicht die erste Überraschung, die Trumps Wähler hinnehmen mussten. Drei Tage zuvor hatte er bereits angedeutet, Steven Mnuchin zu seinem Finanzminister machen zu wollen. Steven Mnuchin ist ein ehemaliger Goldman Sachs-Banker und ein Intimus eines der berüchtigtsten Spekulanten der Welt, des Milliardärs George Soros. Soros war in Trump-Wahlvideos als Beispiel für die unersättliche Raffgier der Ultrareichen gezeigt worden.
Inzwischen ist auch bekannt, wer zu Trumps «Übergangsteam» gehört, das gegenwärtig dabei ist, viertausend hochkarätige Jobs in Washington zu besetzen: Es sind u.a. Lobbyisten der Grosskonzerne Koch Industries, Walt Disney, Aetna, Verizon und Goldman Sachs. Sie haben ihr Hauptquartier in einer der grössten Anwalts- und Lobbykanzleien Washingtons aufgeschlagen, mitten im Herzen des angeblich zu bekämpfenden Sumpfs.
Als aussichtsreiche Kandidaten für Ministerämter gelten der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudi Giulliani, der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich und der Gouverneur von New Jersey Chris Christie. Alle drei gehören seit Jahrzehnten zu dem von Trump im Wahlkampf heftig angegriffenen republikanischen Establishment.

Steigende Börsenkurse

Die Wall Street hat sich inzwischen auf ihre Weise bei Trump bedankt: Die Kurse an der New Yorker Aktienbörse erreichten neue Rekordwerte, offensichtlich angetrieben von Trumps Ankündigungen, die Einkommenssteuer für Spitzenverdiener zu senken, die Unternehmenssteuern von 35 Prozent auf 15 Prozent herabzusetzen, die Rüstungsausgaben zu erhöhen und die Vorschriften für die Finanzindustrie zu lockern.

Trump hatte nie vor, dem kleinen Mann unter die Arme zu greifen und seine Lebensbedingungen zu verbessern. Im Gegenteil: Er hat die Verzweiflung, die Wut und den Bildungsmangel der einfachen Leute benutzt, um ins Weisse Haus einzuziehen und von dort aus Massnahmen zu ergreifen, die in erster Linie ihm und seinesgleichen nützen.

Trumps Wahltäuschung wird dramatische Folgen haben. Sein Vorgänger begann seine erste Amtszeit mit dem Crash von 2008, der das US-Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs brachte. Er erklärte die Grossbanken für «too big to fail» und hielt sie durch den Einsatz öffentlicher Gelder am Leben.
Dieser Betrug an den Steuerzahlern wurde kaschiert, indem die US-Nationalbank Fed Unmengen an Geld schuf, mit denen die Löcher im Staatshaushalt gestopft wurden. Inzwischen sind acht Jahre vergangen, in denen Billionen von Dollar zu immer niedrigeren Zinsen in die Märkte gepumpt wurden, ohne dass es zu der von der Regierung behaupteten «Erholung» der Realwirtschaft gekommen wäre.

Die Ausgangssituation für Donald Trump ist also grundlegend anders als die aller seiner Vorgänger: Er übernimmt ein Land mit einer am Boden liegenden Realwirtschaft, einem überhitzten Finanzsektor, in dem sich riesige Blasen an den Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkten gebildet haben. Ausserdem findet er eine Zentralbank vor, deren Möglichkeiten bis auf weiteres Schaffen von Geld – das in eine Hyperinflation führt – und eine weitere Absenkung der Zinsen in den Negativbereich – die das klassische Bankengeschäft der Kreditvergabe endgültig zerstört – erschöpft sind. Und er erbt einen gigantischen Berg von Staatsschulden, die seit 2009 von 11 auf über 19 Billionen Dollar gestiegen sind (19’000’000’000’000 Dollar). Unter diesen Vorzeichen werden Trumps Versprechen, Arbeitsplätze aus dem Ausland zurückzuholen und neue, gut bezahlte Arbeitsplätze im ganzen Land zu schaffen, wie Seifenblasen zerplatzen.

Trump hat im Wahlkampf aber nicht nur unhaltbare Versprechen abgegeben, er hat sich auch nach Kräften bemüht, die Wut seiner Wähler anzufachen. Er hat gegen Ausländer, Immigranten, Behinderte und Homosexuelle gehetzt. Er hat angekündigt, Muslimen die Einreise in die USA zu verweigern, das Land gegenüber Mexiko durch eine Mauer abzuschotten und Schutzzölle gegen die Überflutung des US-Marktes durch ausländische Waren zu erheben. Anders ausgedrückt: Er hat die schlummernden Vorurteile der amerikanischen Unterschicht gegen alles ihr Fremde mobilisiert.

Trump ist kein normaler Wahlsieger

Damit damit hat er einen Minenteppich gelegt, der das Gesicht der USA ab Januar prägen und verändern wird: Die Erwartungen von Trumps Blue-Collar-Wählern werden bald nach seiner Amtseinführung bitter enttäuscht werden.
Die gebrochenen Wahlversprechen werden zu einer herben Ernüchterung führen, die in Wut umschlagen und sich gewaltsam entladen kann. Dann wird sich zeigen, dass Trump kein normaler Wahlsieger war, denn er hat für seine Wahl eine ausserparlamentarische Bewegung in Gang gesetzt und diese durch das Schüren von Hass aufgeheizt.
Steigt die Wut, dass Trump seine vielen Versprechen nicht einhalten kann, könnte er auf all die Vorurteile, die er im Wahlkampf bedient hat, zurückgreifen und versuchen, die Spekulanten der Finanzindustrie, also die wahren Schuldigen an der Krise, aus der Schusslinie zu nehmen, indem er den Hass der Menschen auf Migranten, Muslime und andere Minderheiten lenkt. Die USA stehen vor sehr schwierigen Zeiten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Ernst Wolff ist freier Journalist und Autor des Buches «Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs», erschienen im Tectum-Verlag, Marburg.

Zum Infosperber-Dossier:

Trump_cc

Donald Trump scharf beobachtet

Manche wollen ihm «eine Chance geben» und ihn nicht an Worten messen. Es wäre besser, auf der Hut zu sein.

Bildschirmfoto20170115um09_51_27

US-Politik unter Donald Trump

Weichenstellungen: An seinen Entscheiden ist Trump zu messen, nicht an seinen widersprüchlichen Aussagen.

Bildschirmfoto20160505um11_21_10

Wahlen in den USA

Wahlkreise werden willkürlich festgelegt. Lobbys greifen ein. Viel Lärm um Einfluss aus dem Ausland.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

6 Meinungen

  • am 13.11.2016 um 14:51 Uhr
    Permalink

    Der von Infosperber veröffentlichte Text wurde so vom Autor autorisiert. Mit seinem Einverständnis haben wir seine Darstellung, Präsident Obama habe Wahlbetrug begangen, weil er Guantanamo nicht wie versprochen geschlossen habe (tatsächlich verhinderte der Kongress die Schliessung), sowie seine Spekulation, das Militär könnte in den USA eine Diktatur errichten, weggelassen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 14.11.2016 um 00:25 Uhr
    Permalink

    @Ich habe den Eindruck, dass mit der Wahl Trumps schlechthin alle, selbst noch diejenigen, die versuchen, unbefangen zu schreiben, auf dem falschen Fuss erwischt worden sind. Auch Infosperber erreicht, einschliesslich mutmasslich aller Kommentatoren, keiner kann sich ausnehmen, nicht das übliche Niveau. Selber komme ich mir so blöd vor wie 1968, als ich über die Wahl Nixons in eine Zeitung schrieb: «Die Weltrevolution wird mit ihm zu rechnen haben.»

    Es war schon eine vollständige Katastrophe, dass die Frankfurter Allgemeine einen Amerikaner, immerhin Verfasser von 8 Romanen, über die Wahl schreiben liess, wobei dieser eingestand, keinen einzigen Trumpwähler persönlich zu kennen, wobei er sich hier allerdings massiv täuschen kann.

    Vielleicht vermehrt Beiträge bringen über Themen, wo man etwas aus erster Hand weiss. Nicht unbedingt Kirchenthemen, wo doch nicht mal dem sonst so kompetenten Müller-Muralt bekannt zu sein scheint, dass Kirchenangelegenheiten. auch öffentlichrechtliche Anerkennung des Islam, ohne Abschaffung der direkten Demokratie im übrigen kaum machbar, kantonal sind, so wie die Strategie amerikanischer Wahlkämpfer nie auf das Volksmehr ausgeht, d.h. einige Staaten werden im voraus abgeschrieben, so etwa Washington DC von Trump, weswegen Clinton dort gegen 93% der Stimmen machte. Die Strategie geht ausschliesslich auf die Elektoren aus. Man kann die Wahl also nicht z.B. mit der MEI-Abstimmung vergleichen, wo es noch auf das Volks- und Ständemehr ankam.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 14.11.2016 um 00:25 Uhr
    Permalink

    @Ich habe den Eindruck, dass mit der Wahl Trumps schlechthin alle, selbst noch diejenigen, die versuchen, unbefangen zu schreiben, auf dem falschen Fuss erwischt worden sind. Auch Infosperber erreicht, einschliesslich mutmasslich aller Kommentatoren, keiner kann sich ausnehmen, nicht das übliche Niveau. Selber komme ich mir so blöd vor wie 1968, als ich über die Wahl Nixons in eine Zeitung schrieb: «Die Weltrevolution wird mit ihm zu rechnen haben.»

    Es war schon eine vollständige Katastrophe, dass die Frankfurter Allgemeine einen Amerikaner, immerhin Verfasser von 8 Romanen, über die Wahl schreiben liess, wobei dieser eingestand, keinen einzigen Trumpwähler persönlich zu kennen, wobei er sich hier allerdings massiv täuschen kann.

    Vielleicht vermehrt Beiträge bringen über Themen, wo man etwas aus erster Hand weiss. Nicht unbedingt Kirchenthemen, wo doch nicht mal dem sonst so kompetenten Müller-Muralt bekannt zu sein scheint, dass Kirchenangelegenheiten. auch öffentlichrechtliche Anerkennung des Islam, ohne Abschaffung der direkten Demokratie im übrigen kaum machbar, kantonal sind, so wie die Strategie amerikanischer Wahlkämpfer nie auf das Volksmehr ausgeht, d.h. einige Staaten werden im voraus abgeschrieben, so etwa Washington DC von Trump, weswegen Clinton dort gegen 93% der Stimmen machte. Die Strategie geht ausschliesslich auf die Elektoren aus. Man kann die Wahl also nicht z.B. mit der MEI-Abstimmung vergleichen, wo es noch auf das Volks- und Ständemehr ankam.

  • am 16.11.2016 um 12:23 Uhr
    Permalink

    Wer den Herrn Trump so negativ qualifiziert, obwohl er noch nie ein Wort mit Ihm gewechselt hat, sollte seine Schlüsse besser für sich behalten.
    Er erweckt sonst den Anschein, ein «Gutmensch» zu sein.
    Das Resultat dieses Gutmenschen-Gehabe widerspiegelt sich in unserer zunehmend geistig degenerierenden Gesellschaft.

    Gute Menschen glauben, selber zu denken ist gut.
    Gutmenschen glauben, für Andere zu denken ist gut.

  • am 22.11.2016 um 12:00 Uhr
    Permalink

    … und wie kommt es, dass Sie ihn verteidigen (das tun Sie offenkundig) obwohl Sie noch nie ein Wort mit ihm gewechselt haben?
    Hier scheinen Sie davon auszugehen, dass blindes Vertrauen durchaus gerechtfertigt sei – ohne besseres Wissen (das Sie aus eigener Gesprächserfahrung mit Hr. Trump ziehen könnten).
    Sie haben recht – selbst denken ist gut. Es ist sogar ausgesprochen geboten in der heutigen Zeit. Es muss leider festgestellt werden, dass es nur sehr wenige wirklich können…

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...